Craft Beer, MacBooks, Rauschebärte, Urban-Gardening-Projekte und Dildo-Start-Ups Interview mit Ralph Stieber über „111 Gründe, Hipster zu hassen“

Frisch erschienen: „111 Gründe, Hipster zu Hassen“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf). Wir haben dem Autor Ralph Stieber, der auch als Werbetexter und Journalist arbeitet, ein paar Fragen gestellt.

© Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag
Frisch erschienen: „111 Gründe, Hipster zu Hassen“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf). Wir haben dem Autor Ralph Stieber, der auch als Werbetexter und Journalist arbeitet, ein paar Fragen gestellt.

Was hat dich zum Thema getrieben? Ist das Fass eines schönen Tages in Neukölln übergelaufen? 

Immer wieder wird vom Tod der Hipster geredet, aber Du brauchst nur mal einen Fuß auf die Straßen in Neukölln, Kreuzberg oder Friedrichshain zu setzen – es dauert keine drei Sekunden und dir läuft ein Hipster über den Weg. Also sollte ich sagen, das Thema kam zu mir, lief mir über den Weg – jeden einzelnen Tag.

Ja, vielleicht ist das Fass eines Tages in Neukölln übergelaufen – aber dann transformiert sich der Hipster eben wieder in etwas anderes. Wir leben in einer Zeit, in der sich alle Modetrends der letzten Jahrzehnte vermischen, man muss sich nicht mehr festlegen auf einen Style, einen Look, eine Szene – der Hipster mischt alles. Was anfing mit einer guten Idee, endete mit der Kopie einer Kopie einer Kopie. Aber ist es so nicht mit allen guten Dingen?

Über welchen Zeitraum hast du für das Buch recherchiert? 

Vor dem Schreiben des Buches habe ich gute drei Monate recheriert. Gelesen, Freunde beobachtet, Leute interviewt und ganz viel aus meiner Zeit als Werbetexter in der Werbebranche nutzen können. Da sind mir einige Hipster über den Weg gelaufen. Man muss sich nur die Kampagnen der letzten Jahre anschauen: Sparkassen, Versicherungen, Banken etc. alle besetzen den neuen Ultra-Spießer – den Hipster. Hauptsache Bart, Tätowierungen, ein paar Gartenzwerge, ein Jägerzaun, Hipster-Kinder, die frisch-fruchtige Spießer-Familie stolz vor ihrem Eigenheim – zum Kotzen. Aber so sieht’s aus.

Und wo?

Es gibt all die netten, gemütlichen, stylishen Eckkneipen, die früher mal charmante, abgefuckte Kaschemmen waren. Auf den Barhockern klebten gealterte Typen, die ihre Geschichten von früher erzählten, hinter der Bar stand eine alte, immer schlecht gelaunte Schabracke mit der Stimme eines Tom Waits.

Heute ist es eine Hipster-Bar, in der Du bei einem lauwarmen, kleinen Craft Beer für 4,90 Euro auf eine Front von aufgeklappten MacBooks und Rauschebärten starren kannst und großen Urban Gardening-Projekten, Konzepten für Dildo-Start-Ups und ruhmreiche Twitter-Geschichten lauschen kannst. Genau da hab ich recherchiert, gelauscht und beschissenes Bier getrunken. 

Gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Hipstern verschiedener Stadtteile? 

Was gestern noch ein Unterschied war, ist heute Standard. Heute passiert alles total schnell. Trends werden sofort übernommen. Früher hat das Monate oder Jahre gedauert. Heute: Ein Post und Sekunden später überschwemmt uns der neue Trend auch hier. Ob Essgewohnheiten, Wohnungseinrichtungen, Klamotten-Style oder Musikgeschmack – ihr Individualismus ist ein Fake. Der Hipster ist so kommerziell wie ein Werbespot. Der Hipster, der von seiner unhörbaren, isländischen Lieblings-Harcore-Band in der Kneipe bei einem Craft Beer fabuliert, geht nach Hause und tanzt auf seinem Vintage-Wohnzimmertisch zu Justin Bieber.

Du hast bereits „111 Gründe, seinen Chef zu hassen“ geschrieben. Was macht den Hass zu einer so reizvollen Linse?

Der Hass ist ein extremes Gefühl. Es birgt viel Drama und Drama erzählt bekanntlich die besten Geschichten. In unserem Leben wollen wir möglichst wenig Hass und Drama – aber in Geschichten? Da muss es knallen. Aber Hass ohne Humor ist Terror. Oder Krieg. Darum geht es nicht ohne Humor. Darum ist mein Hass-Buch über den Hipster in Wahrheit eine Liebesgeschichte. Oder sagen wir besser, eine Satire.

Infos: Ralph Stieber: 111 Gründe, Hipster zu hassen. Mein Leben zwischen Vintage-Möbeln, isländischem Hardcore und Bartpflege. Mit Illustrationen von Jana Moskito. 256 Seiten, 9,99 €, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2017