Ein Gespräch über den Reiz des Regionalen im Glanz der Zwanziger Diva und Alleskönner | Irma la Douce

Mit dem Irma La Douce ist die Potsdamer Straße seit Ende November um ein weiteres gastronomisches Flaggschiff reicher. Hinter dem Restaurant steht unter anderem Jonathan Kartenberg vom Eins44. Wir haben uns durch die Karte probiert und Kartenberg im Nachgang ein paar Fragen gestellt.

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Mit dem Irma La Douce ist die Potsdamer Straße seit Ende November um ein weiteres gastronomisches Flaggschiff reicher. Hinter dem Restaurant steht unter anderem Jonathan Kartenberg, der seit Jahren mit dem Eins44 in Neukölln zu den spannendsten Playern in der Szene zählt. Wir haben uns durch die Karte probiert und Kartenberg im Nachgang ein paar Fragen gestellt.

Das Irma la Douce taucht zum ersten Mal auf den Seiten von urbanite auf: Erzähl doch bitte kurz vorweg, wie ihr euer gastronomisches Konzept definiert! Auf eurer Homepage sprecht ihr euch ja dezidiert dagegen aus, ein „Französisches Lokal“ zu sein.

Irma la douce steht für neue, französische Küche, die sich des klassischen Handwerks bedient, aber leichter und unkonventionell daherkommt, ohne auf starke Aromen zu verzichten. Es gibt französische Klassiker mit Kalbsbries, Schnecken und Austern und es gibt richtig gute Saucen! Es versteht sich bei den kreativen Köpfen aber von selbst, dass die Küche dabei auf besondere Akzente und ungewöhnliche Neu-Interpretationen setzt. So kommen die Makrele mit Früchtetee, Sellerie und Bete, die Schwarzwurzel mit Hefe, Zedernkernen, Birnenessig und Trüffel oder Reh mit Kürbis, Churros und Ras el Hanout individuell gestaltet daher. Bei den Weinen begeben wir uns mit unseren Gästen auf eine Tour de France mit den Schwerpunkten Bordeaux, Burgund und Champagne.

Wie sieht deine berufliche Biografie aus?

Ich begann meine Karriere in der Gastronomie im Mani. Seit sechs Jahren betreibe ich das Restaurant Eins44 in Neukölln mit Tim Tanneberger als Küchenchef. Im Irma la douce kocht Michael Schulz, der zuletzt die Küche im Golvet leitete und davor im Rutz Restaurant und im Vau kochte.

Mit eurer Inneneinrichtung seid ihr aus dem Stand eines der schönsten, auch klarsten Restaurants der Stadt. Wie habt ihr euch das zurecht gelegt, woher stammen die Inspirationen etwa für die großen Spiegel oder die fast durchgängige Zweiertisch-Stellung?

Danke für das Kompliment! Optisch setzen wir auf dunkle Grün-Töne, elegante goldene Akzente und Holz. Sicher haben wir uns von französischen Bistros inspirieren lassen. Die antiken Decken-Leuchter bringen den Glanz der legendären 1920er-Jahre in den großzügigen Raum mit weiß eingedeckten Holztischen und langer Sitzbank. Die Spiegel sind Originale, die wir in einem kleinen französischen Chateau gefunden haben. Sie verleihen dem Raum Größe und eine warme Atmosphäre gleichermaßen. Die Tische sind individuell verschiebbar, so dass unsere Gäste zu zweit, aber auch zu sechst oder zwölft einen großartigen Abend verbringen können. Wir wollten einen Ort schaffen, an dem sich unsere Nachbarn, Berliner und internationale Gäste gleichermaßen wohlfühlen.

Stichwort Nachbarn: Die Potsdamer Straße hat in den letzten Jahren einige Veränderungen erlebt. Wann und warum habt ihr euch für diese Adresse entschieden? Und wo seht ihr die Straße und ihr Leben in einigen Jahren?

