Sänger Maurice: „Ich weiß mittlerweile, dass ich ein charismatischer Frontmann bin.“ Bilderbuch über übertriebenes Selbstbewusstsein der Österreicher und Exotenbonus

Die Hoffnung der deutschsprachigen Popkultur? Wir sprachen mit dem charismatischen Bilderbuch-Sänger Maurice über das neue übertriebene Selbstbewusstsein der Österreicher und warum er sich weigert, politische Statements abzugeben. 

© Elizaveta Porodina
Die Hoffnung der deutschsprachigen Popkultur? So jedenfalls wird Bilderbuch seit dem Album „Schick Schock“ gefeiert. Nun legten sie mit „Magic Life“ nach. Bevor die Jungs am 31. März 2017 ins Haus Auensee kommen, spricht der charismatische Sänger Maurice über das neue übertriebene Selbstbewusstsein der Österreicher, Exotenbonus und warum er sich weigert, politische Statements abzugeben. 

Don’t believe the hype! Was fällt dir dazu ein?

Mit dem Satz habe ich relativ wenig Probleme. Wenn man 12 Jahre Musik macht und das vierte Album released, kriegt man eine dicke Haut und dann hat man verschiedene Hypes erlebt. Ein Hype ist immer nur ein Hype in der Proportion, in der man ihn wahrnimmt. Also habe ich schon 2008 einen Hype gespürt (lacht). Der war nur lächerlich, wenn ich heute darauf zurückschaue. Aber damals bedeutete er mir extrem viel und er hat auch viele Veränderungen gebracht wie z.B., dass wir im Radio laufen, mal einen Tontechniker mitnehmen und Leute aufs Konzert kommen, die Lieder mitsingen. Dann war kurz weniger Hype und dann gab es wieder einen. Mittlerweile denke ich mir, wenn ich an mir arbeite, straight bin, an mich und meine Jungs glaube und an unsere Qualität, dann kann man de facto einem Hype glauben oder nicht. Aber … (überlegt) im Endeffekt kannst du schon daran glauben, weil meistens steckt auch ein bisschen was dahinter. 

Apropos erfolgreich: Bei österreichischen Bands fallen besonders oft zwei Namen. Weißt du, welcher der zweite ist?

Ich kann es mir vorstellen. Es ist sicher Wanda. Aber auch da hat sich was getan. In den aktuellen Interviews hat man sich über Yung Hurn unterhalten, bei unserem letzten Album „Schick Schock“ eher über Wanda. Aber man merkt ja auch, dass dieser Vergleich, rein von der Musik her, gar nicht standhält. Das ist eher ein lokaler Vergleich. Vielleicht auch ein zeitmäßiger, weil der Erfolg zufällig gleichzeitig passiert ist. 

Es geht tatsächlich darum, dass ihr Österreicher seid und dass es für die deutsche Musiklandschaft – auch wenn es nur zwei Bands sind – quasi geballt kam. 

Und trotzdem hat man ja den Exotenbonus. Den muss man auch verdauen. Ich bin gerade an einem Punkt, an dem ich mich von diesem Exotenbonus gerne wieder entfernen möchte, weil ich der Meinung bin, dass man da auch aufpassen muss. In Deutschland sagt man gerade: Mein Gott, die Österreicher sind so süß. Es kann aber auch sein, dass in drei Jahren gesagt wird: Wenn ich noch einmal jemanden höre, der Servus sagt, dann zuck ich aus. Ich möchte nicht wie eine Mode in und out sein. Ich möchte das mit meinen Jungs überleben können. Von daher: Wir sind lange dabei, aber noch lange nicht dort, wo es noch hingehen könnte. 

Wo wäre das?

Wenn es um den messbaren Erfolg geht – also Lob oder in welchen Größenordnungen man Konterte gibt – habe ich keinen wirklichen Plan oder bestimmte Vorstellungen. Für mich ist es eher von Wert, dort zu bleiben. Es muss jetzt nicht dringend noch Richtung Stadion gehen. Wenn das nicht passiert, ist es mir auch sehr recht. Es ist eher die Sache, sich eine Möglichkeit zu schaffen, für längere Zeit auf dieser Ebene zu arbeiten. 

