Typologie: Von den zornigen Alten bis zu den Ghetto-Kids Das Who is Who Leipziger Fahrgäste und hilfreiche Tipps

Da sitzen sie, stereotypisch reiht sich einer nach dem anderen in eine Typologie des LVB-Gastes. Wir zeigen euch sieben Fahrgast-Typen und bieten hilfreiche Tipps im Umgang mit ihnen:


Straßenbahnfahren fetzt! Vor allem im Winter – Dampfsauna bis Tropfsteinhöhlen – ähnliche Zustände versprechen die Fahrt deines Lebens. Im Stehen, selbstverständlich. Platz gibt’s nämlich nicht. Zumindest nie für mich. Ist so! Der wird nämlich schon anderweitig besetzt. Da sitzen sie, stereotypisch reiht sich einer nach dem anderen in eine Typologie des LVB-Gastes. Wir zeigen euch sieben Fahrgast-Typen und bieten hilfreiche Tipps im Umgang mit ihnen:

© Carolin Schreier

Die We-Are-Family-Familie

Die „We-are-Family“-Familie brilliert vor allem in Fruchtbarkeitsquantität. Mama, Papa, Schwestern und Brüder, 30 Kinder, 40 Tanten, 50 Cousins. 60 Groß-Cousinen. Da sitzen sie nun. Füllen einen kompletten Wagen und sind allen voran eines: LAUT! Krümeln mit der Backware, schmieren mit den Fettfingern und kleckern mit der Apfelschorle.

Tipp: Wenn du nicht bei RTL arbeitest, dann wechselst du den Wagen.

Der zornige Alte

Oder die Alte. Gemeint: Die Ü-67 Weltverneiner. Diese nutzen die Bahn nämlich gar nicht, um Wege hinter sich zu legen, sondern um den lieben Mitmenschen verbal und mittels Gesten mal schön in die Fresse zu hauen! Ganz in „Die Jugend heutzutage“-Manier werden alle U-30 Mitmenschen von den Sitzplätzen gefegt und mal ordentlich Respekt vorm Alter postuliert. Kopfschüttelnd, moderner Vokabeln wie „Danke“ und „Bitte“ nicht mächtig, wissen alle Mitfahrer nach 30 Minuten, dass früher alles besser war.

Tipp: Einmal mehr lächeln. Einmal mehr nett sein. Vielleicht schwappt’s über.

Die Ghetto-Kids

Naja, und schon versteht man die zornigen Alten ein wenig. „Die Jugend heutzutage“ kann nämlich furchtbar präsent asozial sein! Vielleicht bin ich einfach nur zu uncool, um eine Ghetto-Kids-Clique zu verstehen, die die Bahn zu viert mit drei Deutsch-Rap schallernden Handys betritt, dem Wetter immer unpassend angezogen ist (im Winter im T-Shirt, im Sommer mit der Beanie) und anstatt hier und da zwischen den (kurzen) Sätzen eine Atempause einzusetzen, die Syntax lieber mit „Alter“-Bausteinen zu durchbrechen, Alter!

Tipp: Neben die zornigen Alten setzen. Arme verschränken. Kopf abwertend schütteln. „Fuck off, Alter!“

 

Die Quasselstrippe

Und Nelson zeigt mit dem Finger auf dich: „HAHA“. Arschkarte! Wenn du der Quasselstrippe begegnest, und nicht selbst zum Opfer ihres Wetter-Leipzigmainstream-Blabla-Smalltalks wirst (schon mal zwei von drei Kreuzen), dann musst du dennoch passiv leiden. Laute und andauernde Telefonate oder die monologische Hypnose ihrer Sitznachbarin/ihrem Sitznachbars zieren nun 30 Minuten lang deinen LVB-Alptraum. Let’s go Sexismus: Die Quasselstrippe ist ziemlich wahrscheinlich weiblichen Geschlechts und der Emanzipation zum Trotz geht’s um das neuste Youtube-Schmink-Tutorial, Ryan Goslings Sixpack oder Susannes Rumgezicke auf Arbeit.

Tipp: Ohropax.

Der/die/das Ekelhafte

Sorry, aber das Kind muss auch mal beim Namen genannt werden. Der/die/das Ekelhafte stinkt. Doch weil Stinken allein noch nicht ekelhaft genug ist, hustet der/die/das Ekelhafte ohne Hand vorm Mund meist direkt hauchzart in deinen Nacken! Oder eben in your face – so zumindest fühlst du dich. Da der/die/das Ekelhafte so überzeugend rumekelt und mit einem Selbstverständnis die ganze Bahn ausstinkt, bin ich mir sicher: Analysezwecke! Kein Mensch kann so ignorant im Melting-Pot eines geschlossenen Leipziger Querschnitts vor sich hin- und herekeln. Es muss so sein: Der/die/das Ekelhafte ist Soziologe(in) und erforscht kollektive Gruppenreaktion auf abweichendes Verhalten und etwaig folgende gesellschaftliche Sanktionen.

Tipp: Sanktionieren!

Der Kindergarten

Der „The Day After Tomorrow“-Straßenbahnzustand. Invasionsgleich flitzen die Zwerge in die Bahn und quetschen sich in alle Nischen. Zu acht stapeln sie sich auf einem Sitz und poltern lauthals durch die Bahn. Wer sich von da unten nicht stressen lässt, lernt viel von den Kleinen. Vor allem, dass der eigene Job als Notar unheimlich entspannend ist. Da stehen sie nämlich, die eigentlichen KiTa-Opfer: Die Erzieher/innen. Gestresst am durchzählen, ermahnen und schwitzen. Für sie war es eine gute Fahrt, wenn von 30 Kindern wenigstens 25 die Bahn auch wieder verlassen.

Tipp: Beruhigt zum Bürojob fahren.

Der Endgegner

Diiiiiiiiiiie Ticketkontrolleure. Hast du ein Ticket, bist du halb fein raus. Meist wird nämlich nach dem Fahrausweis verlangt, wenn du mit vier Einkaufstüten und einem Fuß bereits nach draußen die LVB-Hölle verlassen willst. Du: endgestresst. Sie: vollends zufrieden. Richtig am Arsch bist du natürlich, wenn du kein Ticket hast. Meist ist dies genau dann der Fall, wenn du dir zehn Mal vorher ein Ticket gekauft hast (welches täglich im Preis um 30% ansteigt) und du beim elften Mal mit Pokerface in die Bahn einsteigst. Ohne Ticket natürlich. „Klaro, die machen ja auch nur ihren Job“ – denkst du dir zähneknirschend, doch nach 30 minütiger Steh-Tortur würdest du am liebsten einen schriftlich-gewordenen Mittelfinger verfassen und dich mal so richtig auskotzen.

Tipp: Mach es!