Vom Aufwachsen in der Betonwüste Marzahn-Hellersdorf hin zum Spiegelbild des Wendejahrs 1989... CEEYS im Interview

Mit ihrem neuen Album „Waende“ widmen sich die Berliner Brüder CEEYS erneut zwischen moderner Klassik und experimentellem Pop ihrer Jugend in der DDR

© Manners McDade

Cello trifft auf Synthesizer, Eingängiges auf Dissonantes – Mit ihrem neuen Album „WÆNDE“ widmen sich die Berliner Brüder CEEYS erneut zwischen moderner Klassik und experimentellem Pop ihrer Jugend in der DDR. Nach „Concrete Fields“, einer Auseinandersetzung mit dem Aufwachsen in der Betonwüste Marzahn-Hellersdorf, ist Album Nummer Nummer zwei ein Spiegelbild des Wendejahrs 1989 geworden. Mehr noch: Ein Album voller Gefühle und Bilder, auf dem sich Cello und Tasteninstrumente in einer ständigen Diskussion befinden. Im Vorfeld ihres Neue-Meister-Konzerts im Funkhaus trafen wir Sebastian und Daniel Selke zum Gespräch…

„WÆNDE“ – das verweist einerseits auf die Häuserblöcke der DDR, andererseits auf die Wiedervereinigung. Warum sollte es erneut eine Platte zu dieser Zeit sein?

Sebastian: Wir wollen keine Dinge erfinden. Wir wollten einen Soundtrack zu unserem Leben – etwas, aus dem wir eine Erfahrung gezogen haben. In unserem Fall ist das die Zeit, in der wir aufgewachsen sind. 1989 und 1990 waren da prägend. 

Inwiefern können auch andere daran anschließen: diejenigen, die auch in der DDR aufgewachsen sind, und vor allem diejenigen, die es nicht sind? 

Daniel: Denkt man an Grenzen, Mauern und Ausgrenzung, ist das Thema immer noch aktuell. Man kann das alles ins Heute übertragen – jeder und jede auf seine Weise. 

Nun sind Cello und Klavier ganz klassisch eure Basis. Gleichzeitig verwendet ihr restaurierte elektronische DDR-Instrumente. Was ist an dieser Kombination reizvoll? 

Sebastian: Erst einmal muss man sagen: In der DDR war es üblich, Cello und Klavier zu lernen. Selbst Pop- und Rock-Gruppen wie die Puhdys mussten das. In den 90er-Jahren haben wir uns zusätzlich für Elektronisches interessiert und erste Sequenzer gekauft. Irgendwann stellten wir fest, dass sich der Osten immer am Westen orientiert hat – dabei gab es eine eigene Blüte an Instrumenten elektronischen Ursprungs wie String Machines und Synthesizer. 

Wir kommt ihr an diese alten Instrumenten?

Sebastian: Man kriegt die sehr günstig bei Ebay-Kleinanzeigen, aber man muss sie restaurieren. 

Daniel: Manche von ihnen musste ich schon europaweit suchen. Ich hole die immer selbst ab, denn bei einer Zusendung reicht einmal Werfen, und die Sachen sind komplett futsch. 

Sebastian: Aber nur alt wollen wir eben auch nicht. Das wäre eine Einschränkung. Vermona gibt es immer noch, deswegen haben wir auch aktuelle Instrumente aus der Firma. 

Live soll das Ganze wirklich live gespielt werden – also komplett ohne Maschinen?

Daniel: Ja, wir versuchen, dass jeder Ton auf der Bühne echt gespielt ist. Das klingt logisch, aber es gibt ja auch analoge Synthsizer, dann drückt man Ableton und der Laden läuft von alleine. 

Wie viel davon ist Komposition, wie viel Improvisation?

Daniel: Im Funkhaus spielen wir mit einem Streichorchester und das Konzert ist so angelegt, dass die Musiker Noten erhalten, sie hier und da aber anders spielen. Es liegen also Kompositionen vor, aber teilweise wissen wir gar nicht, was der andere spielt. Nach und nach fügt sich alles zusammen. Selbst ein schiefer Ton kann dann genau passen – oder eben nicht. Das macht Live spannend.

Sebastian: Wir machen immer alles mit einem Augenzwinkern. Es gibt viele Instrumentalisten, die toll originalgetreu spielen. Aber wir sagen: Es darf und muss vielleicht ein völlig eigener Weg gegangen werden. 

Die Klassik nimmt sich in puncto Perfektionsanspruch also stellenweise zu ernst?

Sebastian: Ja! In der Klassik ist es oft so: Wenn du nicht exakt die Töne spielst, die Beethoven komponiert hat, hast du ein Problem. Wir wollen mit unserem Ansatz keine Konkurrenz schaffen oder unsere klassische Herkunft leugnen, sondern viele Farben hineinbringen. Vielleicht versteht man mit einem solchen Zugang die Klassik dann wieder. 

Gleichzeitig habt ihr den Anspruch, Avantgarde mit Pop zu verbinden. Was genau macht euren Pop-Charakter aus?

Sebastian: Wir experimentieren und schaffen gleichzeitig Kontraste mit Zugänglichem – mit Harmonien, die man aus dem Pop kennt. Wir spielen dann eine Kadenz, die wohlklingend ist. Etwas, worauf der Zuhörer reagieren kann. Dann hat jeder Spaß daran, danach wieder dem Experiment zu folgen. Avantgarde sind wir, wenn wir Dinge an den Synthesizern probieren. Da darf es ruhig Polyrhythmisches und Dissonantes geben. 

Was steht als nächstes an, wenn die persönliche Geschichte zur Wende-Zeit irgendwann auserzählt ist?

Daniel: Das ist sehr unwahrscheinlich. 

Sebastian: Es lässt sich immer mit dem, was heute ist, kombinieren. In Korea hoffen die Leute jetzt auch, dass es keine Grenze mehr gibt. Und fällt sie dann weg, muss man immer noch lernen, damit umzugehen. Thematisch gibt es noch viel. Unsere Musik halten wir dabei offen und so entsteht immer wieder etwas Neues. 

CEEYS
WÆNDE
(Neue Meister)
VÖ: 18.05.2018

www.ceeys.de

Am Tag der Veröffentlichung von WÆNDE spielen CEEYS eine Record-Release-Show im Funkhaus. Beginn ist 20 Uhr.

© CEEYS / Neue Meister