Curse im Februar im Conne Island „Ich glaube immer mehr, dass die äußere Freiheit ohne die innere nur sehr wenig Wert hat“ – Curse im Interview

Im Februar veröffentlichte Curse sein Album „Die Farbe von Wasser“, mit dem er seitdem auf Tour ist und Anfang Februar* auch im Conne Island Halt macht. Im Interview philosophierten wir, oder eher er, über Projektionen in Mensch und Musik, Rapper-Klischees und die äußere wie innere Freiheit.

Im Februar veröffentlichte Curse sein achtes Studioalbum „Die Farbe von Wasser“, mit dem er seitdem auf Tour ist und Anfang Februar* auch im Conne Island Halt macht. Im Interview philosophierten wir, oder eher er, über Projektionen in Mensch und Musik, Rapper-Klischees und die äußere wie innere Freiheit.

Was ist denn die Farbe von Wasser? Das Album ist ja eher so eine Art schillernde Ölpfütze mit vielen Facetten und Zwischentönen, die man gar nicht auf eine Farbe runterbrechen kann.

Wasser selber hat ja eigentlich keine Farbe. Wenn wir aber zum Beispiel aufs Meer gucken, dann sieht das türkis aus oder blau, weil sich sowohl der Himmel als auch der Untergrund im Wasser spiegeln. Wasser hat immer die Farbe von dem, was es reflektiert. Musik ist für mich wie Wasser: du hast einen Song, ein Album. Die Farbe gibt am Ende aber immer die Person, die sich darin spiegelt wieder. Somit ist da drin, was ich selber hineingebe, aber auch immer etwas von der Person, die es hört. Musik kann immer auch die Farbe von deiner Stimmung, von deiner Interpretation annehmen. Deswegen fand ich, dass „Die Farbe von Wasser“ eine sehr schöne Metapher ist für die Art und Weise, wie Musik wirkt.


Deine Texte und deine Musik sind zumeist sehr persönlich. Wie findest du es denn, wenn da im Nachhinein so viel hineininterpretiert wird? Zwangsläufig passiert das ja.

Das ist super. Vermeiden können wir das sowieso nicht. Ich treff dich jetzt hier; und mein Eindruck von dir, das bist ja nicht nur du. Das bin zu einem Großteil auch ich selber. Was ich in dich reinprojiziere oder was ich meine, in dir zu sehen, oder was mich an dir an irgendwas oder irgendwen erinnert. Da haben wir keinen wirklichen Einfluss drauf und früher habe ich damit echt ein ziemlich großes Problem gehabt, weil ich immer dachte: Mann. Ich versuche mich doch hier schon so deutlich wie möglich auszudrücken, wieso versteht ihr das denn nicht?! Dann hab ich versucht, noch deutlicher zu werden, mich noch klarer auszudrücken (lacht). Mittlerweile ist es so, dass ich es tatsächlich eher schön finde, dass es einen Interpretationsspielraum gibt. Allerdings schreibe ich aber ja auch sowieso meistens sehr konkret und weniger abstrakt und blumig. Ich lege es eher drauf an, so klar wie möglich zu sagen, was ich sagen möchte.

Das Album klingt sehr viel erwachsener, geerdeter als seine Vorgänger und wirkt insgesamt positiver. Stehen inzwischen eher die Begegnungen im Vordergrund als die Trennungen, die oft Thema in früheren Songs waren?

Da sind wir auch schon wieder beim Thema „Die Farbe von Wasser“. Auf „Innere Sicherheit“ sind 16 Songs, zwei davon handeln im weiteren Sinne von Liebe, 14 nicht.

Das ist trotzdem das, womit dich viele verbinden.

Genau. Das ist genau wie wenn jemand ein total softes Album macht, wo aber auch zwei ganz harte Songs drauf sind. Und man sagt dem dann zehn Jahre lang: Hey, du bist doch der Typ, der nur harte Songs macht. In die Richtung funktioniert das aber nicht, das funktioniert tatsächlich nur in die andere Richtung. Das ist doch auch interessant, oder? Dass Leute, die mal ein, zwei harte Songs machen, nie auf ewig damit identifiziert werden; die, die softere Songs machen, aber schon. Wir im Rap fischen da so hart in Klischees, stempeln Leute direkt irgendwie ab und stecken die irgendwo hin. Damit nehmen wir uns ganz oft die Möglichkeit, genau zuzuhören, was wirklich dahinter ist. Genau wie die Leute, die sagen: „Ich höre keinen Straßen-Rap, das ist alles scheiße“.  Die verpassen einfach ‘ne ganze Menge geile Sachen. Für mich persönlich ist es viel leichter, einen künstlerischen Zugang zu finden zu allen Dingen, die mit Melancholie zu tun haben als zu Dingen, die mit Euphorie oder Freude zu tun haben. Auch bei Musik, die ich selber höre. Das Gefühl von Melancholie ist für mich, was Kunst und Musik betrifft, am schnellsten und am klarsten zugänglich. Deshalb haben viele meiner Songs einen melancholischen Touch, selbst wenn sie nicht negativ sind. Das ist einfach ein Gefühl, was mich sehr schnell und intensiv berührt und bei mir etwas auslöst.

© Robert Eikelpoth

Das ist aber auch irgendwie nachhaltiger, oder? Ich hab früher tatsächlich viel Curse konsumiert und mir jetzt einige Sachen noch mal angehört – und das funktioniert tatsächlich immer noch. Bei „Nichts wird mehr so sein wie es war“ z.B. hab ich festgestellt, wie erschreckend aktuell das heute noch ist. Das kommt ja fast schon einer Prophezeiung gleich, die du da getroffen hast.

