Tim Fabig verzaubert nicht nur zu Weihnachten

I n dieser kalten und dunklen Jahreszeit sehnen wir uns nur allzu häufig nach Ruhe und Selbstreflexion. Anstatt zu kitschiger Weihnachtsmusik sollte man in diesem Winter aber mal lieber alaska.alaska greifen, denn das halb-akkustische, halb-elektronische Soloprojekt von Tim Fabig sprüht nur so vor berührenden Melodien und Momenten. Sufjan Stevens lässt grüßen!

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Tim, wann und warum hast du mit der Musik angefangen?

Tim Fabig:

Ich bin irgendwann Anfang der 90er auf Nirvana gestoßen und wurde vom Trubel um Kurt Cobain voll erwischt. Ich schnappte mir die alte Holzgitarre meiner Schwester und wollte unbedingt alles von denen nachspielen. Nach und nach lernte ich Leute kennen, die auch irgendwas konnten, war in ein paar Jugendbands, hatte peinliche Auftritte, musste in der Schule sogar mal ein Autogramm geben und so weiter und so fort. Heute kann ich übrigens kein einziges Lied mehr von Nirvana hören haha

Wie denkst du über Gov. Sarah Palin?
Hmm. Amerikanische Politik eben. Bis vor kurzem ein Irrenhaus. Mal sehen.
Warum ausgerechnet „Alaska“ als Alias und dann auch gleich doppelt? Gab es keine schöneren, weltoffeneren Staaten oder ist es ein verborgener Schatz?
Über die politische Wirkung Alaskas habe ich mir offen gesagt noch nie Gedanken gemacht. Ich war auch selbst nie dort. Vielleicht ist ja unter all dem Land und Schnee wirklich ein großer Regenbogen verborgen, wo all die Tiere schlafen gehen?!
Für mich steht mein stereotypes Alaska für etwas Weites, etwas Klares, etwas Unberührtes. Für etwas, das ich ab und zu im Leben hier vermisse. Ich kann nicht einfach mal ne Stunde fahren und stehe dann in einer Gegend wie dieser. Und überhaupt finde ich das Wort sehr schön.
Auf deinem Myspace findet man unter „Einflüsse“ den kryptischen Verweis „j. *55-02“. Steckt dahinter eine (Lakland) Gitarre oder ein ehemaliger Vertrauter?
Ich wünschte, es wäre diese Gitarre. Das sind in der Tat die Zeichen meines Vaters. Von ihm hab ich damals alles gelernt. Ich glaub, wir haben sogar mal zusammen „About a girl“ gespielt. Sein Tod 2002 bedeutete einen tiefen Schnitt, hat mich sehr mitgenommen und verändert. Er hat mir aber auch gezeigt, wie sehr ich meine Familie liebe und dass ich alles für sie aufgeben würde.
Was unterscheidet einen Solokünstler – deiner Meinung nach – bei seinem Schaffen von einer Band? Nimmt die Technik eine besondere Rolle ein?
James Hetfield (Anm.d.V. Sänger und Gitarrist bei Metallica) sagte mal sinngemäß, er hätte keinen Bock darauf, dass seinem Baby (= eine Songidee) ein Arm abgerissen und dafür von seinen Bandleuten ein anderer rangeschraubt wird. Ich glaube, jeder Musiker weiß ungefähr, was er meinte. In einer Band geht es glaube vor allem um Balance. Als Solokünstler eher darum, dass du alles unter einen Hut bekommst. Du bist bei Auftritten ganz allein. Stehst allein auf der Bühne. Tippst allein irgendwelche Schlagzeuglinien in den Rechner. Fährst allein in der Gegend rum. Und wenn du keine Freunde hast, kannst du sogar deinen ganzen Kram vom Auto auf die Bühne schleppen. Aber dafür kannst du dann auch ganz allein den Mädchen zuzwinkern.
Deine Songs zeichnen das Bild eines feinfühligen, verletzbaren Singer-Songwriter. Ist das ein treffendes Bildnis deinerselbst?
Ich glaub schon, dass einige Stimmungen in meinen Songs genau das ausdrücken, was mich auch als Menschen ausmacht. Allerdings stelle ich mir bei der Entstehung fast immer vor, einen Song zu schreiben, der gerade auf irgendeine Szene einer ganz bestimmten Serie passen könnte, deren Namen ich jetzt nennen könnte. Aber ich weiß nicht, ob dann jemals wieder irgendjemand zu einer alaska.alaska Show kommen würde, ohne mich auszulachen. Aber je dramatischer und anrührender die Szene, desto besser funktioniert für mich ne Melodie. Insofern haben die Motivationen für viele dieser Melodien erstmal nur so viel mit mir zu tun, als ich derjenige bin, der da irgendwas interpretiert. Bei den Texten vermischt sich das dann aber wieder total. Mittlerweile weiß ich auch bei einigen Songs gar nicht mehr genau, welche Szene ihr Hintergrund war.
Derzeit ist dein Programm noch eine Mischung aus elektronischen Klangteppichen und Gitarrenklängen. Welchen Weg wird deine musikalische Reise jetzt gehen: mehr hin zur Saite oder zur Elektronik?
Eindeutig zur Gitarre. Ich hab inzwischen die elektronischen Klangteppiche weitestgehend aus dem Programm gestrichen. Dafür singe ich mehr und spiele auch Akustikgitarre.
Bei deinen Auftritten hast du auch schonmal ganze Stücke von Band abgespielt ohne das Gesamtergebnis zu beeinträchtigen. Wie beschreibst du selbst ein alaska.alaska Konzert?
Das stimmt. Ich habe darauf auch schon die unterschiedlichsten Meinungen bekommen. Vor allem dann, wenn ich mir nicht vorher überlegt hatte, was ich eigentlich in der Zwischenzeit mache und dann ziemlich dumm auf der Bühne hockte und mir dauernd den Schweiß abwischte. Einige bekommen das aber irgendwie nicht ganz auf den Schirm, dass da halt nur ich allein auf der Bühne stehe und einige Teile vom Band kommen lasse. Mir ist es wichtig, die Sachen, die ich nicht auch noch spielen kann, live trotzdem dabei zu haben. Es gibt immer ein Intro, dann fang ich an zu spielen, zwischendurch gibt es ein paar Bemerkungen von mir zu den Songs oder zu Computern, und dann spiel ich weiter. Am liebsten mit einem Dia von einem Baum am Strand im Hintergrund. Der macht sich ganz gut als Bühnenpartner. Ich hab auch überlegt, ob ich meinen iPod nicht irgendwie in ein Kostüm mit Gesicht stecke und ihm einen Namen gebe.

