digitalism bei Lollapalooza „Je mainstreamiger etwas wird, desto einfacher ist es, herauszustechen“

digitalism reist an und ist bei Lollapalooza in Berlin dabei. Mit uns haben sich Jens und İsmail über zeitlose Songs, 1.000 Releases pro Woche und Lolla Chicago unterhalten

© Matthew Tapplinger
digitalism sind ein echter Exportschlager, was elektronische Musik angeht. Die beiden Hamburger Jungs sind bei Lollapalooza in Berlin dabei, das Original in Chicago kennen sie auch. Hier unser Interview:

Hallo Jens und İsmail, ein Track, der vielen von uns im Kopf geblieben ist, ist und bleibt wohl „Pogo“ – nicht zuletzt, weil er manchen durch Need for Speed oder Fifa bekannt ist. Ihr selbst sagtet einmal, dass Pogo euer Sinnbild dafür ist, was um euer erstes Album herum passierte. Ist das immer noch der Fall und spielt ihr den Track immer noch gerne?
Ja klar, komischerweise ist Pogo für uns immer noch nicht langweilig geworden. Wir spielen den Song eigentlich fast jedes mal in unseren Sets. Mittlerweile stellt er so etwas wie einen Doppelagenten dar — im Text geht es unter anderem um „die guten alten Zeiten“, die heute zusammen mit dem Track immer wieder auferstehen. Damals hatten wir bis kurz vor dem Album-Mastering (sechs Uhr morgens, der Flug nach England war dann um acht) an dem Song geschrieben, es war der letzte Mosaikstein für unser erstes Album. Später hat sich Pogo dann als einer der wichtigsten Songs herausgestellt. Auch wenn sich Sound-Trends und Genres über die Zeit wandeln; wir halten unsere Musik für relativ zeitlos. Man kann einem Track wie Pogo jederzeit ein neues Outfit überstreifen, aber im Kern bleibt der Song derselbe, und der ist für uns jetzt noch genauso aktuell wie damals. Vielleicht sogar eher noch mehr! Es gibt Themen, die sind generationsübergreifend.

Man hat das Gefühl, länger nichts von euch gehört zu haben – das liegt wahrscheinlich daran, dass eure letzte EP zwei Jahre her ist. Dürfen wir bald eine neue Platte erwarten?
Es wird wirklich Zeit, da geben wir euch recht. Momentan sind wir sehr viel im Studio und kaum auf Tour unterwegs. Das ist schonmal ein guter Schritt in die erwähnte Richtung.

In einem Interview meintet ihr, dass man das Rad nicht neu erfinden kann – wird es in Zeiten, in denen elektronische Musik immer massentauglicher und mainstreamiger wird, auch schwieriger, sich als DJ zu emanzipieren und einen eigenen Sound zu behalten?
Man kann es doch so sehen: Je mainstreamiger etwas wird, desto einfacher ist es, herauszustechen! Wenn alle zum Beispiel nur dunkelblaue Kleidung tragen, dann ist die Auswahl an anderer Kleidung doch riesig und man sticht schnell heraus. Das Problem ist allerdings nicht die Massentauglichkeit von elektronischer Musik, sondern fehlende Vorfilter für den Zuhörer. Bis vor Kurzem wurden die 1.000 Releases pro Woche zunächst von den Label, dann von den Plattenläden gefiltert. Heutzutage gibt es so was ja kaum noch, und jeder ist auf sich allein gestellt. Wenn man dann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht, dann greifen viele natürlich auf etwas zurück, was sie schon kennen oder was ihnen bekannt vorkommt … Auf der anderen Seite ist es eine riesige Möglichkeit für Underground-Künstler, auch ihre Musik in der Welt zu platzieren. Die hohe Schwelle des Erst-müssen-wir-dich-unter-Vertragnehmen,- und-dann-schießen-wir-die-200.000-Euro- vor-die-die-Herstellung-der-CDs-usw-kostet ist ja hinfällig. Jeder kann sich jetzt selbst vertreiben, quasi umsonst, von zu Hause aus. Gehört zu werden ist heutzutage demokratisiert worden. Man braucht kein Geld mehr dafür — aber harte Arbeit ist es natürlich immer noch.

Ach, und gibt’s mittlerweile mehr Frauen auf den Dancefloors – diese sowie die Sexiness wurden von euch ja schon vermisst?
Normalerweise ist das bei unseren Shows kein Problem.

Sommer heißt auch Festivalzeit – ihr seid dieses Jahr auch auf dem Lollapalooza (vom 12. bis 13. September) – was dürfen wir erwarten und was erwartet ihr?
Wir freuen uns auf jeden Fall auf den Gig — dieses Jahr haben wir noch gar nicht in Europe live gespielt. Es hat sich auch viel getan seit unseren letzten Live- Gigs hier. Wir haben noch mehr Musik und wer uns kennt, weiß auch, dass wir unsere Liveshows stetig weiterentwickeln. Es ist eine Ehre beim Berliner Lollapalooza dabei zu sein — das letzte Lolla hatten wir in Chicago, wo das Festival beheimatet ist, 2010 gespielt, und das war derbe. Wird quasi mal wieder Zeit.

Zu welchem der Acts würdet ihr denn gerne selbst mal vorbeischneien? Und wieso?
Das entscheiden wir immer spontan …