MIA. Konzert am 5.11.2015 in Huxley's Neue Welt Mieze von MIA. im Interview: „Nicht meckern, sondern machen!“

MIA. sind auf Tour und am 5.11. 2015 in Berlin in Huxley’s Neue Welt. Mit urbanite sprach Frontfrau Mieze über Konzertfeeling und persönliches Engagement

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Mit der Veröffentlichung des Titeltrack-Remix ihres aktuellen Albums „Biste Mode“ setzen MIA. kurz vor der laufenden Club-Tournee ein musikalisches Zeichen gegen Engstirnigkeit, Fremdenhass und Intoleranz. „Zu mir kannste immer wieder kommen“ heißt die unmissverständliche Botschaft der Berliner. Aktueller geht es wohl kaum. Im Interview verrät uns Sängerin und Band-Aushängeschild Mieze, wie sie über die aktuelle Flüchtlingssituation denkt, wo ihrer Meinung nach der Hebel in Richtung Hoffnung anzusetzen ist und was Fans der Band auf der kommenden Club-Tour erwarten dürfen. Interview: Kai Butterweck

Urbanite: Mieze, euer aktuelles Album „Biste Mode“ steht jetzt seit knapp vier Monaten in den Läden. Bist du immer noch rundum glücklich mit dem Gesamtpaket? Oder gibt es Stellen, an denen du im Nachhinein gerne noch ein bisschen rumgedoktert hättest? 
Im Großen und Ganzen sind wir immer noch total happy mit dem Ergebnis. Wir haben für dieses Album wirklich jedes Wort und jede Note gedreht und gewendet, bis wir komplett glücklich und zufrieden waren. Eigentlich waren wir ja viel früher mit dem Album fertig. Aber dann haben wir noch einmal ein halbes Jahr rangehangen, weil wir das Gefühl hatten, da geht noch mehr. Und die Stellen, die im Laufe der Zeit vielleicht einen kleinen Neuanstrich benötigen, die ändern wir dann einfach live. 

Beispiel? 

Kein Problem. Normalerweise singe ich im Refrain von „Hungriges Herz“ die Zeile: „Wie weit wirst du gehen?“ Momentan singe ich aber lieber: „Wie weit würdest du gehen?“ Das hat mehr was von einer Mutprobe. Und so machen wir das mit anderen Songs auch. Das ist auch das, was ich an dieser Band so liebe. Wir quatschen nicht. Wir machen einfach. Wenn uns was einfällt, das Altem eine neue Richtung verpasst, dann ändern wir das. Da sind wir ganz spontan und offen. Der Refrain von „Biste Mode“ war eigentlich auch nicht mit Berliner Akzent geplant. Das kam einfach so aus mir raus. Da haben die Leute vom Label erstmal geschluckt (lacht). Darf man heutzutage überhaupt noch berlinern? Und wie man das darf. Man muss sich einfach nur trauen und die Dinge laufen lassen. 

Bist du jemand, der auch im Privaten ab und an gerne berlinert? 

Absolut! Je lockerer ich werde, desto mehr verabschiedet sich das Hochdeutsche in meiner Sprache (lacht). Das ist auf Konzerten auch immer gut zu beobachten. Anfangs geht das noch ganz gesittet zu. Wenn die Aufregung dann aber der puren Freude weicht, kann ich meine Berliner Zunge kaum noch im Zaum halten. Augen und Ohrenzeugen werden das bestätigen können (lacht). 

Bist du eine Berlinerin mit Leib und Seele? Oder brauchst du manchmal auch ein bisschen Abstand von der Stadt? 

Ich brauche keinen Abstand von Berlin. Ich bin eine Berliner Pflanze durch und durch. Hier fühle ich mich wohl. Hier bin ich zuhause.

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Den Titeltrack habt ihr nun auch in einer RemixVersion veröffentlicht. Dabei geht es euch aber weniger um den musikalischen Output, sondern vielmehr um die Botschaft, die der Text des Songs vermitteln soll. Es geht in dem Song um offene Arme, Zugehörigkeitsgefühl und darum, Menschen schlichtweg bei sich aufzunehmen. Und sei es nur im Herzen. Stichwort: Flüchtlingssituation. Was geht dir dieser Tage durch den Kopf, wenn du in den Zeitungen blätterst oder im Fernsehen Nachrichten schaust? 

