Lisa Eckhardt bei der Lachmesse in Leipzig „Ich muss komplett weltfremd vegetieren“ Lisa Eckhardt im Interview

Die bissige, junge Österreicherin hat uns verraten wie ihr vollkommene Abschottung zum Schreiben verhilft und weshalb sie dabei ist, ihre Zuschauer zu Lesern umzuerziehen.

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Mit scharfer Zunge, bissigem Humor und einer beeindruckenden Sprachgewandtheit bringt die junge Österreicherin ihr Publikum oft nicht nur zum Lachen, sondern auch völlig aus dem Konzept. Wie ihr vollkommene Abschottung zum Schreiben verhilft und weshalb sie dabei ist, ihre Zuschauer zu Lesern umzuerziehen, hat sie uns im Interview verraten.

© Franziska Schrödinger

Ihre Outfits sind ja immer sehr gewagt und eindrucksvoll, auch ästhetisch. Handelt es sich dabei lediglich um Bühnenoutfits oder sind Sie auch im Privaten so extravagant unterwegs?

Früher war ich das. Als ich noch nicht auf der Bühne war, da habe ich mich privat immer so angezogen. Das war auch sehr anstrengend und deswegen bin ich jetzt erleichtert, dass ich die Bühne habe, wo ich ich selbst sein kann und nicht mehr dauernd privat sein muss. Jetzt gibt es eigentlich abseits von der Bühne nichts mehr und da bevorzuge ich keine Kleidung. Bin da dann so leger wie möglich.

  

In einer Ihrer Shows sagten Sie, dass Kleidung nicht die Persönlichkeit ausdrückt, sondern nur verdeckt, dass man keine besitzt. Das würde ich bei Ihnen absolut nicht sagen, ich denke da steckt eine Menge hinter den Outfits. Drücken Sie sich damit aus?

Ich finde, sie kann nicht ausdrücken, was nicht vorhanden ist. Es ist schon eine Oberschicht, die in diesem Sinne nicht kompensieren kann. Ich will auch nichts Bestimmtes ausdrücken damit. Ich empfinde es eher als verstörend, dass es nicht von allen so gehandhabt wird – wenn man dann auf der Bühne ist und sich die Ästhetik der Worte nicht auf die Optik erstrecken kann. Ich persönlich habe das Bedürfnis, in jedem Aspekt, der auf der Bühne ist, diese Ästhetik nach außen zu tragen. Das ist, finde ich, eine intrinsische Verpflichtung des Künstlers und es verstört mich eher, wenn dem nicht Folge geleistet wird.

  

Dies verlangt ja schon eine ganze Menge an Selbstbewusstsein – nicht nur Ihre Kleidung, sondern auch im Allgemeinen auf der Bühne zu stehen.

Ich habe das nie als Selbstbewusstsein wahrgenommen. In Wahrheit beweist es vermutlich weniger Selbstbewusstsein auf einer Bühne zu stehen und ein Publikum nieder zu quatschen für drei Stunden (also fast schon diktatorisch!), als sich einem Dialog auszusetzen. Davor habe ich panische Angst (lacht). Vielleicht ist es sogar ein Mangel an Selbstbewusstsein, dass ich sage, ich kann nur in Situationen sein, wo mir Menschen gegenübersitzen, die verpflichtet sind zu schweigen. Das wird immer komplett verkehrt interpretiert, auch im Poetry Slam. So viel Selbstbewusstsein erfordert das gar nicht, es erfordert eher viel soziale Inkompetenz, dann geht das schon.

Also würden Sie von sich selbst behaupten, dass Sie eher introvertiert sind, was Ihr Privatleben angeht? 

Ja. Ja, extrem. Deswegen war für mich der Ausweg die Bühne, um zumindest noch mit irgendjemandem zu kommunizieren, der kein Widerwort spricht. (lacht) Aber ansonsten, nein, halte ich das sehr beschränkt.

Sie würden die Bühne also auch als eine Art Zuhause ansehen? 

Ja, auf jeden Fall. Genau da kann ich mich entfalten und muss es deswegen privat nicht mehr tun. Man kann somit privat also nur kompostieren und eine leere Hülle sein, die schreibt und dann auf der Bühne ein bisschen leben.

  

Das klingt irgendwie sehr traurig.

Das höre ich oft in Interviews und ich muss sagen, ich würde es mir zu keiner Sekunde anders wünschen, aber Menschen empfinden das als traurig. Das amüsiert mich wiederum sehr.

  

Hatten Sie immer schon dieses Bedürfnis, auf eine Bühne zu gehen?

Ja, ich glaube schon. Ich wollte immer ein Publikum, aber ich habe mir sehr lange keine Gedanken gemacht, was ich dafür leisten könnte. Ich habe mich jahrelang gefragt, wo sie denn jetzt bleiben, die Zuschauer. Es war natürlich heillos selbst überschätzt, weil ich nichts getan habe. Ich wusste nicht: Was ist meine Kunst? Was kann ich ihnen bieten? Aber ich dachte mir immer, sie müssen erst einmal kommen und dann überlege ich mir etwas. Das war vielleicht die falsche Reihenfolge. Aber ja, irgendwo tief drinnen hat es schon immer bestanden. Da war ganz sicher der Wunsch, sich irgendwie, sei es mit Worten, sei es mit Kleidung, darzustellen.

