„Ich war infiziert mit dem Musik-Mach-Virus und hab seitdem auch nichts anderes mehr wirklich verfolgt.“ Songtage Gera: Georg auf Lieder im Interview

Am 02. Mai 2015 ist Georg auf Lieder bei den Songtagen Gera zu sehen. Im Interview erzählt er uns von seinem Weg vom Berliner Alexanderplatz auf die Bühne.

Vom 13. März bis 15. Mai 2015 finden in Gera zum achten Mal die „Geraer Songtage“ statt. Hier finden sich Künstler aus der Singer/Songwriter-, Folk-, Pop- und Jazz-Szene ein. Einer unter ihnen ist Georg auf Lieder, der als Straßenmusiker anfing und 2014 sein erstes Album veröffentlichte. Im Interview erzählt er uns von der Stimmung auf dem Berliner Alexanderplatz und gibt einen kleinen Ausblick auf sein nächstes Album.

© Presse
Wann hast du die Entscheidung getroffen, dass du Musik machen willst?

Die hab ich 2002 bei einem Urlaub in Bolivien getroffen. Ich war dort zu Besuch bei meiner Familie und bin da zur Gitarre gekommen. Das war dann irgendwie sehr sinngebend, ich konnte irgendwo endlich mal Energie reinstecken, also überschüssige Energie. Und da war ich dann total infiziert mit dem Musik-Mach-Virus und hab seitdem auch nichts anderes mehr wirklich verfolgt. Ich war noch ein paar Jahre in der Schule, aber die hab ich dann irgendwann abgebrochen.

Deine Familie war ja bestimmt nicht sehr begeistert, als du die Schule abgebrochen hast, um Musik zu machen. Wie sehen sie das heute?

Meine Mutter hat mich relativ früh schon darin unterstützt. Natürlich war sie am Anfang total besorgt, aber sie hat schnell gepeilt, dass ich das auch wirklich möchte und da engagiert dahinter bin. Dementsprechend hat sie mich dann auch eher darin unterstützt. Im Nachhinein kriege ich momentan ganz viel Respekt von Leuten, die sagen: „Ey cool, dass du daran geglaubt hast und dahinter gestanden und das durchgezogen hast.“

Und du? Bereust du es manchmal abgebrochen zu haben?

Nö, nie. Das war zu dem Zeitpunkt auf jeden Fall die beste Entscheidung. Es hat sich damals richtig angefühlt und heute immer noch. Also klar gab’s zwischendurch eine Zeit, bevor ich einen Plattenvertrag hatte, in der ich mich gefragt habe,  ob das jetzt schlau war, aber im Nachhinein hat es sich dann irgendwie ausgezahlt.

Woher nimmst du die Inspirationen für deine Texte?

Aus dem Leben. Mein Album zum Beispiel: Da hab ich alles irgendwie schon mal erlebt. Es gibt zwei Songs, die sind eher aus der Erfahrung heraus gegriffen, aber jeder Song ist auf jeden Fall ein Erlebnis in irgendeiner Form.

Du warst ja früher auch in einer Band, die mehr in Richtung Punkrock ging. Wie kam der Stilwechsel zu dem soften Pop, den du jetzt machst?

Naja, also wenn man mich Live sieht, geht’s immer noch ziemlich nach vorne. Aber sich aufm Alexanderplatz mit verzerrter Gitarre hinzustellen, war irgendwie komisch. Also kam es ein bisschen durch die Straßenmusik, dass ich angefangen habe, Akustik-Gitarre zu spielen. Da hab ich dann auch immer mehr Songs geschrieben. Ich habe immer nur eigenen Kram auf der Straße gespielt.

Kannst du dir vorstellen in Zukunft auch mal (wieder) etwas Raueres zu machen?

Mein zweites Album geht auf jeden Fall wieder mehr in die Richtung. Es wird jetzt nicht total Hardcore-Punk sein, aber ich spiele wieder viel E-Gitarre und ich mache nebenbei auch immer mal wieder solche Mucke. Und ich werde sicherlich irgendwann mal wieder so eine Band haben, wo es ein bisschen härter zur Sache geht. 

Also arbeitest du schon am zweiten Album?

Ja, ich hab mein zweites Album eigentlich schon fertig geschrieben. Also ich schreib immer noch Sachen, aber eigentlich hätte ich schon alle Songs.

Welcher Moment aus deiner Zeit auf dem Alex hat dich am meisten geprägt oder beeindruckt?

