Hipster Central – Rosenthaler Platz Kiez-Report: Rosenthaler Platz

Der Platz im Herzen Berlin hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Vom Weinanbau bis zur Start-up-Szene. Wir haben uns den Rosenthaler Platz einmal näher angeschaut.

Die Gegend rund um den Rosenthaler Platz ist einer der beliebtesten Orte Berlins, hier finden sich hippe Bars ebenso wie alteingesessene Kneipen. Ein Blick auf den Platz mitten im Herzen der Stadt.

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Zu voll, zu laut, zu eng“, sagen die einen. „Hier ist immer was los“, die anderen. Die Gegend rund um den Rosenthaler Platz hat sich in den letzten Jahren ganz schön gemausert. Noch Anfang der 90er Jahre gab es hier nicht viel mehr als ein paar Dönerbuden. Ende des 19. Jahrhunderts war dieser Ort jedoch schon einmal ein Ort des Vergnügens mit Kaffeehäusern, Kneipen und Theatern, wie zum Beispiel dem Schmalzstullentheater. Mitten drin das Rosenthaler Tor, benannt nach dem Bezirk Rosenthal, der heute zu Pankow gehört. Das Tor war bis Ende des 19. Jahrhunderts Teil der Zollmauer, die damals das Zentrum umgab, um Schmuggel und desertierende Soldaten aufzuhalten. Das Tor wurde 1866/1867 abgerissen, gab jedoch
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dem heutigen Platz seinen Namen. Der Rosenthaler Platz war immer ein zentraler, lebendiger Ort in Berlin, an dem sich nicht nur Straßen kreuzten. Im 1920er-Jahre-Roman „Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin spielt der Rosenthaler Platz eine
wichtige Rolle: Nicht nur am Alex, auch hier trieb sich Antiheld Franz Biberkopf herum und erschrak sich über die Menschenmassen (könnte ihm heute auch wieder passieren). Der U-Bahnhof Rosenthaler Platz wurde im April 1930 eröffnet, kurz nach der Wende war er etwa für ein halbes Jahr lang ein provisorischer Grenzübergang.

 

 Einmal rund um den Globus essen 

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Heute haben sich zahlreiche Restaurants, Cafés und Bars etabliert, auch der Easyjet-Set ist angekommen, mit einem eigenen Hotel in der Rosenthaler Straße und mit einer Unmenge an weiteren Hotels und Hostels in unmittelbarer Nähe. Zentraler Anlaufpunkt ist und bleibt vorerst wohl das St. Oberholz auf der Ecke Rosenthaler- und Brunnenstraße. Im zweistöckigen Café können Mitglieder im sogenannten Coworkingraum einen Arbeitsplatz mieten – rund um die Uhr. (Rosenthaler Str. 72a). Es geht das Gerücht, hier dürfe man nur mit Apple-Produkten arbeiten, aber das ist natürlich Quatsch. Rein kulinarisch kann man sich im Umkreis von nur wenigen Metern einmal um den ganzen Globus essen. Das überall in der Stadt so beliebte Streetfood hat hier auch eine mexikanische Variante: im Neta kann man sich seine Burritos, Tacos oder Quesadillas auch selbst zusammenstellen (Weinbergsweg 5). Die angefressenen Pfunde kann man sich leicht im nahen Weinbergpark bei einem Spaziergang wieder abtrainieren – der Park ist auch ein beliebter Treffpunkt für alle Rosenthaler.

Bis 1740 wurde hier sogar Wein angebaut 

Übrigens wurde hier bis 1740 Wein angebaut – daher der Name. Leider zerstörte ein sehr strenger Frost sämtliche

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Rebstöcke und der Weinanbau wurde komplett aufgegeben. Komisch, dass sich bis heute noch niemand für einen Neuanfang eingesetzt hat. Der bunte Mix aus Kiezmüttern und -vätern, die hier ihre Kinder ausführen, den Mitarbeitern aus den angrenzenden Büros (immer mehr Start-ups sind im Kiez) und den vielen Herrchen, Frauchen mit Hund, ist eine angenehme Abwechslung. Durch die vielen Sprachschulen in der Kastanienallee, was die Verlängerung des Weinbergsweges ist, ist hier immer sehr viel internationales Volk unterwegs. Die Sprachschüler trifft man in den Mittagspause zum Beispiel im Gogogi, einem stylischen koreanischen Restaurant, wo es so gut schmeckt, dass man darauf hoffen darf, dass das Gogogi auch dann noch da ist, wenn der aktuelle Korea-Food-Boom wieder abgeflaut ist. Neben der GLS Sprachenschule hat auch die Deutsche Akademie für Sprachen hier ihren Sitz sowie das Parlando Institut für Sprache und Kultur. Geht man in westlicher oder östlicher Richtung in die Torstraße, so gibt es auch hier einiges zu entdecken, darunter natürlich auch wieder neue schicke Hotels wie das Mani: Der schwarze Klotz ist kaum zu übersehen. In der Torstraße und den entsprechenden Nebenstraßen wird auch der Kunstgaleriefreund fündig – von Avantgarde bis zu old school ist hier alles vertreten. Und zwischendurch ein hipper Modeladen neben dem anderen. Ganz wichtig: Brillen! Egal ob man tatsächlich eine Brille braucht oder nicht, die Brille hat hier die Tasche als wichtigstes Modeaccessoire längst abgelöst. 

