Das Ablegen des Ronny Interview: Trettmann

Neue Geschichten, warum Leipzig viel geiler ist als Berlin und was erwartet euch bei seinem eigenem Festival? Dies und mehr hat er uns in diesem Interview verraten.

Trettmann hat das Präfix „Ronny“ schon vor Jahren abgelegt – diese Geschichte ist auserzählt. Welche Geschichten er heute zu berichten hat, wieso Leipzig viel geiler ist als Berlin und was euch bei seinem eigenen Festival am 15. September in seiner Wahlheimat erwartet, hat er uns im Interview verraten.

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Du hast ja damals mit einer, nennen wir es „Blödel-Satire-Schiene“ angefangen, damals noch als Ronny Trettmann; hast aber über die Jahre sehr viel ernstere Töne angeschlagen und bist dort inzwischen ganz offensichtlich auch angekommen. War das ein Prozess, der aus dem natürlichen Älterwerden resultiert, oder ist Sächsisch auf Dauer einfach zu unsexy?

Das war einfach eine Spaßgeburt, das hatte kein Konzept. Geschweige denn, dass es darum ging, es überhaupt jemals zu veröffentlichen. Angeschoben hat das ein Freund von mir, der Ill Inspecta, dann ging das ziemlich schnell und ich hatte einen neuen Job (lacht) und habe mehr Geld verdient als bei allen, die ich vorher hatte. Das hab ich dann einfach durchgezogen. Aber wie du schon sagst: Das erschöpft sich dann. Ich hatte keine Ambitionen, wie Gottlieb Wendehals durch die Kante zu touren und ewig denselben Song zu singen. Nach anderthalb, zwei Jahren war das Ding für mich einfach durch und das war auch gut so. Es ist ja eh immer alles eine Entwicklung. Ich konnte halt noch mehr als das und wollte das dann auch zeigen.

Hat das auch mit einer veränderten Sicht auf den Osten zu tun? Das ist ja schon dein Background und allein dein ehemaliger Künstlername hat eigentlich jedes Klischee überstrapaziert. Wenn man „Grauer Beton“ hört, dann ist das eine sehr ernsthafte Auseinandersetzung – was nicht heißt, dass das nicht parallel oder nacheinander funktioniert, aber es klingt schon, als hätte sich deine Haltung dazu grundsätzlich nochmal verändert.

Früher war das ja eine Persiflage auf deutschsprachigen Reggae, so mit Rastafari und grünem Strickpullover und all dem. Diese Überstrapazierung der Klischees war quasi schon Anklage (lacht) und das hat sich ja auch alles schon vor elf, zwölf Jahren abgespielt. Wir reden da über einen Zeitraum von anderthalb, zwei Jahren, seit 2006 hat sich natürlich viel getan. Aber das, was sich in den letzten vier Jahren so konstant abgezeichnet hat, war zu der Zeit noch gar nicht ersichtlich. Das hat keiner geahnt. Insofern hat auch das Ablegen des Ronnys und all das schon sehr viel damit zu tun. Ich hab Sachsen nie gefühlt. Ich bin erschrocken, als unser Nachbar in Karl-Marx-Stadt damals auf einmal diese grün-weiße Fahne gehisst hat. Ich wusste gar nicht, was das ist. Wir sind ja alle als DDR-Kinder mehr oder minder ohne diese Landesgrenzen der Bundesländer aufgewachsen. Klar wusste man: Im Ferienlager, das sind Preußen, die sprechen anders als wir. Aber im Endeffekt hatte man das ja schon überwunden. Und dann gab es diese Rückentwicklung – und das sollte noch nicht alles sein (lacht).

Die Tendenz geht bei vielen Künstlern heute ja dazu, nach Berlin zu ziehen. Das ist hip, wird als Place to be gehandelt, wenn man was reißen will. Du wohnst weiter in Leipzig und suchst Berlin vornehmlich zum Arbeiten auf. Was ist für dich das Beste an beiden Städten?

