Vinyl in Leipzig Wenn die Welt eine Scheibe ist: Musikhaus Kietz

Lange Zeit galt die klassische Vinyl-Platte als überholt, doch jetzt finden sich immer mehr Anhänger von Vinyl. Wir haben mit dem Musikhaus Kietz-Besitzer Rory und seinem Kollegen André über den neuen Vinyl-Boom geredet.

© Geli Megeysi
Wir sprachen mit dem Musikhaus Kietz-Besitzer Rory und seinem Kollegen André über den Vinyl-Boom, den Plattenladenbesuch als Psychotherapie und (Un)Sinn des Record Store Day.

Vinyl ist gefragter denn je. Wie läuft es in deinem Plattenladen?

Rory: Es ist eine super Zeit. Wer gerade einen Plattenladen hat und kein Geld verdient, macht etwas falsch. Allerdings denken wir, dass der Zenit erreicht ist. Im Internet werden viele, was Preise betrifft, ein bisschen frech. Jeder will auf diesen Zug aufspringen. Am Schwierigsten ist die Neuware, die im Einkauf sehr teuer ist. Man hat das Gefühl, dass die gleichen Fehler gemacht werden wie bei CDs – die wurden irgendwann auch zu teuer. Der Bogen wird schon wieder so krass überspannt. 

Wie erklärt ihr euch den neuen Erfolg der Schallplatte?

Rory: Der Wertverlust ist nicht so hoch wie bei einer CD. Gerade bei den älteren Sachen – die werden nie verramscht.

André: Eine Plattensammlung hat vor allem eines: Seele. Heute ist der renommierte Standard an Musik eine MP3 auf dem Computer. Die Leute wollen etwas in der Hand haben. 

Was für Menschen trefft ihr hier im Laden an?

Rory: Ich glaube, unser Job besteht mittlerweile nur noch aus reiner Menschenkenntnis. Ein Plattenladen ist auch so eine Art Psychotherapie. Wer hier reinkommt und Sammler von 17.000 Platten ist, der will uns natürlich auch davon erzählen. Früher sind die vielleicht zum Friseur zum Quatschen gegangen – heute ist es der Plattenladen. Wir haben auch Stammkunden, z.B. kommt einer jeden Dienstag früh und kriegt sein Bier. Wenn er mal nicht käme, würden wir wahrscheinlich die Feuerwehr rufen, weil wir denken, dem könnte was passiert sein. Es gibt ganz viele, die immer zur gleichen Zeit kommen. Denen geht es um dieses Flair hier. Dass die aus Höflichkeit auch eine Platte mitnehmen, ist klar (lacht). 

© Geli Megeysi

Man muss hier also ein Menschenfreund sein.

Rory: Ja, muss man – und auch schmerzfrei. Die Welt wird immer verrückter. 

André: Vor allem muss man auch alles ein bisschen mit Humor nehmen. 

Rory: Letztens war ein Leipziger Singer/Songwriter hier, der ohne zu grüßen aufs Klo ging, dort sein großes Geschäft verrichtete und ohne Worte direkt wieder ging (lacht). Das kannst du nur mit Humor sehen. Wir haben hier mittlerweile fast alles erlebt und das reißt auch nicht ab.

Am 22. April 2017 ist der Record Store Day (RSD). Wie steht ihr zu diesem Tag: Ein Aktionstag zu Ehren des Vinyl oder ein rein kommerzieller von den Großunternehmen und Labels initiierten Verkaufstag?

Rory: Ich sehe es als einen rein kommerziellen Tag. Wir machen beim RSD noch mit, aber den Black Friday und die Plattenladenwoche lassen wir bewusst aus. Das nimmt Überhand. Die Labels haben ja erkannt, dass sie damit einen Haufen Kohle machen. Wenn es nach mir ginge, würden wir nicht teilnehmen, weil ich das teilweise als Abzocke sehe. Auf der anderen Seite ist die Nachfrage da. An dem Tag wird uns hier die Bude eingerannt.

André: Aber es fixt auch Leute an, die dann den Rest des Jahres den Weg hierher finden. Ich glaube, es ist auch eine Chance, neue Leute zu erreichen. Es gibt viele kritische Punkte an dem RSD. Aber am Ende ist das auch immer ein sehr lustiger Tag, für alle, die zu uns in den Laden kommen.

+++ RECORD STORE DAY IN LEIPZIG +++

Der RSD findet am 22. April 2017 zum 10. Mal statt. Die offizielle Liste aller exklusiven Veröffentlichungen findet ihr hier: www.recordstoredaygermany.de 

Im Musikhaus Kietz spielen live Max von Wegen um 17 Uhr und die Band Choirs um 19 Uhr. Im Whispers Records tritt die Band Widerstand der Dinge ebenfalls um 19 Uhr auf. Zusammen mit dem RSD findet außerdem am 22. April 2017 das KarLiBeben statt.