Eigentlich gab es ziemlich viele, sehr bewegende Momente. Am Alexanderplatz werden die ganzen verlorenen Seelen angespült. Ich glaube, jeder der nach Berlin kommt und in irgendeiner Form den großen Traum leben möchte, aber nichts mit sich anzufangen weiß, der kommt erst mal zum Alexanderplatz, weil es halt so ein bekannter Platz ist und dementsprechend ist man da von ganz vielen Träumen und Hoffnungen umgeben. Es gibt so viele einzelne Geschichten, aber es ist eher eine Grundstimmung, die mir ganz stark in Erinnerung geblieben ist, was ganz Freies und Lebendiges, wenn man rauskommt aus seiner Wohlfühlzone und so viele neue Leute kennenlernt, die man im normalen Leben niemals kennengelernt hätte.

Hast du dort auch mal eine negative Erfahrung gemacht?

Ich wurde auf jeden Fall ein paar mal vom Ordnungsamt verscheucht. Von der Polizei nicht, mit denen kann man sprechen, mit denen vom Ordnungsamt nicht so. Aber sonst, ich meine, das sind halt am Tag bestimmt 100.000 Leute, die da vorbei gehen, mindestens. Und da kriegt man schon ab und zu mal einen blöden Spruch zu hören. Das passiert jedem, der da  spielt. Da muss man sich schon ein dickes Fell aneignen. 

Wann warst du nervöser, vor deinem ersten Auftritt auf dem Alex, oder vor dem, auf einer richtigen Bühne?

Vorm Alexanderplatz, auf jeden Fall. Das ist so nackig, und ich hab auch nur eigene Songs gespielt, also ich hatte nichts woran ich mich festhalten konnte. Dementsprechend war das für mich die intensivere Erfahrung, was Nervosität betrifft.

Du hast mal gesagt, die Straßenmusik hat dich selbstbewusster gemacht. Warst du vorher eher jemand, der sich im Hintergrund hält und fühlst dich jetzt wohl im Mittelpunkt zu stehen?

Ich war jetzt nicht schüchtern oder so, aber bei der Straßenmusik, da stellst du dich halt auf die Straße und machst einfach und irgendwie kommt’s dann gut an, ohne dass man darüber nachdenken muss, was man gerade tut. Also jeder hat ja so seine Form, wie man sich nach außen präsentiert. Und auf dem Alexanderplatz war ich ziemlich bei mir und bei der Gitarre, bei der Musik. Ich verstell mich jetzt nicht großartig, wenn ich meine Gitarre nicht habe, aber ich war halt doch sehr verletzlich und trotzdem hab ich soviel Positives erlebt. dDas hat mich auch darin bestärkt ganz natürlich und normal durch die Welt zu laufen.

Bist du mit der Hoffnung entdeckt zu werden auf die Straße gegangen, oder kam das für dich völlig unerwartet?

Es kam schon unerwartet. In erster Linie wollte ich Musik machen und ich wollte meinen Kühlschrank füllen, weil ich ja total abgebrannt war, hier in Berlin. Ich wollte aber nicht irgendwie arbeiten, sondern ich wollte Musik machen und dementsprechend war ich jeden Tag auf dem Alexanderplatz. Und als es dann so weit kam, dass ich entdeckt worden bin, war das natürlich ein totaler Traum, das war total unglaublich für mich. Aber ich hätte nicht damit gerechnet, also ich bin nicht auf den Alexanderplatz gegangen und hab gesagt ich möchte jetzt hier entdeckt werden.

Wurdest du schon mal auf der Straße von einem Fan erkannt?

Ja, neulich Abend zum Beispiel, da wurde ich mal erkannt. Da wurde ich gefragt: „Ey, du bist doch der auf Lieder-Typ“ und meinte „ja, läuft bei dir, übergeil“. Aber ich kann auf die Straße gehen, ohne dass sich Leute dauernd umdrehen. Es passiert aber manchmal, dass ich zum Beispiel in der Kaufhalle bin und mich jemand anspricht, oder ich in der Bahn sitze und einer sagt: „Ey, geile Songs“ oder so. 

Am 2. Mai 2015 bist du bei den Geraer Songtagen. Bleibst du da noch ein paar Tage und schaust dir auch die anderen Künstler an?

Ich glaube nicht, aber ich würde gerne. Wen ich mir sehr gerne angucken würde wäre Gisbert zu Knyphausen, den finde ich auf jeden Fall toll.

Bonus-Frage: Mit wem würdest du gern mal Musik machen, lebendig oder tot?

Schwer zu sagen, weil ich ehrlich gesagt glaube, dass es ziemlich ernüchternd sein kann seine Heroes zu treffen. Die entsprechen wahrscheinlich nicht dem, was man sich so vorstellt, wie die sind. Aber eigentlich würde ich gerne mal einen Song zusammen mit Farin Urlaub schreiben, das ist einer meiner All-time-Heroes.

Infos: Georgs Konzert ist am 2. Mai 2015 ab 21 Uhr im Clubzentrum Comma in Gera, www.songtage-gera.de

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