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Hingehört – Plattenkritik: Jake Isaac und Reitler

Wir haben die neuen Alben von Jake Isaac und Reitler genau unter die Lupe genommen.

Hingehört I: Jake Isaac – Our Lives 

Respekt, wer‘s selber macht!

Jake Isaac hat den großen Sprung eigentlich schon gemeistert: Internationale Headlinershows, ein Deal mit einem Major Label, was kann sich ein aufstrebender Musiker mehr wünschen? Doch er hat auch hart gearbeitet. Vier selbst eingespielte und teils selbst veröffentlichte EPs, unzählige Konzerte und all das ohne Label im Rücken. Nun steht sein Debütalbum in den Startlöchern.

Zugegeben, auf den ersten Lauscher fallen die Songs von „Our Lives“ nicht weiter auf. Soulige Balladen wechseln sich mit treibenden Popsongs ab und, na klar, auch eine rockige Nummer ist dabei. Das ändert sich, sobald man sich die Stimme des Südlondoners mit karibischen Wurzeln einmal genauer zu Gemüte führt. Egal ob samtig gehauchte Balladen, funky Kopfstimmenausflüge oder große Refrains – Mr. Isaac füllt den Raum mit einem dicken, selbstbewussten Timbre aus, bei dem auch immer ein Hauch karibischer Gelassenheit mitschwingt. Auch wenn die Stücke von „Our Lives“ etwas Eigenständigkeit vermissen lassen, ein oft rares Merkmal besitzen sie: Sie funktionieren einfach als Lied – ohne Synthiewände, dicke Beats und Backgroundchöre. Das beweisen Songs wie das fragile und zugleich bärenstarke „You and I Always“, das nur mit Stimme und Gitarre auskommt.

Unser Tipp: Am 11. Mai.2017 live im Täubchenthal gucken!  

Hingehört II: Reitler – Es geht mir gut  

Mitten im Leben

Es ist das Doppelleben so vieler Musiker: Job, Familie und der strapazierte Dispokredit. Reitler haben aus dieser Not eine Tugend gemacht und Leipzigs erstes Clubmacher-Allstar-Quartett gegründet. Zusammen spielen und singen Jörn, Matthias, Peter und Torsten, die allesamt keine Unbekannten in LE‘s Nachtszene sind, Songs aus dem knietiefen Sumpf des Alltags. Es ist das süffisante Augenzwinkern in jeder Textzeile, das diesem Album seinen Charme verleiht. Unterstützt von Gitarre, Bass, Drums und hin und wieder mal einem Chor, singen die Leipziger mal folkig, mal rockig über die Qual der Arbeit, Beziehungen und selektive Demenz.

Die etwas semiprofessionelle Produktion tut der kumpeligen Atmosphäre keinen Abbruch und unterstützt den Wunsch, mit den Jungs mal ein Bierchen zischen zu gehen. Ihr volles Potenzial schöpft die Band dann aus, wenn sie sich und andere auf den Arm nimmt. Zu hören etwa beim Business-Punk-Disstrack „Haare am Sack“ („Du bist big in Berlin, ich hab Haare am Sack!“). Abseits davon findet sich auf „Es geht mir gut“ auch die eine oder andere ernste Botschaft, wie etwa die durchaus intelligente Kritik an unserem oft überschleunigten Alltag („Ich war niemals hier“).

Reitler erfinden weder die Popmusik neu noch erwartet euch hier große musikalische Virtuosität. „Es geht mir gut“ kann dafür etwas, das jeder von uns unbedingt lernen sollte: Über sich selbst lachen.

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