Back to the roots Broilers im Interview über politische Positionierungen und Hummeln im Po

Wir haben mit Bassistin Ines von den Broilers über politische Positionierungen, das Erfolgsgeheimnis der Band und Hummeln im Po gesprochen.

© Robert Eikelpoth
Schneller, härter, global wütender: Nach eineinhalb Jahren sind die Broilers wieder auf Tour und präsentieren ihr neues Album „(sic!)“ auf ihrem eigenen Label. Wir haben mit Bassistin Ines über politische Positionierungen, das Erfolgsgeheimnis der Band und Hummeln im Po gesprochen.

Euch gibt es seit 1994, wie schafft ihr es, immer noch gehört zu werden?

Wir machen jetzt schon seit über 20 Jahren Musik und vielleicht ist das Rezept, dass wir bisher immer das gemacht haben, worauf wir Lust hatten und was wir schön finden. Ich kann es gar nicht so genau sagen. Vielleicht hilft es wirklich, wenn man man selbst ist, dann spiegelt sich das auch wider und die Leute erkennen das. 

Wie würdest du sagen, habt ihr euch musikalisch verändert?

Wir haben uns zwar verändert, aber im Grunde genommen sind unsere musikalischen Wurzeln immer noch Punkrock. Man hat mal kleine Ausreißer, aber ich finde, das haben wir schon immer gehabt. Auch auf unseren vorherigen Platten gab es Lieder, die etwas außergewöhnlicher oder experimenteller waren. Wenn man älter wird und sich verändert, dann entwickelt sich auch die Musik ein wenig. Allein, weil man auch das Instrument mit der Zeit besser beherrscht.

Du bist seit 1995 bei den Broilers. Wie ist es, die einzige Frau in einer Punkrockband zu sein?

Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe in der ganzen Zeit, in der ich in dieser Band spiele, keinen extremem Unterschied gespürt, ob Männlein oder Weiblein. Das mag ich aber auch und ist mir wichtig! Ich unterscheide genauso wenig wie die Jungs. Ich bin die Ines, ich habe zwei Brüste, aber ansonsten bin ich ein Mensch wie die Jungs auch. Das macht es wahrscheinlich auch aus, weil man einfach nur befreundet ist und das Geschlecht gar nicht sieht.  

Sonst kennt man Frauen ja oft als Frontsängerin einer Band, warum stehst du nicht hinter dem Mikro sondern am Bass? 

Weil ich schon damals, als ich in die Band gekommen bin, Bassistin war. Ich singe zwar auch sehr gerne und viel, aber ich bin keine geborene Sängerin. (lacht) Und ich finde es traurig, wenn ich Leuten erzähle, dass ich beruflich Musik mache, die erste Reaktion ist: „Ach ja, du singst“. Frauen können noch viel mehr als Singen, sie können auch Instrumente spielen!

Zwei eurer Alben heißen „Hasta la muerte“ und „Santa muerte“. Habt ihr einen Hang zum Spanischen?

Wir waren zwar alle mal zusammen in Spanien im Urlaub, aber ich glaube nicht, dass dies der Grund dafür ist (lacht). Wir mögen einfach Namen, die vielleicht etwas außergewöhnlicher sind und wo man eine fiktive Geschichte drumherum bauen kann. Wir suchen uns oft die Namen aus, die wir als schönklingend empfinden oder deren Bedeutung uns gefällt. Unser Albumtitel ist meistens schon vorher gesetzt, bevor überhaupt alle Lieder des Albums da sind. Das ist immer ganz schön, da haben wir auch immer einen kleinen Aufhänger und ein Grundgerüst für uns. 

Und wie ist der aktuelle Titel „(sic!)“ entstanden?

Das war etwas, was Sammy schon im Kopf hatte und uns vorschlug. Da Sammy und ich eigentlich aus dem Grafikdesignbereich kommen, ich bin gelernte Mediengestalterin und er ist Grafikdesigner, kenne ich das noch aus der Typografie, aus dem Schriftsatz von früher. Es bedeutet dort, dass das vorangestellte, ursprüngliche, obwohl es fehlerhaft wirkt, genau so gemeint ist. Da schließt sich der Kreis wieder, wenn man es auf unsere Bandgeschiche überträgt. Für viele von außen mag unsere Geschichte fehlerhaft und verrückt wirken, aber genau das sind wir. All das hat uns zudem gemacht, was wir heute sind. 

Euer neues Album ist Anfang Februar herausgekommen und steht jetzt schon auf Platz eins der Albumcharts. Was ist bei dieser Platte anders?

Sammy schreibt bei uns die Texte und bei „Noir“ waren sie recht dunkel, auf eine private Art und Weise und musikalisch gesehen war „Noir“ ein Ausflug in den Pop-Bereich. Jetzt gehen wir aber viel mehr zu unseren musikalischen Wurzeln zurück, es ist wieder etwas schneller, etwas härter. Die neue Platte ist textlich global wütender. Es wird Zeit, dass man aufsteht und etwas sagt, gegen all das, was gerade in diesem Land passiert. Die Leute sollen aufgerufen werden, den Mund aufzumachen und sich klar zu positionieren. 