Die Potsdamer Straße ist heute Treffpunkt für Künstler und Galeristen – historisch gesehen hat die Straße tatsächlich viele „Kostümwechsel“ mitgemacht. In den 1860ern war sie eine der feinsten Straßen der Stadt, in den goldenen Zwanzigern summte sie vor frivoler Kultur, Tanzbars, Galerien und Antiquariaten, und während es die Mauer noch gab, entwickelte die eine Seite der Straße sich zu einer Sackgasse mit Prostitution und Verruf, während das andere Ende im Laufe der 1960er Adresse der Berliner Philharmonie, der Neuen Nationalgalerie und der Nationalbibliothek wurde. Und darüber hinaus war die Potsdamer Straße die Straße, die als allererste in Berlin – im Jahr 1792 – gepflastert wurde. Das war genau der vielfältige Ort, an den wir gehen wollten! Wir sind gespannt auf die Entwicklung in den nächsten Jahren, gehen aber davon aus, dass die legendäre Straße ihren besonderen Charakter behalten wird. 

Ihr habt euch vorerst dagegen entschieden, euer Restaurant zur Straße hin zu öffnen? Warum? Und: Muss das so bleiben?

Die langen, schweren Vorhänge vor den Fenstern machen das Geschehen auf der Potsdamer Straße vergessen und den Weg frei für genussvolle Momente im Innern des Restaurants. In dem zeitlosen Raum steht sprichwörtlich die Zeit still. Aber: Im Irma la douce ist nichts in Stein gemeißelt und nichts muss bleiben wie es ist. Vielleicht entscheiden wir uns im Frühling oder Sommer, alles zu öffnen und geben dadurch der Straße und dem Restaurant ein neues Gesicht.

Schon das zweite Mal in den letzten Wochen hat uns ein Schwarzwurzel-Gericht restlos begeistert. Was ist ihr Geheimnis?

Das Geheimnis ist einfach: Die Schwarzwurzel ist ein altes, regionales Gemüse. Michael Schulz ist ihr schon in der Schulzeit begegnet, hat sie als Schüler selbst aus der Erde gezogen und auch heute noch eine enge Beziehung zur Schwarzwurzel. Sie ist bodenständig und vielzeitig, gleichzeitig aber extrem vielseitig. Sie ist ein Alleskönner!

Wir hoffen auf einen langen Winter, damit sie nicht so bald wieder von der Karte verschwindet. Wie oft plant ihr diese anzupassen?

In den nächsten Wochen schon tauscht Michael Schulz das ein oder andere Gericht gegen ein neues aus, so dass sich die Karte im Fluss befindet. Sicher werden wir Klassiker auf der Karte belassen, aber auch hier sagen wir: Wir sind offen für alles! 

Welches der aktuellen Gerichte stellt in der Küche die größte Herausforderung dar?

Die Schnecke ist sehr anspruchsvoll in der Zubereitung. Hier muss der richtige Garpunkt gefunden werden. Wir servieren Rosenkohl blanchiert und als Püree dazu. Rosenkohl ist eine Diva und sehr wechselnd im Geschmack. Das muss immer wieder feinjustiert werden. Hinzu kommen zwei Saucen, die wir sehr aufwändig herstellen. Nicht zuletzt besteht das eine Gericht aus zehn verschiedenen Komponenten.

Noch ein Wort zur Begleitung: Ihr könnt mit einer herausragenden Wein-Karte arbeiten. Mag es, gerade in Frühling und Sommer, die Möglichkeit geben, das Irma La Douce ausschließlich als Weinbar zu erleben, etwa im vorderen Bereich?

Irma la douce steht für den vollen Genuss – auf dem Teller und im Glas. Daher wird es immer à la carte-Gerichte geben. Auch jetzt schon ist jeder Gast herzlich willkommen, ausschließlich Champagner und Weine nach Belieben zu verkosten – ob im vorderen Bereich oder am Tisch. Für diesen Bedarf und die späten Abend- und frühen Morgenstunden haben wir eine kleine Snackkarte. In unserem neuen Restaurant möchten wir die moderne französische Genusswelt feiern. Genau wie Irma aus dem gleichnamigen Film leben wir einen ganz eigenen Stil, der nichts ausschließt.

Irma la Douce

Potsdamer Straße 102 | 10785 Berlin

www.irmaladouce.de

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