Ihr seid Kritiker- und Fanlieblinge: Wie schnell gewöhnt man sich daran? 

Ja, schon sehr schnell (lacht). Wir sind sicher nicht selbstverliebt, wir nehmen uns schon sehr in die Mangel und gehen sehr hart mit uns um. Deswegen tut es uns auch ganz gut, wenn Leute manche Sachen easier sehen als wir. Daher gewöhnt man sich schnell an Lob, aber wir sind es auch gewohnt zu kämpfen. Ich habe auch schon andere Zeiten gekannt. Daher ist ein bisschen Lob schon gut – wenn man nicht abhebt (lacht).

Wie verhindert ihr das?

Wir haben eine Band, die auf Freundschaft basiert und nicht auf einen Songwriter, der in die Probe kommt und alles diktiert. Wir sind seit eh und je vier Jungs, die aus dem Nichts heraus angefangen haben. Wenn einer auf den Boden fällt, dann hebst du ihn auf. Wenn einer abhebt, dann ziehst du ihn wieder runter. Und solange das so ist, habe ich wenig Angst, weil wir immer füreinander da sind. Das klingt vielleicht ein bisschen zu harmonisch. Aber ich glaube schon, dass meine Jungs mich retten würden und umgekehrt. 

Bilderbuch? Eh logisch, was das für linke Zecken sind. Schau mich an. Ich tanze an der Stange …“

Ihr werdet als „Hoffnung der deutschsprachigen Popkultur“ gesehen. Inwieweit hat das Druck beim neuen Album ausgeübt?

Eigentlich hat es das nicht. Wenn du viel Lob bekommen hast, dann ist das nicht mehr nur ein einzelner Satz. Es ist eine Fähigkeit, der man sich bewusst ist. Man nimmt das auf und man kann damit leben. Wir wissen, dass wir gut sind. Ich weiß mittlerweile, dass ich ein charismatischer Frontmann bin. Und wir wissen, dass wenn wir hart arbeiten, was richtig Geiles dabei rauskommen kann. 

Du meintest mal, dass die Wahrnehmung der österreichischen Popmusik im eigenen Land schwierig sei. Es dürfe nicht funktionieren, denn dann könne es nicht cool sein. Wie werdet ihr jetzt gesehen?

Das ist ganz schräg. Dieser Satz hat vor vier, fünf Jahren noch Aktualität gehabt, sondergleichen. Eine Popband sein, die gleichzeitig noch eine Fanbase hat, die cool ist und die Leute aufs Konzert zieht – das war einfach unmöglich. Und jetzt ist es in Österreich fast schon umgekehrt. Die Österreicher haben ein übertriebenes Selbstbewusstsein bekommen. Nur weil mal wieder ein paar Bands da sind, die sozusagen alles richten und nach Deutschland gehen und dort erfolgreich sind. Da haben irgendwie alle Österreicher das Gefühl bekommen, sie sind sowieso die Größten. Und das ist auch so ein bisschen mit Vorsicht zu genießen. 

Man merkt, es wird wieder mehr österreichische Musik gehört denn je – es fühlt sich zumindest so an. Es ist nicht mehr nur Schlager, sondern auch eben diese junge Musik – und auch Mundart. Aber genau da fange ich an zu denken: Hach … das kann doch eigentlich nicht so ganz euer Ernst sein (lacht). Es ist dieses Gefühl, dass der Österreicher sich selbst wieder so leiwand (österreichisch für super, Anm. d. Red.) findet. Wenn man die aktuelle Phase, die wir als Gesellschaft durchleben, politisch sieht, dann ist das ein ziemlich komischer Moment. Weil die Leute fast schon aus Prinzip österreichische Musik gut finden und nicht weil sie die Musik mögen. Das betrifft wahrscheinlich Bilderbuch noch ein bisschen weniger als z.B. Wanda oder Granada. Es gibt einige österreichische Bands, die jetzt nur aus diesem Grund stattfinden. Das widert mich auch ein bisschen an. Aber andererseits ist es auch ein hilfloses kleines Land, dass nur reagiert auf das, was es hört (lacht). 

