Kniefall-Pop | Kammer-Melancholie | Klangkunst mit Flügeln | Freiheit aus der Maschine 4 x neue Musik aus Berlin: Chvrches, Kati von Schwerin, Kalipo, Gudrun Gut

Wie jeden Monat haben wir auch diesmal wieder Release-Listen und Blogs durchforstet, um die spannendsten neuen Platten aus und zu Berlin zusammenstellen. Dies sind unsere Highlights im Dezember…

Wie jeden Monat haben wir auch diesmal wieder Release-Listen und Blogs durchforstet, um die spannendsten neuen Platten aus und zu Berlin zusammenstellen. Dies sind unsere Highlights im Dezember…

Chvrches – Hansa Session

© Danny Clynch
Nach der Veröffentlichung ihres dritten Studio-Meisterwerks „Love Is Dead“ und der dieser Tage umjubelten Tour zum Album lassen die Damen und Herren von Chvrches pünktlich zur Vorweihnachtszeit noch ein weiteres Jahres-Highlight von der Leine. Die Rede ist von der fünf Tracks umfassenden „Hansa Session“-EP. Der komplett akustisch inszenierte Kniefall vor den Toren des berühmten Berliner Musikstudios ist nicht nur eine Adelung der legendären Kreuzberger Räumlichkeiten und ihrer Helden (David Bowie, Nick Cave, Depeche Mode, U2, Iggy Pop), sondern auch ein beeindruckender Beleg dafür, dass die Band auch im intimen Akustik-Modus zu musikalisch Großem in der Lage ist. Auf geweihter Erde hinterlassen Chvrches melancholische Spuren, die sich in puncto Form und Größe von den bereits vorhandenen kaum unterscheiden. Kriegt auch nicht jeder hin. Thumbs up!

Kati von Schwerin – Inspired By The Riot

© KVS
Die hiesige Singer-Songwriter-Branche dreht sich nur noch im Kreis? Von wegen! Zwei Jahre nach ihrem bereits famosen Debütalbum „Remedy“ legt Kati von Schwerin noch eine Schippe drauf. Mittlerweile fest im Business-Sattel sitzend zieht die Berliner Songwriterin mit der markanten Stimmfarbe auf ihrem betörenden Zweitwerk „Inspired By The Riot“ alle Branchen-Register. Die großen, zwischen Gipfel und Tal pulsierenden Emotionen sind die Hauptdarsteller in einem detailverliebt arrangierten Kammerpop-Blockbuster, der wunderbar ohne Tamtam und aufgesetzten Glanz auskommt. Im schwerinschen Universum passt große Kunst in die kleinste Schatulle. In diesem Sinne: Herz und Ohren auf Empfang und viel Spaß beim Auspacken. Es lohnt sich. 

Kalipo – Space Boy

© Bastian Bochinski
Wenn Frittenbude-Tastenguru Jakob Hägelsperger für sein Nebenprojekt Kalipo an den Reglern dreht, geht für tanzfreudige Downbeat- und Rave-Fanatiker die Sonne auf. Beim Lauschen seiner neuesten Klänge kommen aber nicht nur Kindergarten-Astronauten und Schwebetänzer auf ihre Kosten. Auch Freunde der Alltagsgeräuschekunst spazieren mit einem breiten Grinsen im Gesicht durch die eigenen vier Wände wenn der Kalipo-Verantwortliche ein Mikro vor seine laufende Waschmaschine positioniert oder im Hinterhof Gläser kaputt haut. Der Wahlberliner Hägelsperger bringt den Club in die Küche – und umgekehrt. Das verleitet zum Träumen, Tanzen und natürlich auch zum Fliegen. Herrlich unkomplizierte Bewegungsmusik: Kalipo weiß, wie’s geht. 

Gudrun Gut – Moment

© Ériver Hijano
Gudrun Gut sitzt in ihrem Auto und freut sich einfach nur. „Baby I Can Drive My Car“, schallt es über die Straßen. Am liebsten würde Gudrun gar nicht mehr aussteigen und bis ins ferne Riad fahren. In der Hauptstadt von Saudi Arabien dürfen Frauen nämlich endlich auch Auto fahren. Und das findet Gudrun klasse. Wir natürlich auch, genauso wie den Soundtrack, der diese emanzipatorische Reise begleitet. Mit atmosphärischem Synthie-Pop, der gepaart mit kurzweiligen NDW-Einschüben und technoeskem Background über und unter den Dächern Berlins pulsiert, festigt das einstige Gründungsmitglied der Einstürzenden Neubauten ihren Status als wegweisendes Aushängeschild der Berliner Electro-Avantgarde. Von Schöneberg bis Riad tanzen die Massen. So soll es sein. Was für ein großer „Moment“. Wir steigen mit ein, schnallen uns an und machen die Nacht zum Tag.