Wie kam es dazu, dass Sie nun tatsächlich auf die Bühne gekommen sind?

Was ich mir dachte, wo ich am wenigsten leisten muss, ist das Theater. Da wird mir gesagt was ich tun muss, bekomme fremde Texte und da kann ich mich eigentlich völlig gehen lassen. Dann habe ich auch für die Schauspielschulen vorgesprochen, aber da habe ich wiederum bemerkt, dass das nicht funktioniert – Ich kann keine freien Texte interpretieren. Dann habe ich eben begonnen zu schreiben und habe mich selbst mit diesen Texten auf die Bühnen gestellt und keine Vorsprechen mehr gemacht. Da hat sich das einfach so ergeben, die Leute haben plötzlich gelacht, was von meiner Seite aus nicht intendiert war. Aber deswegen haben sie mich eben ins Kabarett gesteckt. Das war alles ein hochgradiger Zufall, wie sich das ergeben hat.

© Franziska Schrödinger

Ihre Shows werden oft als bissig und charmant boshaft beschrieben. Oft überwiegt der Schock, bevor man sich ganz darauf einlassen und genießen kann. Wie gehen Sie mit den Reaktionen des Publikums um und ist das vielleicht sogar gewollt, dass Menschen eher nach Luft schnappen, statt zu lachen?

Nein, das war nie so gewollt. Also ich mag es eigentlich wirklich nicht, Menschen zu provozieren, sodass sie kurz nach Luft schnappen. Was ich auf der Bühne gemacht habe, war immer bedingt durch den geringen Kontakt zu meiner Umwelt, etwas wo ich mir dachte: „Das ist überhaupt nicht problematisch für die Menschen, das ist selbstverständlich, das werden sie schon leicht verdauen.” Dass dem nicht so ist, habe ich dann erst im Laufe der Zeit festgestellt (lacht), aber ich habe mich damit arrangiert.

Ich habe auch gemerkt, dass sich die Menschen sehr schnell adaptieren und damit zurecht kommen. Deswegen habe ich auch am Anfang versucht meine Outfits relativ schlicht zu halten und sie erst immer nach und nach an der Kern der Exzentrik heranzuführen, bis sie es ertragen. Mit diesem Nach und Nach haben wir denke ich einen guten Kompromiss gefunden. Ich bin noch nicht ganz wer ich bin auf der Bühne (lacht) aber die Menschen wissen: Okay, damit kommen wir zurecht.

Möchten Sie in der Zukunft auch weiterhin das tun, was sie jetzt machen?

Die Bühne ist für mich zeitlich beschränkt, das habe ich mir fest vorgenommen. Noch fünf, sechs Jahre, dann gehe ich in Frühpension. Insgesamt sind das noch vier Programme, das habe ich für mich beschlossen und dann würde ich das gerne inklusiver halten und wirklich in die Literatur gehen und Romane schreiben. Ich hoffe, dass der Zuschauer dann schon soweit erzogen ist, dass er auch als Leser existieren, meine Texte lesen kann und sich dabei genauso bedrängt fühlt, wie jetzt auf der Bühne. Noch kann ich ihn nicht allein lassen, aber bald ist es soweit und ich kann mich zurück ziehen. Jetzt würden sie noch etwas falsch interpretieren – noch zwei Programme, dann wissen sie wie das zu lesen ist.

Ihre Rhetorik und Wortgewandtheit ist wirklich schwer beeindruckend. Wann haben Sie denn für sich selbst bemerkt, welche Macht Sprache und Ausdrucksweise hat?

Das habe ich relativ früh bemerkt, weil ich immer versucht habe alle Fremdsprachen zu lernen. Dies war kurzzeitig während meines Studiums mein Ziel: so viele Fremdsprachen wie möglich zu lernen, weil ich irgendwie geglaubt habe, dass da der Schlüssel zu dieser Soziabilität ist, die mir abgeht. Irgendwann bin ich dann darauf gekommen, dass das nicht der Fall ist und da habe ich sofort mit den Fremdsprachen aufgehört und versucht die Muttersprache zu perfektionieren, was ja sowieso schon eine Lebensaufgabe ist und darüber hinaus. Da habe ich aber auch einfach festgestellt, dass einen die Sprache spricht und nicht umgekehrt. Das ist natürlich sehr spannend, wenn man eher im Dienst der Sprache steht und manchmal diese goldenen Momente hat, in denen man sich bestenfalls als Freier fühlt, aber das ist alles sehr flüchtig.

Ich denke, wenn man sich eingesteht, wie gering man ist in den Augen der Sprache, dann wird die Arbeit mit ihr erst wirklich lustig. Dann ist das die ganze Zeit so ein Ringen, so eine sadomasochistische Beziehung, die spannend ist.

