Allgemein

Flimkritik: Ich & Kaminski

„Ich & Kaminski“ ab 17. September neu in den Kinos. Daniel Brühl als erfolgshungriges Ekel taucht in die Welt eines fast vergessenen großen Künstlers.

Die Geschichte der Kunst spiegelt die Geschichte der Menschheit. Sie ist ungleichförmig, blickt auf viele dunkle Kapitel und pausiert niemals in ihrer Entwicklung. Kunst ist immer ein Wagnis, das der Künstler eingehen muss, um neue Welten zu öffnen. Und nicht immer erntet er die angemessene Anerkennung. Van Gogh zum Beispiel hat viel getan und wenig erreicht. Seine Werke gehörten erst nach seinem Tod zu den kostspieligsten der Welt. 
„Ich & Kaminski“ beschäftigt sich mit dem Leben eines Künstlers, der nur durch ein Versehen noch zu Lebzeiten zu Ruhm gelangte und damit auch nicht glücklich wurde. Dazu ein weiterer verlorener Geist auf der ewigen Suche nach dem Sinn und fertig ist eine gut erzählte Geschichte über Kunst, das Erinnern, das Verdrängen und das eigene Ego. 


Worum geht es genau?

Es geht um „Ich“ und „Kaminsiki“. Das „Ich“ verkörpert der Kunstjournalist Sebastian Zöllner. Manuel Kaminsiki ist ein bekannter Maler der Moderne, der inzwischen krank und gealtert in den Alpen auf seinen Tod wartet. Zöllner will ein Enthüllungsbuch über den fast erblindeten Maler schreiben. Damit soll es für ihn so richtig durch die Decke gehen. Auch bitternötig, denn sein Leben ist, um es milde zu formulieren, ziemlich mau. Freundin weg, Bude auch, die Fristen für seine Artikel verstreichen und die Leber wird auch nicht jünger. Kaminsiki hingegen hat eigentlich alles erreicht. Gefeierter Künstler und Freund glamouröser Gestalten, wenn auch nur zufällig. Eines seiner Werke mit dem Titel „Painted by a blind man“ ist einst in die Flure einer Pop-Art-Ausstellung geraten. Von da an ging es nur noch nach oben.
Mit fragwürdigen Mitteln verschafft sich Zöllner Zutritt in Kaminskis Vergangenheit, immer bestrebt, ihm DAS EINE Geheimnis zu entlocken: Ist er wirklich blind oder fußt seine Bekanntheit nur auf einem Schwindel? Diskretion, Benehmen
und Respekt sind dabei in vielerlei Hinsicht ein Fremdwort.

Es kommt eins zum anderen: Beide landen gemeinsam auf einem bizarren Roadtrip und suchen die totgeglaubte große Liebe des Malers auf. Man mag kaum so weit gehen, ihre persönliche Beziehung eine freundschaftliche zu nennen, dennoch: Im Laufe der Reise halten sich beide den Spiegel vor und begegnen sich (zumindest am Ende) mit Respekt und Empathie. 

Was steckt da hinter?

Vorab: Beide gebrauchen einander für ihre Zwecke. Zöllner will Kohle machen und Kaminski schlichtweg aus seinem stickigen Dasein fliehen. Mit dem einen Unterschied, dass Zöllner gar nicht bemerkt, dass der alte Mann ihn benutzt und so zum eigentlichen Opfer wird. 

Grundsätzlich geht es um das Portrait zweier Menschen, die sich in völlig unterschiedlichen Lebensstadien befinden und eigentlich erstmal wenig gemeinsam haben. Sebastian Zöllner ist ignorant und teilweise schon dreist selbstüberschätzend. Grundsätzlich ist ihm jede Frau verfallen, jeder Mensch, der seinen Humor nicht teilt, ein Idiot und alle Kollegen Nichtskönner. Diese Einstellung macht ihn ziemlich einsam, aber seinen Schutzpanzer dafür umso härter. Es bedarf Kaminski, um ihm die Augen zu öffnen und zu erkennen, dass alles, was er bisher gemacht hat, bedeutungsloser Mist war. Auch Kaminski muss auf der Reise schmerzhaft erfahren, dass verdrängen nicht vergessen heißt. Seine Vergangenheit prallt unsanft auf seine Gegenwart.

In „Ich & Kaminski“ geistern viele Lügen, viele Wahrheiten, viel Kunst und eine Menge falscher Stolz umher. 

Was macht ihn sehenswert?

Ein wirklich guter Daniel Brühl  („Good Bye, Lenin!“) als Sebastian Zöllner und ein fast noch besserer kauziger Jesper Christensen („Nymphomania“) als Manuel Kaminski. Der Film lebt von dem Zusammenspiel beider Charakterköpfe und ihrer Entwicklung. 

So hat er auch viele nachdenkliche Momente, die teilweise wirklich anrührend sind. Denn der Film ist vor allem einer über das Älterwerden. Und das Scheitern. Gut erzählt und kreativ umgesetzt. 

Teilweise lässt „Ich & Kaminski“ Situationen offen und einige Charaktere im Regen stehen. So zum Beispiel die große Liebe des Malers, um die es ja schließlich, einen nicht unerheblichen Teil des Filmes, geht. Ihr Charakter ist fahl, verstörend und traurig. Sicher so gewollt, für den Zuschauer aber irgendwie unbefriedigend. 

Gelungen: Die Verwandlung in einen waschechten Roadtrip „unter Männern“. Ohne Wechselklamotte und Geld setzt sich Kaminski in den Wagen und lässt sich von Zöllner die ganze Fahrt über aushalten und ist dabei nicht gerade zurückhaltend. Die Gespräche der beiden sind im selben Moment bizarr und komisch – und teilweise ziemlich genial. 

Aufrichtige Sympathie kommt für beide Charaktere aber bis zum Schluss nicht auf. Zwar fühlt man sich durch ihre Selbsteinsicht versöhnt und zeigt Verständnis, aber der Funke im Herzen will nicht recht überspringen.

Gut Gesagt 

„Ich war bildschön, heute ist nur noch das Bild schön.“ 

 
Eine in die Jahre gekommene Frau, die einst von Kaminski gezeichnet wurde, blickt melancholisch auf ihr damaliges Ich. Immer noch zehrt sie von den verblassten Erinnerungen ihrer Jugend. 

„Alles errichtet man in Sprüngen.“

 
Kaminski über seinen Erfolg und die oft fehlende Fähigkeit, damit geduldig und bescheiden zu sein.

Fazit 


Sicher eine gelungene deutsch-belgische Produktion mit starken Gesichtern. Filmisch schön gelöst und vor allem ästhetisch. Die Kunst Kaminskis ist während der gesamten zwei Stunden präsent und eindrucksvoll. Eine Produktion, die in die Tiefe zu gehen versucht, aber manchmal keine eindeutigen Worte findet. 

Ein satirischer Blick auf das Nicht-sehen-Können… in vielerlei Hinsicht.

Ab 17. September 2015 in den Kinos: in Leipzig zu sehen in den Passage Kinos und in der Schauburg

R: Wolfgang Becker / Autor: Daniel Kehlmann

Deutschland/Belgien 2015

Länge: ca. 120 Min. 

Schreibe einen Kommentar