Ein Gespräch über Berlin im Hier und Jetzt „Am Alex sieht’s aus wie in Bochum“ – The Aim Of Design Is To Define Space im Interview

Kunterbunte Sightseeing-Busse am Ostbahnhof, gläserne Skyscraper am Potsdamer Platz und das hundertste Hipster-Café in Mitte: Im Zeitalter der Gentrifizierung präsentiert sich Berlin wie ein an den Höchstbietenden verkauftes Stück Fleisch ohne Mindesthaltbarkeitsdatum. Gut, dass es Bands und Künstler gibt, denen diese Entwicklung nicht am Allerwertesten vorbeigeht – Bands wie The Aim Of Design Is To Define Space

© The Aim Of Design Is To Define Space
Kunterbunte Sightseeing-Busse am Ostbahnhof, gläserne Skyscraper am Potsdamer Platz und das hundertste Hipster-Café in Mitte: Im Zeitalter der Gentrifizierung präsentiert sich Berlin wie ein an den Höchstbietenden verkauftes Stück Fleisch ohne Mindesthaltbarkeitsdatum. Gut, dass es Bands und Künstler gibt, denen diese Entwicklung nicht am Allerwertesten vorbeigeht. The Aim Of Design Is To Define Space ist eine dieser Bands, die sich nach zehnjähriger Funkstille wieder auf die Hauptstadt-Straßen stellt und dabei den mahnenden Zeigefinger erhebt. Kurz nach der Veröffentlichung ihrer Comeback-EP „Clean Bible Dirty Christ“ trafen wir uns mit Gitarrist Stephan „Schulzky“ Szulzewsky zum Interview und sprachen über Berlin im Hier und Jetzt.

Stephan, mit eurer neuen EP „Clean Bible Dirty Christ“ gebt ihr laut Pressetext „eine Wasserstandsmeldung zum emotionalen Status der Stadt Berlin“ ab. Sieht gerade nicht so gut aus, oder?

Es sah schon mal besser aus, in der Tat. 

Berlin hat schon immer polarisiert. Mittlerweile hat man aber das Gefühl, dass das Gefühl zwischen Liebe und Hass komplett verschwunden ist. Auf welcher Seite stehst du?

Nun, seine Heimatstadt sucht man sich ja nicht aus. Und die Liebe bekanntermaßen auch nicht. Also ich verteidige die Stadt schon mit Händen und Füßen. Aber es ist ein zäher Kampf. 

Du wohnst in Berlin-Mitte. Dort hat die Gentrifizierung mit die größten Spuren hinterlassen. Wie nimmst du die Umgebung, in der du lebst, dieser Tage wahr?

Naja, das ist ja eine fortlaufende Entwicklung. Das dauert ja alles schon ziemlich lange an. Und ein Ende ist nicht wirklich abzusehen. Ich kann mich noch erinnern, als zum ersten Mal vor unserm Haus japanische Touristen unterwegs waren. Da war ich schon ziemlich erschrocken. (lacht)

Japanische Touristen?

Ja, das ist ja aber noch völlig in Ordnung. Schlimm wird’s aber, wenn ich einfach nur irgendwo ein Kaffee trinken will. Dann geh ich lieber in die Choriner Straße in einen Punkerladen, als in einen der vielen hippen Schuppen bei mir um die Ecke, wo der Espresso vier Euro kostet. Das ist echt lächerlich und traurig. Ich meine, Gentrifiezierung und Verdrängung ist ja nicht nur in Berlin ein großes Thema. Mein Bruder beispielsweise wohnt in Seattle. Da sieht es nicht anders aus. Oder schau dir Venice Beach an, da wohnen schon lange keine Hippies mehr. Da leben jetzt nur noch Google-Mitarbeiter.

Wo gehst du denn in Berlin nur noch ungern spazieren?

Ich weiß nicht. Da gibt’s schon so einige Ecken. Friedrichstraße ist ganz schlimm. Da wird man von „Spekulationsarchitektur“ förmlich erschlagen. Oder schau dir den Alexanderplatz an, da sieht’s aus wie in Bochum. Ich meine, nichts gegen Bochum. Aber das geht echt gar nicht.

Was macht dir hinsichtlich einer rückläufigen Entwicklung Hoffnung?

Nix. (lacht) Nein, im Ernst, die Karawane wird irgendwann einfach weiterziehen. Schau dir New York an. Da ist schon alles tot. Völlig kalte Stadt. Leere Appartements und Investitionsruinen: Mehr ist da nicht mehr. Und Berlin? Keine Ahnung. Nee, eigentlich habe ich keine Hoffnung.

Du bist ja auch viel im Ausland unterwegs. Gibt’s keine Stadt, die es richtig macht?

Also mir ist keine bekannt. Seit der globalen Finanzkrise sind die ganzen interessanten Städte auf der Welt zu Spielbällen von Investoren verkommen. Vielleicht sollte man überall die Zinsen erhöhen. Aber das ist ein sehr, sehr komplexes Thema… (lacht)

Apropos komplexes Thema: Ihr wart als Bandgefüge zehn lange Jahre im Pause-Modus. Jetzt gibt es endlich wieder drei neue Songs, und ein spannendes Kreuzberg-Konzert steht auch vor der Tür. Gibt’s darüber hinaus schon weitere Zukunftspläne?

Nein, eigentlich nicht. Ideen gibt es immer, keine Frage. Aber ob danach noch mehr passiert? Das kann ich dir im Hier und Jetzt nicht beantworten. Müssen wir abwarten.

The Aim Of Design Is To Define Space spielen am heutigen Freitag im SO 36.