Das Schöne an Berlin ist, dass man so gut linken kann, gerade wenn es um Musik geht. Man lernt innerhalb kürzester Zeit alle kennen, es gibt viele Studios. Es ist schon eine gewisse Atmosphäre, dort zu arbeiten, Songs zu schreiben. Es ist halt eine internationale Weltstadt, man kann sich auch zweimal in der Woche irgendeinen Ami-Act anschauen, oder wasweißich. Leipzig ist da eher so ein Ruhepol, einfach eine schöne Stadt. Ich wohne in einem Gründerzeitviertel, drumherum ist alles relaxt, hier kann ich mich von den Touren und Festivalwochenenden erholen.

Der Durchbruch kam bei dir, natürlich gemessen an der Zeit, die du schon Musik machst, ja relativ spät. Warum ist die Zeit gerade jetzt reif für Trettmann und inwieweit ist das „DIY“-Motto dabei Programm?

Ich bin einfach reifer geworden und auch die Zeit ist jetzt reif. Das war vorher nicht so. Ich hatte kein so gutes Team um mich herum wie jetzt, mit Kitschkrieg. Auch die ganze DIY-Schiene war noch nicht so weit entwickelt. Wir haben immer noch gelernt und haben uns mit unseren Aufgaben weiterentwickelt. Jetzt ist das anders, wahrscheinlich auch gerade weil es so gereift ist. Nicht nur in Bezug auf die Arbeit, sondern auch lyrisch und generell musikalisch. Wir stoßen da gerade irgendwie rein. Ich selber habe ja auch nie deutschen Hip Hop gehört, sondern immer nur Musik aus Übersee konsumiert. Damit hängt das sicher auch zusammen. Ich habe darüber einen sehr eigenen Sprachschatz und auch Style entwickelt. All das kommt zusammen, macht es zu dem, was es ist und das ganze Ding letztlich auch erfolgreich.

 

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Ist DIY ein grundsätzliches Lebenskonzept für dich?

Das kann man so sagen, ja. Natürlich gab es auch früher schon Bestrebungen, mit den Major-Labels zu dealen, aber die waren davon halt nie so richtig angetan. Vor vier Jahren haben die noch gesagt, „Autotune, nee, das landet bei uns in der Mülltonne“. Obwohl zu der Zeit viele internationale Acts schon damit gearbeitet haben.

Das hat mich streckenweise aber auch hart genervt, du bist einer der wenigen, wo ich mir das gut anhören kann.

Jetzt stell dir das mal vor, wie verrückt ist das denn: Du hörst Hip Hop und Dancehall und afrikanische Musik und alles verwendet diesen Effekt. Nur Deutschland, ein kleiner Fleck auf der Karte, wehrt sich immens, das Land, in dem so viele Musikstile erfunden wurden (lacht). Was soll ich dazu sagen, der Erfolg gibt mir ja auch Recht. Daher ist mir das eigentlich egal, wer das mag oder eben auch nicht. Tschuldi (lacht). Es ist halt ein Tool, das möglich macht, dass Leute auf einmal singen können, die eigentlich nicht singen können. Es ist ein Effekt, den ich schon in den Achtzigern mochte, bei Soul und Funk. Als der mit der Jahrtausendwende in urbaner Musik aufkam, hat mich das schwer daran erinnert, das trifft einen Nerv bei mir. Das ist ein bisschen Zeitgeist. Sowas wie E-Pianos und Stevie Wonder in den 60er Jahren. Da standen auch alle da und haben mit dem Kopf geschüttelt. Die Kids interessiert das nicht, die hören die Mucke auf dem Telefon und feiern (lacht).

Du hast ja lange andere Jobs gemacht, inzwischen lebst du von der Musik. Was war das Schlimmste, was du jobmäßig über dich ergehen lassen musstest?

