Wie man Geflüchteten helfen kann Interview mit Start with a friend

Start with a friend vermittelt Freundschaften zwischen Einheimischen und Geflüchteten. Wie funktioniert das? Interview mit Sarah von der Initiative.

© L.Kilian
Sarah hat mit Freunden und Bekannten die Flüchtlingsinitiative Start with a friend gegründet, die Freundschaften zwischen Einheimischen und Geflüchteten initiiert und begleitet. Wir trafen Sarah zum Interview. 

Wie ist das Projekt entstanden?

Wir haben in unserer täglichen Arbeit im Bereich Asylrecht und Beratung gemerkt, dass zwischen engagierten Unterstützern und geflohenen Menschen eine Lücke besteht. Es ist schwer in Kontakt zu kommen, obwohl der Wunsch auf beiden Seiten besteht. Auf diese Weise geht viel Potenzial verloren. Hilfe, die dringend benötigt wird, bleibt ungenutzt. Diese Lücke möchten wir schließen. Zudem sind wir der festen Überzeugung, dass Hilfe keine Einbahnstraße ist. Geflohene Menschen stehen bereits mitten im Leben. Sprache und Bürokratie sind zwar Hürden – sie sind aber gemeinsam zu meistern. Wir möchten Beziehungen auf Augenhöhe fördern, bei denen man sich gegenseitig austauscht und voneinander lernt. Also kein klassisches Hilfsprojekt. Damit sich auch Menschen ohne spezielle Asylkenntnisse informiert engagieren können, haben wir einen Leitfaden entwickelt. Der klärt über die wichtigsten bürokratischen Hintergründe auf und gibt praktische Tipps.

Wie genau läuft das ab, vom ersten Schritt, ein Tandem eingehen zu wollen bis zur Tandemsgründung und welche Voraussetzungen sollte man mitbringen?

Wer Unterstützer werden möchte, sollte sich auf unserer Webseite www.start-with-a-friend.de anmelden. Wir laden ihn dann zu einem Unterstützertreffen ein, informieren dort über unser Projekt und stehen für Rückfragen zur Verfügung. Anschließend überlegen wir uns, welcher der geflohenen Menschen, die wir ebenfalls persönlich treffen, gut zum Unterstützer passt. Hierbei achten wir auf zeitliche Kapazitäten, Interessen und Wohnort. Wir schreiben beiden eine Mail mit Informationen zum Tandempartner und schlagen ihnen vor, sich gemeinsam zu treffen. Danach bitten wir beide uns weiter über ihren gemeinsamen Weg zu informieren. Bei Fragen können sie sich jederzeit bei uns melden. Viele der wiederkehrenden Fragen werden aber auch in unserem Informationsmaterial beantwortet, das auf unserer Website bereitsteht. Dort gibt es unteranderem Informationen zum Asylverfahren, Tipps zur Wohnungssuche oder zuständigen Behörden in Berlin. Außerdem können sich Geflohene und aktive Unterstützer in unserer Facebook-Gruppe austauschen. Zum Beispiel wenn jemand gesucht wird, um bei einem Behördengang einzuspringen. Voraussetzung für unsere Unterstützer sind Offenheit und Kreativität in alltäglichen Lebensfragen. Für viele Probleme, die einem Flüchtling in Deutschland begegnen, gibt es kein Patentrezept. Schön ist es, wenn jeder seine eigenen Ideen mitbringt und das eigene Umfeld gleich mitaktiviert.

Was machen die Tandems konkret miteinander?

Das ist ganz unterschiedlich. Jeder Mensch hat natürlich verschiedene Bedürfnisse. Bei Familien stehen oftmals die Kinder im Fokus. Andere möchten gerne eine Perspektive zum Arbeiten entwickeln. Für fast alle ist die Suche nach einer Wohnung problematisch. Die Tandems können dann gemeinsam Wohnungen besichtigen, Bewerbungen schreiben. Wichtig ist aber vielen einfach der Kontakt. Gemeinsam einen Kaffee zu trinken, sich austauschen.

© Oleksandr Parkhomovskyy, www.rekord.cc
Wie sind die Erfahrungen mit den bisherigen Tandems?

Bisher haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Erste Geflohene haben über die Netzwerke ihrer Unterstützer Wohnungen gefunden und diese eingerichtet, erste Kinder haben Kindergartenplätze erhalten. Es sind bereits richtige Freundschaften entstanden, bei denen sich die Tandems mehrfach die Woche treffen. Viele fühlen sich durch unser Projekt wirklich willkommen in Deutschland. Kontakte geben Sicherheit und Stabilität. Das macht uns sehr glücklich.

Was passiert, wenn es es schiefgeht, wenn das Tandem nicht miteinander kann?

Herausforderungen haben die Tandems bisher gut gemeistert. Wir hatten bisher glücklicherweise noch keine Probleme. Wenn es für einen Unterstützer zeitlich zu viel wurde, haben wir noch einen weiteren Tandempartner bereitgestellt. So konnten Aufgaben verteilt werden und ein weiterer Kontaktpunkt entstehen. Sollte es mal nicht so passen, ist das aber auch kein Problem. Dann bilden wir einfach ein neues Team.

Wie viele Tandems gibt es schon, wie hoch ist das Interesse, auf beiden Seiten?

Das Interesse ist enorm. Bisher haben wir 80 Tandems zusammengebracht. Seitdem wir etwas bekannter und bei Facebook aktiv sind, melden sich rund 40-50 Interessierte täglich. Wir mussten leider die Anmeldemöglichkeiten erst einmal schließen. Wir betreiben das Projekt rein ehrenamtlich und können mit unseren derzeitigen Kapazitäten nicht so viele Menschen persönlich treffen, wie wir uns das wünschen würden. Wir arbeiten aber derzeit intensiv daran, unsere Möglichkeiten auszubauen.

Ein Tandem soll ja vermutlich nicht nur um eine Hilfe-Hilfsempfänger-Konstellation darstellen. Berichten die Helfenden, welche Vorteile sie selbst durch die Freundschaft erfahren?

Viele machen die Erfahrung, sich viel näher zu sein, als sie vielleicht anfangs gedacht haben. Zugleich eröffnen sich durch den anderen kulturellen Hintergrund auch neue Perspektiven. Einerseits schöne, aber auch sehr traurige. Viele der geflohenen Menschen haben in den letzten Jahren Tragisches erlebt. Erfahrungen, die von unserer Lebensrealität weit entfernt sind. Vielen Unterstützern wird noch einmal bewusst, wie privilegiert wir hier leben und wie glücklich wir uns schätzen dürfen. Durch Gespräche rückt die Helfer-Position aber immer weiter in den Hintergrund. Es ist dann eben nicht mehr ein Flüchtling. Sondern ein Mensch, den man in allen seinen Facetten kennenlernt.

Info: www.start-with-a-friend.de