Fotos: Marco Sensche
Viele Magdeburger Bands nutzen Nachwuchswettbewerbe wie die SWM MusiCids oder den f6 Music Award um Liveerfahrungen zu sammeln und ihre Bekanntheit zu steigern. Ist das eine Option über die auch du nachdenkst?
Dieser f6 Award war der einzige Grund, weshalb ich mich mit den Liedern solo auf die Bühne gestellt habe. Ich hätte das wahrscheinlich bis heute noch nicht getan, wenn mein Demo da nicht Zuspruch gefunden hätte. Und dafür danke ich allen, die mich bis dort getrieben haben. Irgendwer sagte mir damals, ich wär da auch der erste Solomensch gewesen, der es bis auf die Bühne schaffte. Vielleicht hätte ich aber nicht gleich beim f6 Award auftreten sollen, so ganz ohne Soloerfahrung. Ich glaube, das ging ziemlich in die Hose. Ich war verloren auf der großen Bühne. Die ganzen Leute. Ein Metaller am Mixer. Ich nervös wie die Sau. Das war schon hart.
Es gibt einige bemerkenswerte Artworks, etwa auf T-Shirts, in Zsh. mit alaska.alaska. Entstammen diese auch deiner Feder?
Die stammen von einem hoch begabten Grafiker, den ich auf meinem zweiten Konzert im Schauspielhaus kennenlernte. Alex hat meine Vorstellungen sehr sympathisch und perfekt umgesetzt. Jetzt ist er gerade in Kanada auf Urlaub und hängt seine Nahrung an Seile, um sich und sie vor den Bären zu schützen. Er macht auch andere crazy Shirts und Designs, die man auf seiner Seite www.zumheimathafen.de mit offenem Mund bestaunen kann.
Der schwarze Baum auf diesen Zeichnungen taucht auch im Titel „Under the Black Tree“ auf. Unter ihm wird ein Herz vergraben. Was symbolisiert er?
Er symbolisiert einen sicheren Ort fernab einer brennenden Stadt. Eigentlich geht es im Songtext gar nicht darum, einer verbrennenden Stadt zu entkommen. Es ist nur so, dass sich die Flammen auf einem T-Shirt ganz gut machen.
In „Under the Black Tree“ geht es um Abschied. So alltäglich Abschied auch sein mag, manchmal gibt es Momente im Leben, da spürst du ihn einfach viel intensiver. Dann weißt du, das ist jetzt für immer. Es geht darum, seiner Stadt und ihren friedlich schlafenden Seelen noch mal einen letzten Blick zuzuwerfen, während man selbst im Begriff ist, alles hinter sich zu lassen. Man vergräbt also sozusagen sein Herz bei dieser Stadt unter diesem Baum in einem gegrabenen Loch, ohne zu wissen, ob man woanders, wo auch immer das sein wird, die selben Chancen bekommt zu lieben und zu leben. Dieser Moment des Abschieds fühlt sich an, als würde deine Hülle, mit so was wie Sehnsucht vollgesogen, wie ein Ballon zu zerplatzen drohen.
Ein Blick in die nahe Zukunft: Wie wirst du Weihnachten verbringen?
Dieses Jahr gibt es endlich mal ein echtes Merry Christmas wie beim kleinen Lord. Meine Mutter und ich fahren über die Feiertage nach Liverpool zu meiner Schwester. Vor kurzem bin ich Onkel geworden und werd schon mal schauen, dass ich meine Nichte an mein Gejaule gewöhne. Ein langer, ausschweifender Aufenthalt im Lieblingspub meines Schwagers mit allen englischen Verwandten auf einem Haufen und viel Bier und Fußball wird auf jeden Fall auch klar gehen. Und wenn ich dann bis Silvester noch nicht zurück bin, weil ich rund wie ne Kugel irgendwo an der Irischen See rumkullere, schick ich ne Flaschenpost.
Und was sind die Pläne für das neue Jahr danach?
Ich werd mal schauen, dass ich auch mal in anderen Städten Konzerte bekomme. Außerdem werd ich mein Studium ordentlich ankurbeln, hin und wieder neue Songs schreiben und diese eine Serie zum tausendsten Mal von Anfang bis Ende durchschauen. Außerdem werd ich noch mehr Geld für Obst, Gemüse und Wasser ausgeben. Und ich möchte viel öfter zum Chinesen gehen.
Dafür wünsche ich dir natürlich viel Erfolg und gutes Gelingen, vielen Dank!

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