Reflektierter Deutschrap | Folkige Nahtoderfahrung | Tanzender Alternative | Sample-freudiger Nu-Jazz 4 x neue Musik aus Berlin: Danger Dan, Johanna Amelie, Berlin Syndrome, Jazzanova

Wie jeden Monat haben wir auch diesmal wieder Label-Listen und Blogs durchforstet, um die spannendsten neuen Releases aus und zu Berlin zuammenzustellen. Dies sind unsere Highlights im Juni…

Wie jeden Monat haben wir auch diesmal wieder Label-Listen und Blogs durchforstet, um die spannendsten neuen Releases aus und zu Berlin zuammenzustellen. Dies sind unsere Highlights im Juni…

© Jaro Suffner
Danger Dan – Reflexionen aus dem beschönigten Leben

 

Antilopen-Gang-Rapper Danger Dan legt sein erstes Solo-Album vor: eine kluge Deutschrap-Platte, auf der er den Dirk-von-Lowtzow-Move macht. Nach einem Besuch beim Psychotherapeuten klappert der Wahlberliner seine Lebensstationen auf Albumlänge ab. Die so entstandenen „Reflexionen aus dem beschönigten Leben“ reichen von der Auto-Tune-meets-Piano- Rachefantasie gegenüber dem inneren Schweinehund („Eine aufs Maul“) bis zur Boom-Bap-Rap- und Rockgitarre-Jugendbeichte („Die Grundvoraussetzung). Auf „Sand im Auge“ denkt er über die Zukunft seine Tochter in einer sexistischen Gesellschaft nach, während bei „Drei gegen einen“ die kompletten Antilopen zur frauenfeindlichen und antisemitischen Rap-Szene Haltung beziehen. Pointierte Analysen: über Danger Dan selbst und den gesellschaftlichen Status Quo.

 

 

© Zero Hours Records
Johanna Amelie – Distance

 

Bei ihrem ersten Auftritt spielte Johanna Amelie noch Regina Spektor-Songs auf dem Klavier. Heute präsentiert die Sängerin ihre eigenen Lieder des Debüts „Distance“. Zwischen Singer-Songwriter, Dream-Pop und New-Folk sind der Frühzwanzigerin, die dieses Jahr den Songslam im Heimathafen Neukölln gewonnen hat, mit ihrem Vater an der Bratsche sowie diversen Freunden als Gastsänger feinfühlige, reich arrangierten Songs gelungen. Tribal-Drums treffen dabei auf flirrende Synths und werden im nächsten Moment von der Akustikgitarre abgelöst, während der mehrstimmige Gesang über allem schwebt. Besonderes Highlight: „Into Blue“ – ein intimer Song über eine Nahtoderfahrung.

 

 

 

 

 

© Matthias Sasse
Berlin Syndrome – Sweet Harm

 

Ganze vier Jahre hat die Alternative-Band Berlin Syndrome aus Magdeburg und – natürlich – Berlin gebraucht, um ihr Debütalbum aufzunehmen. Die Bärte sind inzwischen länger geworden, die Tracks des ersten Albums liegen dafür nun endlich vor und ja, die Wartezeit hat sich gelohnt. Denn während andere ziellos auf der Gitarre schrubben, stellt das Quintett dabei auch noch die richtigen Fragen. Darüber, was mit einer Gesellschaft passiert, die immer weiter verschwendet, ohne sich zu fragen, was danach kommt zum Beispiel. Oder welche Phasen man eigentlich im Zusammenleben mit anderen Menschen durchläuft. Songs wie „Hips“ sind von tanzendenden Gitarrenläufen und starken Drums durchzogen, changieren immer wieder im Tempo und werden von Sänger Graeme Salts sonorer Stimme abgerundet, dessen Liebe zu The National man wohl kaum leugnen kann.

 

 

 

 

 

 

 

© Jazzanova
Jazzanova – The Pool

 

Was macht man, wenn man bereits jede musikalische Verzweigung gestreift hat? Im Falle des Musikerkollektivs Jazzanova lautet die Antwort: Selbst zusammenfassen und das ganze „bisher reifstes Album“ nennen. Nun ja. Von derartigen Selbstbeschreibungen mal abgesehen, ist dem Ensemble, das sich 1995 als DJ-Gruppe gegründet hat, mit „The Pool“ ein vielseitiges Nu-Jazz-Album gelungen, auf dem alle Erfahrungen aus 23 Jahren in den Topf geschmissen und der Gebrauch von Samplings auf die Spitze getrieben wird. Verwurstet wurden jede Menge abgehackte Beats, ausgeschmückt mit live eingespielten Instrumentierungen. Am Ende ist „Pool“ ein zeitloses Werk mit Einflüssen aus Electronica, HipHop und Soul geworden – prominente Features von SängerinRachel Sermanni („Rain Makes The River“) oder Singer-Songwriter David Lemaitre („Slow Rise“) inklusive.