Wie jeder andere normaldenkende Mensch bin ich entsetzt und geschockt über das, was sich hier bei uns in Deutschland gerade abspielt. Es gibt eigentlich keine Worte dafür. Ich schäme mich für die Gewalt, den Stumpfsinn und all die Dummheit, die mit den Ereignissen gerade einhergehen. Ich sehe aber auch ein Licht am Ende des Tunnels. 

Wer steht da am Schalter? 

All die Menschen, die sich dagegen wehren. Ob es nun Prominente sind, die ihren Status dazu nutzen, um Klartext zu reden, oder all die unzähligen anderen Leute, die sich mit Pappaufstellern an die Gleise stellen, Flüchtlinge willkommen heißen, oder zu Sammelstellen pilgern und Kleidung und Hilfsgüter spenden. Diese Menschen machen mir Hoffnung, dass das Bild vom hässlichen Deutschen, der gegen alles und jeden ist, nicht noch mehr Schaden in der Welt anrichtet. 

Manch einer fragt sich dieser Tage: Müssen denn immer erst Häuser brennen, ehe die Menschen geschlossen auf die Straßen gehen? Fragst du dich das auch manchmal? 


Das schiebe ich gerade eher so ein bisschen weg. Ich bin einfach nur dankbar, dass überhaupt dagegen gehalten wird. Ich kann mich jetzt nicht hinstellen und sagen: Warum plant der Til Schweiger erst jetzt ein Flüchtlingsprojekt? Ich bin froh, dass er es überhaupt macht. Das ist eine tolle Sache. Und ich finde auch jede andere Aktion, die es den Flüchtlingen ermöglicht, wenigstens über einen kurzen Zeitraum mal ein bisschen zur Ruhe zu kommen, wertvoll und wichtig. Ich verstehe die Leute nicht, die sich darüber beschweren, dass einige Dinge erst jetzt ins Rollen kommen. Wir sollten froh und glücklich sein, dass diese Menschen mit anpacken. Alles andere ist vergeudete Energie. Nicht meckern, sondern machen! 

Was macht ihr? 

Auch wir sind in einige Projekte involviert. Aktuell unterstützen wir beispielsweise das Berliner Willkommensnetzwerk „Pankow Hilft“. Die Leute, die dort arbeiten, kennen wir teilweise schon seit 16 Jahren, sodass wir auch genau wissen, wo die Geld und Sachspenden letztlich landen. 

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Seitens der Politik ist momentan viel von Überforderung die Rede. Man spricht dort auch immer wieder von einem gesellschaftlichen Problem. Wie siehst du das?  

Wer trägt deiner Meinung nach die Hauptschuld an der traurigen Gesamtsituation? Die Kriegstreiber. Gäbe es keine Kriege auf der Welt, würde es auch keine Flüchtlinge geben. So einfach ist das. Die Welt steht einfach am Abgrund. Das ist leider so. Es geht um Territorialkämpfe, und um Glaubensfragen. In erster Linie geht es aber um den Mammon. Heutzutage werden überall in der Welt die Grenzen aufgemacht. Aber nicht für Menschen, sondern nur für Geld. Und das ist das, was mich am heftigsten den Kopf schütteln lässt. 

Auf eurer demnächst startenden Club-Tour wirst du wieder einmal die Gelegenheit haben, tausenden Menschen etwas mit auf den Weg zu geben. Mit welchen Gedanken und Gefühlen sollen die Menschen nach einem MIA.-Konzert wieder nach Hause gehen? 

In erster Linie sollen sie sich wohl fühlen. Sie sollen glücklich und zufrieden sein. Und sie sollen das Gefühl haben, Teil eines Ganzen gewesen zu sein. All der Druck, dem man heutzutage im Alltag ausgesetzt wird, der wird für die Dauer eines MIA.-Konzerts draußen vor der Tür gelassen. Niemand soll etwas tun. Keiner soll sich zu irgendetwas verpflichtet fühlen. Es geht nur um den schwerelosen Moment des Genießens. Solche Augenblicke sind in der heutigen Zeit so kostbar geworden.

INFOS:

MIA.: Biste Mode-Tour, 5.11., 20 Uhr, Huxley‘s Neue Welt, www.miarockt.de