Hausbesuch: Stadtbienen macht Bienenhaltung in der Großstadt möglich Eine Begegnung mit den Stadtbienen

Der Verein Stadtbienen bietet Imkereikurse an und vertreibt Bienenboxen, in denen man sich einen eigenen Bienenschwarm halten kann. Wir haben uns mit dem Gründer getroffen.

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Wer an Haustiere denkt, dem kommen intuitiv Hund, Katze, Meerschwein in den Sinn. Dass man auch Bienen als Haustier halten kann, dürfte den meisten Leuten im ersten Moment komisch vorkommen.

Muss man dazu nicht Imker sein? Darf man das überhaupt? Und: Stechen die nicht? Spannende Antworten darauf liefert der Verein Stadtbienen. Bienen halten kann nämlich fast jeder: Mit der praktischen Bienenbox, die man im Garten oder auf dem Balkon aufstellt, kann man sich einen eigenen Schwarm halten und Honig ernten. Aber der Reihe nach.  

Die Sonne schaut pünktlich zum Besuch bei Johannes Weber, dem Gründer von Stadtbienen e.V., hinter den Wolken hervor. „Der Sonnenschein ist angenehm für die Bienen“, erzählt er, während er mich einen Blick in seine Bienenbox werfen lässt. Und tatsächlich: Die Tiere lassen sich nicht stören, während er die Wabenrahmen aus der Box zieht. Darauf tummeln sie sich ganz entspannt zu Hunderten. Der Aufbau ist simpel und effektiv zugleich. Außen ist die 110x40x30 cm große Kiste unscheinbar. Schaut man genauer, erkennt man jedoch das rege Treiben um den Eingangsschlitz herum: Im Sekundentakt verlassen Bienen die Box oder kehren von einem Ausflug zurück. Im Inneren befinden sich eine Futtertasche und die Wabenrahmen: Schlichte Holzrahmen, in die das Bienenvolk seine Wabenkunstwerke hineinbaut. 

Bienen sind ein unglaublich wichtiger Bestandteil des Ökosystems, denn ohne ihre Bestäubungsarbeit käme es in der Landwirtschaft zu massiven Ernteausfällen. 75 Prozent aller Nutz- und Kulturpflanzen sind von der Bienenbestäubung abhängig. Das macht Bienen zu den drittwichtigsten Nutztieren hinter Schwein und Rind. Ein Bienensterben hätte weitreichende Konsequenzen für Mensch und Tier.

„Würde ich zwei Jahre Urlaub machen, wäre das Bienenvolk tot“

Der Archetypus eines Imkers trägt in meiner Phantasie einen robusten Schutzanzug. Johannes nicht. Mich wundert, wie gelassen er mit dem Bienenvolk, das bis zu 40.000 Tiere umfasst, umgeht. Wie kommt man zur Imkerei? Während die einen ein Musikinstrument spielen und die

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anderen Kampfsport betreiben, hört man doch selten den Satz „In meiner Freizeit bin ich Imker(in)“. Bei Johannes fing alles mit seinem Großvater an, einem Obstbauern. „Für die Bestäubung seiner Äpfel und Kirschen hielt er Bienenvölker – deshalb war es für mich als Kind ganz normal, an einem Bienenstand zu stehen. Berührungsängste waren nie da.“ Nach dem Umzug in die Stadt betrieb Johannes zunächst ein kleines Urban Gardening-Projekt im Innenhof, in dem Gemüse angebaut wurde. Im Zuge dessen kam eines Tages die Idee auf, ob man nicht auch dort für Bestäubung sorgen könnte. So kamen wieder die Machenschaften des Großvaters ins Spiel: Johannes begann, sich über Bienenhaltung in der Stadt zu informieren, und stellte fest, dass es tatsächlich funktionieren kann. Mit Hilfe von Kursen, Google, Fachliteratur und Gesprächen mit Bienenkennern begann er vor fünf Jahren, an einer Behausung für die pelzigen Tierchen zu arbeiten. Er erschuf schließlich ganz nach dem Do-it-yourself-Prinzip den Prototyp für die jetzige Box. Diese kann man im Stadtbienen-Shop bestellen und einen Bienenschwarm einziehen lassen. Der kommt nicht von allein, sondern muss bei einem Imker bestellt oder über eine Tauschbörse organisiert werden. 

Bienenhaltung als Hobby also – inwieweit bringt das eigentlich Verantwortung mit sich? „Ein gewisser Betreuungsaufwand ist immer da“, erzählt Johannes. Als effektive Arbeitszeit mit der Bienenbox setzt der Verein circa 20 Stunden pro Jahr an. Kurse und Aneignung des nötigen Knowhows nicht inbegriffen. „Die Honigbiene ist von menschlicher Betreuung abhängig“, erklärt der Imker,  „würde ich zwei Jahre Urlaub machen und mich nicht um die Box kümmern, wäre das Bienenvolk tot.“ Am wichtigsten ist bei der Haltung die Bekämpfung von Schädlingen. Deshalb muss die Box 2x im Jahr einer Säurebehandlung unterzogen werden. Außerdem sollte man hin und wieder mit Zuckerwasser zufüttern.

Was machen die Bienen überhaupt im Winter?„Die Bienen halten Winterruhe. Sie sammeln sich in einer Traube um die Königin herum und wärmen sich gegenseitig durch Flügelvibration“, erläutert Johannes. Dabei wechseln sie sich ab: Jede hat mal Dienst an der äußersten, kühlsten Schicht. Die Königin kommt übrigens nur zu Paarungszwecken in den Genuss von Freiheit. Die restliche Zeit verbringt sie im Stock. 

Trotzdem ungestört Kuchen essen

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Obwohl ich gesehen habe, wie gelassen Johannes ohne Schutzkleidung die Wabenrahmen angefasst hat, brennt mir die Frage auf den Lippen, ob man nicht gestochen wird. Ob man mit der Bienenbox nicht sich selbst oder die Haustiere oder kleine Kinder einer stacheligen Bedrohung aussetzt. „Das ist ein Irrglaube“, sagt er, und weist mich darauf hin, dass mich beim Öffnen der Box ja auch nicht sofort ein Schwarm überfallen hätte. Das stimmt, während des Fotografierens haben mich die Tiere gar nicht beachtet. Die Bienen würden auch nicht in die Wohnung kommen, „die machen ihr Ding in der Bienenbox“. Neben der Box könne man trotzdem ungestört draußen sitzen. Selbst Kuchen könne man problemlos auf dem Balkon genießen. Die Bienen sind im Gegensatz zu Wespen sehr friedliche Tierchen.

Zuletzt die wohl wichtigste Info für Honigfans: „Im Schnitt bekomme ich pro Jahr 15 Kilo raus“,  so Johannes. Damit kann man etwa 30 handelsübliche Gläser füllen. Es käme aber natürlich auf den Standort der Box an. Neben einem Braunkohlewerk, wo nichts wächst, sei so eine Leistung für die Bienen nicht machbar. An einem perfekten Ort mit vielen Pflanzen in der Umgebung sind sogar wesentlich mehr als 15 Kilo drin. Vielleicht denkt der eine oder die andere ja nun über eine Anschaffung der Box nach. Bienen sind tolle Tiere, und so ein Glas selbstgeimkerter Honig macht schon einiges her.

Infos: www.stadtbienen.org