Von Femme Fragile zur Femme Fatale Opernrezension: „Salome“ von Richard Strauss

Seit dem 17. Juni 2017 wird „Salome“ von Richard Strauss in der Leipziger Oper aufgeführt.

© Kirsten Nijhof
„Salome“ wird seit dem 17. Juni 2017 in der Leipziger Oper aufgeführt. Wir waren bei der Premiere dabei und haben festgestellt, dass eine Oper fesselnder sein kann, als so mancher denkt.

Die Geschichte von Johannes dem Täufer endet schon in der Bibel mit seiner Enthauptung. Der Grund dafür ist die Prinzessin, die Tochter der Herodias. Ihr Stiefvater König Herodes verspricht, ihr einen Wunsch zu erfüllen, wenn sie für ihn tanzt. Von ihrer Mutter angestiftet, fordert sie den Kopf des Propheten.

Oscar Wilde war von der Geschichte Salomes, wie die Tochter der Herodias geheißen haben soll, fasziniert. 1891 veröffentlicht er das Drama „Salome“. Johannes der Täufer wird hier Jochanaan genannt und befindet sich wie in der biblischen Geschichte in Gefangenschaft des Königs. Der entscheidende Unterschied ist, dass Salome den Kopf des Gefangenen nicht für ihre Mutter fordert. Ihr Beweggrund ist ihre eigene sexuelle Begierde und Liebe zu Jochanaan, die dieser aber deutlich zurückweist. Somit wird Salome zu einer eigenständigen Person. Diese Idee begeisterte Richard Strauss und so komponierte er eine Oper, die 1905 erstmals aufgeführt wurde.

Die Geschichte der Salome

Die Handlung des Dramas ist schnell erzählt. König Herodes feiert gebührend seinen Geburtstag, auf dem auch seine Stieftochter Salome anwesend ist. Der junge Hauptmann Narraboth beobachtet die Prinzessin und schwärmt ununterbrochen von ihr. Salome verlässt die Feier und bezirzt Narraboth, sodass dieser ihrer Bitte nachkommt und den Gefangenen Jochanaan aus seinem Käfig freilässt. Die anfängliche Neugierde von Salome verwandelt sich schnell in eine unstillbare Begierde. Sie wirft sich dem Propheten förmlich an den Hals. Dieser wehrt sie jedoch immer wieder ab, was ihre Schwärmereien in Hasstiraden umschwenken lässt. Als sie nicht aufhört, ihn zu bedrängen, kehrt er in sein Gefängnis zurück.

Der Hauptmann ist von der offensichtlichen Begierde Salomes entsetzt und ersticht sich. Herodes und die Festgesellschaft stoßen zu der enttäuschten Salome. Ihr Stiefvater fordert sie zum Tanz auf und verspricht ihr als Belohnung die Erfüllung eines Wunsches. Salome geht darauf ein und fordert den Kopf des Propheten. Herodes ist sehr erstaunt, denn auch er sah Salome bis zu diesem Zeitpunkt als fragiles, unschuldiges, schönes Mädchen. Trotzdem erfüllt er ihr den Wunsch. Salome erhält den Kopf Jochanaans, liebkost diesen und küsst seinen Mund. In diesem Moment zerbricht endgültig das Bild, welches Herodes von seiner Stieftochter hatte. Er lässt sie auf der Stelle töten.

© Kirsten Nijhof

Salome an der Oper Leipzig

Auf der Premiere in der Leipziger Oper fiel uns vor allem das durchmischte Publikum auf. Viele Besucher waren offensichtlich erfahrene Operngänger. Zwischen den Anzügen und schicken Kleidern entdeckten wir jedoch viele Jeans und Turnschuhe. 

Als der Vorhang hochgezogen wurde, erstaunte uns ganz besonders das Bühnenbild. Das Drama spielt auf der Terrasse des Königs, also erwarteten wir einen ehrwürdigen Bau, ein edles Bühnenbild, was zu den gehoben Verhältnissen passt. Stattdessen eröffnete sich uns ein grauer, heruntergekommener, trauriger Anblick. Steinblöcke, ein Autowrack, Holzpaletten und Metallkonstruktionen schmücken die Kulisse und dienen teilweise als Requisiten. Auch die Kostüme der Darsteller erinnern uns eher an den dystopischen Film „Tribute von Panem“, als an biblische Zeiten. Die Neuinszenierung von Aron Stiehl macht Eindruck. Da wir nicht besonders opernaffin sind, war es zu Beginn schwer, sich an die gesungene Sprache der Darsteller zu gewöhnen. Angenehm war daher der Bildschirm, der über der Bühne hängt und den Text wiedergibt. Die Geschichte an sich fesselte uns. 

Eine vielschichtige Frau 

Durch die moderne Interpretation wird das Bild der Salome und deren Wandlung extrem verdeutlicht. Mit Übertreibungen wird das sexuelle Verlangen der Figuren besonders herausgestellt. Ein Beispiel dafür ist der Tanz, den Salome für ihren Stiefvater vollziehen muss. Nach der Beendigung zwingt er sie dazu, ihn sexuell zu befriedigen. Salome wird vom Hauptmann und ihrem Vater als schönes begehrenswertes Objekt gesehen. Die Beschreibungen passen auf den Prototypen der Femme Fragile. Der ständige Vergleich mit dem blassen Mond verstärkt dies zusätzlich. Als Zuschauer kommt man allerdings schnell dahinter, dass Salome sich in diese Rolle drängen lässt, um ihre eigenen Ziele zu erreichen.

Beim Zusammentreffen mit Jochanaan hat sie keine Hemmungen, ihre eigene Begierde zu zeigen. Sie entwickelt sich zu einer wollüstigen Verführerin. Mit diesem Bild schaffte Oscar Wilde das Bild einer leidenschaftlichen, animalischen und erbarmungslosen Frau. Hinter der Fassade der Femme Fragile versteckt sich die Femme Fatal. Diese kommt ans Licht und hat keine Bedenken, ihr Lustobjekt ins Verderben zu stürzen. Den Tod des Propheten nimmt sie gerne in Kauf, um ihr Verlangen zu stillen. Der Hauptmann bemerkt dies während ihres Gesprächs mit Jochanaan, ihr Stiefvater erst als die verrückt gewordene Salome den abgetrennten Kopf des Täufers liebkost. 

Fazit: Uns beeindruckt die Oper sehr. Eine Neuinszenierung, die der Geschichte und den Aussagen des Schöpfers nichts nimmt, sondern im Gegenteil noch mehr Ausdruck verleiht. Auch wir als Operneulinge konnten dem Stück sehr gut folgen und waren gefesselt von der starken Leistung der Opernsänger. Vor allem die Hauptdarstellerin Elisabet Strid schaffte es, uns in ihren Bann zu ziehen. 

Spieltermine:  14.10.2017, 20.10.2017, 16.12.2017, 10.3.2018 

„Salome“ von Richard Strauss in der Oper Leipzig