Wie haben Sie sich diese Ausdrucksweise denn antrainiert?

Ich weiß gar nicht, ob das antrainiert wurde. Ich habe eine Zeit lang im Studium nichts geschrieben, nur gelesen und da habe ich einfach einen guten Überblick bekommen über all das, was ich nicht schreiben möchte. Ich habe es mir also ex negativo antrainiert, alles was mir missfallen hat an der Literatur – da hat sich langsam herauskristallisiert, was liegt mir persönlich, was würde mich amüsieren.

Letzten Endes schreibe ich glaube ich nur für mich, ich schreibe das, was mir immer gefehlt hat als Unterhaltung. Ich orientiere mich da maßgeblich an meinem Geschmack und ich glaube, das ist auch das Richtige. Dann kann man so fehl gar nicht gehen. Das schätzt das Publikum weitaus mehr, als wenn sie merken, dass man schreibt um ihnen zu gefallen. Das schmeichelt ihnen dann im ersten Moment, dann widert es sie heillos an.

Woher nehmen Sie die Inspiration für ihre Texte?

Im Endeffekt hat es sich als fruchtbar erwiesen, mich komplett abzuschotten. Jegliche Inspiration ist eigentlich eher immer eine Korruption. Ich muss komplett weltfremd vegetieren. Ich lese keine Zeitung, ich schaue kein Fernsehen, das hat sich einfach bewährt die letzten Jahre. Ich habe keine Ahnung, was draußen vorgeht und so hat man dann ab und an einen guten Filter für diese zeitlosen Themen, weil mich der ganze Unsinn nicht streift. Ich habe keine Ahnung über die Tagespolitik oder was die C-Promis machen – ich weiß es nicht. Das möchte ich auch wirklich machen, etwas das nicht abhängig ist von irgendeinem Zeitalter und in zehn Jahren vielleicht Untertitel und Fußnoten bräuchte, weil man es nicht mehr versteht.

  

Sie sprechen immer davon, dass sie so abgeschottet leben. Zählt dies auch für Ihre Familie, oder haben sie zu dieser ein doch enges Verhältnis?

Ja, zu meiner Mutter. Es ist ein sehr enges Verhältnis. Das finden auch viele schon unheimlich, ich glaube ich telefoniere täglich mit meiner Mutter. Ich würde keinen Text auf die Bühne bringen, den sie nicht gehört hat. Wir sehen uns zwar notgedrungen fast nie, aber den Kontakt kann ich nicht entbinden, sonst würde ich schnell den Verstand verlieren.

Völlig isoliert ist glaube ich etwas, das niemand durchsteht, das halte ich auch nicht für erstrebenswert. Es gibt eine, maximal zwei Personen, zu denen ich Kontakt habe und das ist dann natürlich dementsprechend innig. Ich will einfach keine lauwarmen Freundschaften, auf die ich mich nicht einlassen kann. Ich weiß, dass jeder menschliche Kontakt eine furchtbare Verantwortung ist und ich will dem einfach gerecht werden. Es ist eher eine Philanthropie und keine Misanthropie, was oft missverstanden wird. Weder enttäuschen, noch enttäuscht werden.

  

Haben Sie Vorbilder im Kabarett oder Poetry Slam? 

Wenn ich Menschen schätze, sind die meistens furchtbarster Mainstream. Ich nenne immer Menschen wie Falco oder Kinski, was viele überrascht. Sie erwarten immer sehr aparte Menschen, aber nein. Nein. Es fasziniert mich, wie aparte Menschen zum Mainstream werden können. Das finde ich ja gerade spannend. Was interessiert mich irgend eine arte-Kunstfigur. Es gibt einen, den letzten Dandy, den es wirklich gegeben hat, die einzige, wirklich fleischliche Inkarnation von Oskar Wilde: Quentin Crisp. Kabarettist will ich gar nicht unbedingt sagen, aber der hat etwas auf die Bühne gebracht, das ist reine Ästhetik, das ist reiner Stil, gepaart mit Humor. Also wenn ich ein Vorbild nennen müsste, dann wäre er es.

© Franziska Schrödinger

Lachmesse Leipzig

Vom 21. bis 28. Oktober dreht sich wieder alles um eure Lachmuskeln. Das Humor- und Satire-Festival kehrt zurück auf Leipzigs Bühnen und bietet den Besuchern eine gesunde Mischung aus politischer Satire, Kabarett, Musik und Comedy. Am Samstag, den 27. Oktober wird auf der Ur-Krostitzer-Lachmesse-Gala unter anderem auch Lisa Eckhart auf der Bühne stehen und einen Teil ihres Programmes „Als ob Sie Besseres zu tun hätten“ präsentieren. In unserem Gewinnspielbereich habt ihr die Möglichkeit, 2 x 2 Freikarten zu ergattern.

 www.lachmesseleipzig.wordpress.com

Termine in Berlin:

12. November 2018 | Wühlmäuse | Tickets

3. Dezember 2018 | Bar jeder Vernunft | Tickets

4. Dezember 2018 | Bar jeder Vernunft | Tickets