Das Schlimmste war, morgens um 6 auf dem Industriewerk in Chemnitz zu stehen und da bei Minusgraden Fenster zu montieren.

Wow.

Ja. Das war mit so das Schlimmste, was ich gemacht habe, auf dem Bau. Ich bewundere es, dass Leute das so ein Leben lang durchziehen. Auf der Baustelle zu arbeiten, wär für mich überhaupt nichts. Man muss ja auch die Hände schön halten, für die Frauen (lacht).

Inwieweit hat dich dieser organische Aufstieg eigentlich geerdet? Heute passiert es ja sehr oft, dass vor allem auch junge Leute von jetzt auf gleich in den Fokus geraten und den großen Erfolg haben. Du wirkst irgendwie immer gechillter, je erfolgreicher du wirst. Wie kommt das?

Naja, alles was passiert, bestärkt mich halt auch in allem, was ich getan habe. Ich bereue auch absolut nichts. Alles geschieht aus einem Grund und die negativen Erfahrungen muss man wahrscheinlich auch sammeln, um damit happy zu sein. Es ist alles natürlich gewachsen, es gab nie diesen Boom, ein Hit von heute auf morgen und dann überall präsent. Ich hab mir das Step by Step erarbeitet und bin an den immer größer werdenden Bühnen ernorm gewachsen. Damit ist eigentlich alles wie immer (lacht). Das finde ich auch gut. Keine Ahnung, was passiert wäre, wenn ich jetzt über Nacht hype geworden wäre. Das bekommt ja nicht allen.

Darauf wollte ich raus. Du bist ja auch keine 18 mehr.

Eben. Da gab es auch Leute, die gesagt haben: Alter! Du hast noch so ein Fenster von zwei Jahren, mit dem Sound, den du machst, zu bestehen, das hat halt null Aussicht. Wir sind aber dabei geblieben, Kitschkrieg und ich. Und wir haben allen gezeigt, dass das geht. Insofern ist das auch eine Vorbildrolle. Lasst euch von keinem erzählen, ihr seid zu alt. Es geht. Bleibt dabei und macht euer Ding! Es gibt keine Regel für nichts. Auch die vermeintliche Jugendkultur Hip Hop, das ist Quatsch. Auch ein Jay Z erreicht in seinem Alter noch die Kids von der Straße, obwohl er mehrfacher Millionär ist. Man kann erfolgreich sein und trotzdem echt bleiben. Und alt werden auch dabei.

Du bist ja selber viel unterwegs, hast dir jetzt aber mit deinem eigenen Festival so ein kleines Highlight gezimmert. Mal mit einem Augenzwinkern gefragt: Was soll das?

Naja, im letzten Jahr habe ich diese erste DIY-Rutsche gespielt, dann folgte eine zweite und viele haben sich beschwert, weil sie davon einfach gar nichts mitgekriegt haben. Und es kam die Frage auf: Warum spielst du nicht in deiner Heimatstadt, was soll das? Das war mit ein Grund, den Leuten was zu geben. Und: Es ist toll, am Ende so einer Festivalsaison –wir spielen so um die 30 Festivals diesen Sommer – nochmal zuhause zu spielen. Und dann noch Open Air! Und all die Leute zu versammeln, es gibt ne Aftershow-Party, es ist ein Sonnabend, Leute können übers Wochenende anreisen und mit dem DJ in die Nacht reinfeiern. Und hey: Ich bin Leipziger! Das stand aus. Das muss gemacht werden.

Trettmann & Freunde Open Air

Das Open Air am 15. September im Täubchenthal Leipzig ist leider ausverkauft. Aber wir wären ja nicht urbanite, hätten wir nicht noch 3×2 Tickets für euch 😉 Teilnehmen könnt ihr hier

Und wer auch ohne Konzert ein wenig Trettmann-Feeling erhaschen will, kann dies bei der Trettmann Aftershow Party ab 22 Uhr im Felsenkeller, wo seine Tour-DJane Josi Miller auflegen wird.