Das beobachtet man auch in anderen europäischen Ländern: das Wertlegen und Herausheben der eigenen Sprache und Kultur.

Ja, das schleicht sich so ein. Auf einmal dieses übertriebene österreichische Selbstbewusstsein. Und diese Haltung ist nicht nur einer guten Popmusik geschuldet. Popqualität spielt wieder keine Rolle. Genauso wie es früher keine Rolle gespielt hat und man dann irgendwas aus Amerika gehört hat, was nicht so gut war. Jetzt hört man halt den eigenen Scheiß, der nicht so gut ist. Das ist ganz komisch.

© Elizaveta Porodina

Du meintest mal, dass ihr keine politischen Meinungen äußern wollt. Aber das sind ja nun schon klare Worte. 

Die letzten zwei Jahre hat sich alles so zugespitzt und Leute wollten, dass wir über Facebook unsere politische Meinung kundtun. Aber mein Gefühl hat mir gesagt: Du kannst das gar nicht so gut formulieren, wie es schon andere vor dir getan haben. Außerdem: Warum reduzieren sich so viele Künstler einfach nur auf einen Facebook-Post? Als würden sie sich damit freischießen und dann wieder ihren Blem-Blem-Scheiß machen. Oder sie nehmen einen kabarettistischen Song auf, der nur bei den Leuten einschlägt, bei denen diese Meinung eh schon verankert ist.

Dann mache ich lieber Popmusik, die für etwas steht, die Haltung zeigt – und die ist nie diskutabel. Wenn du Bilderbuch hörst, kann es per se nichts Schlechtes sein und dich nicht auf die falsche Fährte führen. Du kannst jeden auf der Welt fragen, der Bilderbuch kennt, die werden alle sagen: Ja, eh logisch, was das für linke Zecken sind (lacht). Das brauchen wir nicht zu statuieren – das ist logisch. Schau mich an. Ich tanze an der Poledance-Stange rum … Deswegen ist es nicht notwendig, mir ein paar Zeilen auszudenken und die zu posten. Es ist viel besser, sich als Künstler größer wahrzunehmen und sich daran zu versuchen, ein Gefühl zu entwerfen, das damit irgendwie umgeht. 

Klingt, als hättest du dir viele Gedanken dazu gemacht.

Du hast die beste Zeit deines Lebens, aber du merkst, Musiker zu sein in dieser Zeit ist irgendwie anders als die Jahre zuvor. Es fühlt sich so an, als hätte man was auszufüllen. Das ist ein Thema, was mich schon lange beschäftigt, weil es eben eine Zeit ist, wo jeder mit seiner Meinung vor die Haustür geht und diese eigentlich nur wieder in seine eigene Haustür hineinschreit. Es ist viel ehrlicher, sich mit etwas zu beschäftigen und einen Umgang zu finden.

Du sagtest, wer euch sieht, weiß, welche Positionen ihr vertretet. Inwieweit spielt denn eurer Styling und Image eine Rolle? 

Es ist, wie Mode einfach so ist. Man fängt an und findet Gefallen an irgendwas. Daran ist nichts Unnatürliches. Wenn du auf eine Bühne gehst, willst du dich auch wohlfühlen. Man muss sich darum kümmern, dass es auch so wirkt wie die Musik. Da kommst du zum Ausdruck. Bei uns soll das Coverart geil sein, aber warum soll der Typ, der 90 Tage im Jahr auf die Bühne geht, nicht so geil sein wie auf dem Cover? Das macht ja keinen Sinn. Und ich fühle mich wohler, wenn ich denke, hey, das ist jetzt ein schickes Leibl. 

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