Du meintest, dass ihr euch mehr positioniert, so auch in „keine Hymnen“ und „nur ein Land“, in denen ihr euch klar gegen den Rechtspopulismus stellt. Wie kommt es, dass ihr in diesem Album politischer seid als vorher? Ist es in den heutigen Zeiten besonders wichtig?

Ja, es ist extrem nötig. Gerade wenn man als Künstler, egal welcher Art, die Chance hat, ein mediales Sprachrohr zu haben. Wer ein wenig Herz und Menschenverstand hat und mit offenen Augen durch die Welt geht, kann gar nicht anders als Stellung beziehen. Musik, Lieder, Kunst sollen/müssen immer wieder provozieren. Menschen sollen davon berührt werden. Sie sollen darüber nachdenken, zuhören und mit ganz viel Glück bewirkt man eventuell ein Umdenken. Und was gibt es besseres?

Auch wenn du sagst, dass es beim Album „Noir“ noch ein wenig mehr war, so sind ja auch auf der aktuellen Platte einige Songs sehr autobiografisch und persönlich wie bei „Zu den Wurzeln“. 

Das ist natürlich wirklich eine persönliche Erfahrung, die Sammy gemacht hat. Es ist Wahnsinn, dass jemand nur, weil er dunkle Haare und braune Augen hat, so etwas erlebt. Es ist aber vielleicht für manche Menschen auch eine schöne Art zu erfahren, dass es nicht nur ihnen, sondern leider vielen so geht. Aber es ist schlimm, dass so etwas heutzutage vorkommt. 

Immer mit Vorurteilen konfrontiert zu werden …

Ja genau, es ist grausam, dass die Leute nicht einfach sagen können: Das ist ein Mensch vor mir. Das ist ähnlich wie das Thema mit den Geschlechtern, das wir vorhin hatten. Der Mensch sollte doch das Oberthema sein und nicht: braune Augen, braune Haare, Brüste. 

Ist das einer deiner Lieblingssongs? 

Ich mag ihn sehr gerne, weil es von der Musik etwas sehr Fröhliches hat und man direkt mitwippt. Wenn man aber auf den Text achtet, merkt man diesen traurigen Hintergrund. Diese Mischung mag ich ganz gerne. Aber ich finde z.B. auch „Als das alles begann“ toll und „Gangster, Gangster“ ist wirklich eines meiner Lieblingslieder. 

Ihr geht im Frühling auf Tour, viele Konzerte sind bereits ausverkauft und ihr spielt vor einem riesen Publikum. Wie geht man mit solch einem Erfolg um?

Ich denke nicht groß darüber nach. Es ist nicht so, dass ich jedes Mal denke: Boah geil, große Hallen. Ich freue mich und bin dankbar, dass wir die Möglichkeit haben, Konzerte zu spielen. Und der Weg, den wir all die Jahre hatten, bestätigt Bestehendes auf eine Art und Weise. Das hilft auch, nicht einfach abzuheben oder irgendwie blöd zu werden, wie es vielleicht manchen Teenie treffen kann, der bei DSDS von heute auf morgen auf einmal in den Medien erscheint. Ich glaube, da kann man manchmal auch unbewusst und nicht selbst verschuldet etwas abheben. Wir sind aber fünf Leute und wenn einer von uns irgendwann einen Spleen kriegen würde, gibt es immer noch vier andere, die ihn erden könnten. Wir haben ja auch nie darauf hingearbeitet. Als wir anfingen, haben wir nicht gesagt, wir möchten in 10 Jahren damit Geld verdienen.  Wir lieben Punkrock, wir lieben Musik und haben einfach das Glück, dass es bei so vielen Leuten gut ankommt. (lacht)  

  

Wie kam es dazu, dass ihr jetzt unter eurem eigenem Label produziert?

Wir waren an einem Punkt, an dem wir überlegt haben, ob wir das wollen oder nicht. Und wir wollen. Es ist viel mehr Arbeit, als wir es dachten, aber es ist Arbeit, die Spaß macht. Und ich sage auch immer, dass es zu den Wurzeln des Punkrocks passt: Do it yourself! Das ist der roter Faden, der uns durch die ganze Bandgeschichte begleitet. Warum also auch nicht ein eigenes Label, wenn man das Glück und die Möglichkeit dazu hat. Wir können nun Dinge machen, die wir vorher vielleicht nicht so machen konnten, vielleicht auch unsinnige, wie z.B. die große Plakatierungen, die jetzt in Deutschland stattgefunden haben.

Worauf kann man sich bei eurer Tour freuen? Was erwartet uns?

Es erwartet euch ein schönes Potpourri aus allen Liedern, die wir in den letzten Jahren geschrieben haben und eine Menge Spaß, weil es für uns natürlich auch wieder sehr aufregend ist, nach 1,5 Jahren mal wieder live zu spielen. Wir haben Hummeln im Po und unglaublich Lust, auf die Bühne zu gehen und mit den Leuten zu feiern. Und ich hoffe, die Leute freuen sich auf ein großes Fest mit ganz viel Spaß und dass jeder hinterher glücklich nach Hause geht. 

 INFO:  Die Broilers könnt ihr am 14. Juli 2017 live bei den Filmnächten am Elbufer in Dresden und am 15. Juli 2017 auf der Kindl-Bühne Wuhlheide in Berlin erleben.