Günstiger und schöner als das Klischee behauptet Besuch bei den Laubenpiepern

Kleingrundbesitzer: Die eigene Parzelle in der Schrebergartenkolonie macht Spaß und bietet Entspannung pur

© Matthias Kirsch
Spätestens seit Wladimir Kaminers Buch „Mein Leben im Schrebergarten“ ist klar, dass die eigene Parzelle in der Schrebergartenkolonie kein Relikt von Gestern ist. Warum auch? Unschlagbare 600 Euro im Jahr bringen immer mehr Jüngere in den „Zweitsitz“ im Grünen.

Von wegen Gartenzwerge. Es gibt ganze Kleingartenanlagen in Berlin, in denen man kaum noch oder gar keine der Dinger mehr zu Gesicht bekommt. Die Kleingartenanlagen verändern sich. Immer mehr junge Familien oder Paare, Freundeskreise zieht es in die Kleingärten. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Im günstigsten Fall liegt der Kleingarten ganz in der Nähe der Wohnung, Gemüse und Obst kommen von April bis Oktober frisch und direkt aus der Erde oder vom Baum auf den Tisch, und man ist den ganzen Tag an der frischen Luft. Und die Kinder wachsen im Grünen auf und lernen von der Natur. „Es ist hier wie auf dem Dorf“, erzählt Nadine von der Kolonie Heideschlösschen in Nord-Charlottenburg, „die Kinder haben viel Auslauf und wir Eltern müssen uns keine Sorgen machen“. Und die jüngeren unter den Laubenpiepern bringen erstaunlicherweise typische Piepertätigkeiten mit, die in den letzten Jahren schon fast ausgestorben waren.

Zum ersten Mal einen Garten bewirtschaften

In den 50er-, 60er-Jahren hätten die Pieper noch massenhaft Obst eingeweckt und sich damit im Winter versorgt, erzählt eine der Pieperin. „Dann wurden die Nahrungsmittel billiger, das hat doch kaum noch einer gemacht. Die jungen Leute, das sind jetzt eher so Ökos, die fangen damit wieder an.“ Urban Gardening scheint es als Trend also schon einmal gegeben zu haben – vor ungefähr 60 Jahren.

Der Landesverband Berlin der Gartenfreunde e.V. vertritt mittlerweile rund 70.000 Kleingärtner in Berlin, Tendenz steigend. Die Wartelisten sind in manchen Anlagen so lang geworden, dass man schonmal drei Jahre lang auf seine Parzelle warten muß, in anderen geht es deutlich schneller. So oder so, das Warten lohnt sich. Nicht nur wegen der üppigen Ernte, sondern weil die Gemeinschaft in einer Anlage auch soziale Bindungen pflegt und stärkt.

Die Erfahrungen und Meinungen der älteren Gartenfreunde nehmen die Jüngeren gern in Anspruch, wenn sie sich gerade zum ersten Mal in der Situation befinden, ihren eigenen Garten zu bewirtschaften. Eine der vorbildlichen Gartenanlagen in Sachen Integration ist zum Beispiel die Alte Baumschule in Pankow – hier treffen sich nicht nur Jung und Alt, sondern auch Homo und Hetero, Single und Familie, Professor und Arbeitsloser, Türke und Russe, und Ost und West sowieso. Und man hilft sich gegenseitig.

Spießigkeit und penibles Nachmessen von Hecken und Sträuchern: alles nur Klischees

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Nicht vergessen sollte man einen weiteren, für alle vorteilhaften Aspekt: innerstädtische Kleingärten sind wichtiges Schutzreservoir für eine artenreiche Fauna und Flora und unterstützen das allgemeine Stadtklima.
Die Pacht für einen Garten samt Laube ist günstig, die Preise beginnen bei etwa 600 Euro im Jahr. Allerdings sollte man unbedingt den Kleingarten vom Erholungsgarten unterscheiden. Beim letzteren muß deutlich mehr gezahlt werden und die kleingärtnerische Nutzung ist nicht nötig. Dabei macht genau das den Reiz aus. Und auch wenn viel geredet wird über Spießigkeit und penibles Nachmessen von Hecken und Sträuchern: alles nur Klischees. Ein Besuch in einer Kolonie zeigt, dass die Gärten nicht alle gleich aussehen, das Gegenteil ist richtig. Wer Interesse an einem Kleingarten hat, der sollte sich beim jeweiligen Bezirksverband melden, dort bekommt man alle nötigen Informationen, um auf die Warteliste zu kommen.

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Aus eigener Erfahrung kann der Autor nur bestätigen, dass es sich in jedem Fall lohnt. Alleine schon die Aussicht auf einen Sommer mit selbst gezogenen Tomaten räumt alle Zweifel aus dem Weg. Und die Möhren, Zwiebeln, Gurken, Äpfel, Bohnen, Salate und Rüben aus Eigenproduktion kosten einen Bruchteil dessen, was auf dem Öko-Wochenmarkt verlangt wird.

Üblicherweise läuft eine Gartensaison meist von Ende März oder Anfang April bis Ende Oktober, Anfang November. Jede Anlage steht der Öffentlichkeit als Erholungsort zur Verfügung. Sprecht ruhig beim nächsten Spaziergang einen Kleingärtner an und fragt nach einem Gartenzwerg. Die Antwort ist in jedem Fall eine Überraschung.

Autor: Matthias Kirsch