Essen für Forgeschrittene

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Schräg gegenüber des Hotels befindet sich ein sehr empfehlenswertes vietnamesisches Restaurant. Im Fam Dang (Torstr. 125) wird traditionell vietnamesisch, also nicht euro-vietnamesisch gekocht: durchweg frische, ordentliche Gerichte.Wer mal eben seine Wäsche waschen muss: im Waschsalon 115 gibt es neben den üblichen Waschvollautomaten obendrein auch noch Kaffee und Kuchen und ab und zu auch mal ein Jazzkonzert am Abend (Torstraße 115). Gleich nebenan ein weiterer Vietnamese, der sich auf Suppen und Reisteigrollen spezialisiert hat. Im Soup‘n‘Roll gibt es dabei jede Woche neue Kreationen (Torstraße 117), oft ist es in dem kleinen Laden jedoch so voll, dass man anderswo seine Mahlzeit suchen muss. Da wir hier ja bekanntlich an der Grenze zwischen Mitte und Prenzlauer Berg sind, dürfen auch die grünen kaltgepressten Säfte, Smoothies, Salate und veganen Mahlzeiten nicht fehlen.

Run, Forest! mit Fenchel, Sellerie und Spinat

Zu empfehlen im 100%-organic Daluma (Weinbergsweg 3) ist etwa der „Run, Forest“-Saft mit Fenchel, Sellerie, Spinat und anderem gesunden Zeug. Danach hat man auch deutlich weniger Skrupel, schräg gegenüber bei der Eisdiele Süße Sünde vorbeizuschauen (Weinbergsweg 22) – allerdings erst wieder, wenn es warm 

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ist, im Moment hat sich hier ein kleiner Schmuckladen eingemietet. In der Nähe: das 2006 gegründete Iyengar Yoga Institut mit umfangreichem Kursangebot (Torstraße 126). Unbedingt zu empfehlen neben all den kleinen Shoppingläden wie Extrafein, Shusta, Garments Vintage, Be Curious, oder The Optimistic Store ist ein Besuch in der urigen Kiezkneipe Pik As (Torstraße 114). Hier treffen sich Szenegänger und Kiezanwohner bei einer bodenständigen Molle – gerne auch morgens um drei Uhr. Etwas feiner, aber nicht abgehoben geht es in der Sharlie Cheen Bar zu (Brunnenstraße 196). Hier wird dann eher ein Whisky Sour gekippt. Das etwas heruntergekommene, sehr charmante Mein Haus am See (Brunnenstr. 197–198/Torstraße 125) mit 60er-Jahre Look hat DJs oder Livemusik im Programm und rund um die Uhr geöffnet. Gleich nebenan einer der besseren Burgerläden, die in letzter Zeit aufgemacht haben. Man kann sich ja kaum noch retten vor der riesigen Burgerwelle; hier im Rosenburger (Brunnenstr. 196) gibt es ausgefallene Burger und auch Klassiker wie den Chili Cheeseburger, der für 4,50 Euro ein Sattmacher ist. 

Schön den Weinbergsweg runterbiken 

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Wer keine Lust hat, den ganzen Kiez zu Fuß zu durchqueren, sollte mal bei Kultrad vorbeischauen. Hier gibt es die originellen Brompton-Falträder (Linienstr. 77) nicht nur zu kaufen, sondern auch zu leasen. Und übrigens kann man sich auch sein ganz individuelles Brompton zusammenbauen lassen. Aber Vorsicht mit dem Rad: das Gebiet zählte 2014 zu den gefährlichsten Ecken für Radfahrer in ganz Berlin. Und wo wir gerade beim Verkehr sind: der Weinbergsweg ist nach wie vor eine Sackgasse. Oft wird das vor allem von Autofahrern übersehen, die sich dann wundern, wenn sie plötzlich mitten auf der Kreuzung von der Tram und anderen Autofahrern eingekeilt werden. Und dass die Tram hier alles andere als Vorrang hat, kann man täglich während einer Fahrt mit der M1 erleben. Hier kommt es regelmäßig vor, dass man bis zu zwei komplette Ampelphasen für die Autofahrer abwarten muss, bevor es mit der Tram den Weinbergsweg hinauf geht. Die Gentrifizierung macht sich natürlich auch in diesem Kiez bemerkbar. So sind die sogenannten Citygardens Rosenthaler Platz in der Brunnenstraße 189 entstanden; 32 Wohnungen der gehobenen Klasse mit eigenen Gartenflächen, Dachterrasse, Tiefgarage, bodentiefen französischen Holzfenstern und knapp drei Metern Deckenhöhe. Der Quadratmeter für 3.250 Euro. 

Von Allem etwas, zum Beispiel Jazz im b-flat 

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Nochmal zurück zum zentralen Platz: das Fit am Rosenthaler Platz ist ein nach wie vor ziemlich beliebtes Fitnessstudio. Weitere erwähnenswerte Adressen sind hier etwa das Dudu, ein feines japanisches Restaurant mit schlichtem Interieur (Torstraße 134), das Sucre et Sel, ein französisches Restaurant im Bistro-Stil (Torstraße 132), die Sportsbar Tor 133, eine Raucherkneipe mit regelmäßigen Sport-Liveübertragungen (Torstraße 133), oder die BonBon Bar mit täglich wechselnden DJs (ebenfalls Torstraße 133). Und auf der anderen Seite des Platzes Richtung Alex das Café Rizo mit sehr guter Kaffee-Auswahl (Torstraße 119) und Richtung Hackescher Markt das NU Port mit asiatischen Hot Dogs (Rosenthaler Straße 71). Schließlich sei noch das b-flat erwähnt, ein Jazzclub mit täglich wechselnden lokalen, nationalen und internationalen Livebands (Rosenthaler Straße 13). Am Rosenthaler findet man von Allem etwas: Wllkommen in Hipster Central! 

Autor: Matthias Kirsch