Ich glaube, dass, so viel sich auch ständig ändert, genau so langsam ändert sich der Mensch an sich. So wirklich grundlegende Veränderungen im menschlichen Zusammenleben dauern vermutlich Dekaden und Jahrhunderte. Ich schreibe meine Songs immer aus so einem aktuellen künstlerischen Wunsch heraus. Manchmal ist mir das auch gar nicht so wichtig in dem Moment, jetzt unbedingt eine bestimmte Message loszuwerden. Als ich zum Beispiel „Was ist jetzt“ geschrieben habe, war ich schon drei Jahre in einer glücklichen Beziehung. Das ist einfach ein Trugschluss, wenn Leute denken, in dem Moment wo sie dieses Lied hören, bin ich gerade mitten drin, in diesem Zustand.

Auch das ist so ein Beispiel, das nach all den Jahren noch krass gut funktioniert.

Ich liebe den Song auch! Aber das heißt ja nicht, dass ich, jedesmal wenn ich den spiele, wieder in diesem Gefühlszustand bin (lacht). Das war schon zu dem Zeitpunkt, wo ich es geschrieben habe, nicht mehr aktuell. Wenn man über grundlegende Dinge in menschlichen Beziehungen schreibt, wie Liebe, Beziehungen oder Freundschaft, dann muss man ja nicht immer genau in dem Moment in genau der Phase sein. Du brauchst ja nur einen künstlerischen Zugang. Ich hab „Was ist jetzt“ ja auch nicht mit dem Anspruch geschrieben, da ein Werk für die Ewigkeit zu schaffen, sondern das war eher so aus der Frage raus: Warum muss Rap eigentlich immer Drums haben? Das kann doch auch funktionieren mit nur einem Instrument und der Intensität der Stimme. Das muss möglich sein, wir machen das jetzt. Und dann habe ich mich mit Patrick, meinem Pianisten hingesetzt, und dann haben wir das gemacht. Das war weniger nur ein Text als vielmehr auch ein musikalisches, ein stilistisches Statement. Zu sagen: das geht. Wir brechen jetzt mal irgendwelche vermeintlichen Grenzen und machen das einfach so.

Durch das neue Album zieht sich als roter Faden das Thema Freiheit. Vor zehn Jahren hattest du  auch mal ein Album mit dem Titel. Hat sich dein Verständnis zu Freiheit seitdem verändert?

© Robert Eikelpoth
Ja. Ich glaube, es gibt zwei verschiedene Arten von Freiheit: die äußere und die innere Freiheit. Die äußere Freiheit ist, dass du zum Beispiel die Möglickeit hast, das Buch zu lesen, was du lesen willst oder dir deinen Wohnort, deinen Arbeitsplatz selber auszusuchen. Und auch da muss man eigentlich schon wieder differenzieren zwischen der gesellschaftlichen und der finanziellen, materiellen Freiheit. Da gibt es auch Unterschiede. Nur weil du in einer freien Gesellschaft lebst, heißt das noch lange nicht, dass du materiell die Möglichkeit hast, frei zu wählen, wo du arbeitest und wo und wie du wohnst. Mir selber ist in den letzten zehn Jahren aber die innere Freiheit sehr viel wichtiger geworden. Die ist nur zu einem sehr geringen Grad davon abhängig, was im Außen passiert. Ich glaube immer mehr, dass die äußere Freiheit ohne die innere nur sehr wenig Wert hat. Wenn die äußere Freiheit wirklich so maßgeblich wäre für unser Glück, dann wären wir in Deutschland unter den glücklichsten Menschen der Welt, weil wir mit unserem sozialen System, unserem Gesundheits- und Bildungssystem in einem sehr freien Land leben im Vergleich. Aber die Deutschen sind jetzt nicht gerade sonderlich happy. Deswegen glaube ich, dass die innere Freiheit und diese zu kultivieren mindestens genau so wichtig ist. Wenn nicht sogar wichtiger. Wir fokussieren uns viel zu sehr nach außen. Wenn wir was verändern wollen, dann machen wir Revolution und stürzen irgendwas um, gehen auf die Straße. Das ist total wichtig. Aber wenn ich fünf Stunden auf der Straße demonstriere, dann sollte ich mich auch fünf Stunden um meine innere Freiheit kümmern. Das habe ich in den letzten Jahren verstanden.  Das war zwar auch in früheren Songs wie „Entwicklungshilfe“ oder „Wahre Liebe“ schon Thema, aber so wirklich intensiv beschäftige ich mich damit erst seit ein paar Jahren.

Im Februar* spielst du in Leipzig – worauf freust du dich besonders?

Wir waren ja schon oft in Leipzig, haben früher auch schon viel im Conne Island gespielt. Und es ist immer eine extrem geile Show, ich erinner mich jedes Mal daran. Es gibt so Städte, immer wenn ich da spiele, dann ist es irgendwie strange. Leipzig ist eine Stadt, wo ich weiß, immer wenn ich da spiele, dann wird es cool. Deswegen freu ich mich sehr drauf, das ist noch mal ein schönes Highlight so kurz vor dem Jahresende.

Curse – „Die Farbe von Wasser“ – Tour 2018 

31.05.2018, 19 Uhr, Conne Island | Karten gibt es im VVK ab 21,50€

Termin in Berlin: 3.11.2018 – Gretchen 

*ACHTUNG: Das Konzert musste aus gesundheitlichen Gründen auf den 31. Mai 2019 verschoben werden und wird somit nicht wie geplant am 10. November 2018 stattfinden. Die Tickets behalten ihre Gültigkeit!