Angenehme Scheißegal-Haltung Kontra K über die Wurzel allen Übels, die Rap-Szene und Bananen-Songs

Kontra K verrät uns im Interview, was die schlimmste Waffe ist, die man gegen sich selbst richten kann und warum Kinder immer dümmer werden.

© Niculai Constantinescu
Kontra K geht mit seinem neuen Album „Gute Nacht“ auf große Tour. Der 30-jährige verrät uns im Interview, was die schlimmste Waffe ist, die man gegen sich selbst richten kann, warum Kinder immer dümmer werden und was die Wurzel allen Übels ist.

Du bist kürzlich 30 geworden. Siehst du das Business und den Rap heute anders als in deinen 20ern?

Ja, aber das liegt nicht an den Dreißigern (lacht). Sondern wahrscheinlich eher an der Zeit, die ich insgesamt jetzt schon in dem Business bin. Da verändert sich einiges. Beziehungsweise wäre ich mit 25 so erfolgreich gewesen wie ich es jetzt bin, hätte sich meine Sicht auch schon verändert. Die Menschen verändern sich. Erfolg zeigt die wahren Gesichter. 

Eher die negativen Seiten?

Nicht unbedingt. Weil es ist ja positiv, dass man dadurch abgebrühter wird und nicht mehr so viel erwartet. Ich glaube, eine Erwartung ist die schlimmste Waffe, die man gegen sich selbst richten kann. Wenn man etwas von jemandem erwartet, weil man es selbst so tun würde, wird man in 99 Prozent der Fälle enttäuscht. Das liegt nicht unbedingt an den anderen Menschen, sondern an einem selber. Man lernt mit dem Alter und steigendem Erfolg, die Erwartungen an andere nicht so hochzuschrauben. Das macht vieles leichter. Das klingt jetzt vielleicht negativ, aber dadurch geht man mit allem viel lockerer um. Mir ist viel mehr scheißegal als früher (lacht) – im positiven Sinne. Mich macht es nicht mehr so traurig, wenn etwas nicht so klappt. Es lebt sich so einfach leichter. 

Das klingt, als würdest du den Menschen nicht vertrauen.

Es gibt auch sehr gute Menschen. Wenige, aber die gibt es. 

In deiner Jugend haben dich amerikanische Rapper wie Nas, 2Pac, Notorious BIG beeinflusst. Warum? Wie stehst du jetzt zu Ami-Rap?

Mir hat die ganze Kultur gefallen. Da war einfach viel mehr Leben drin. Heutzutage kann jemand einen Song über ’ne Banane machen, Autotune drüberlegen und die Kids feiern das. Ich komme aus einer anderen Zeit. Ich fand damals auch die Message gut. Das waren hungrige Rapper, die an ihren Skills gearbeitet haben. Und damals war es einfach cool, authentisch und gut zu sein, in dem was man tut. Heute vergessen die Leute das.

Und wie sieht es in der deutschen Szene aus? Hat dir eine andere Zeit besser gefallen als heute?

Eigentlich nicht. Dieselben, die da waren, sind größtenteils immer noch da. Aber es gibt viel Competition. Und das ist gut. Dadurch steigt auch das Musiklevel. Auch wenn weiterhin viele Bananen-Songs dabei sind (lacht), ist es trotzdem ein hohes Level. Das einzige, was mich stört, ist dass der Output zu hoch ist. Der Musikwert an sich geht verloren, weil die Leute vier Minuten an einem Song schreiben und alle fünf Minuten einen rausbringen. Trotzdem ist es gut so. Competition ist immer gut fürs Geschäft. 

Da du den Output ansprichst: Seit deinem Debüt hast du fast jedes Jahr neues Material rausgebracht. Wie kommt es, dass du so produktiv bist? 

Früher konnte man ein Album produzieren und zwei Jahre Pause machen. Heute siehst du Rap-Kollegen, die Pause machen, wegsterben, was CD-Käufe angeht. Leute, die gestern Legenden waren, sind nur noch Durchschnitt. Und die jungen Hungrigen, die viel machen, übernehmen das Geschäft. 

Bevor ich müde werde, haue ich meine Sachen raus. Erst wenn alle Schäfchen im Trockenen sind, kann ich mich schlafen legen (lacht). Jetzt habe ich Energie, ich habe Bock und vor allem Output – warum das nicht ausnutzen? 

 

© Niculai Constantinescu

Du sagst, man ist schnell weg vom Fenster. Setzt dich das unter Druck?

Jetzt kommen wir wieder zu den Dreißigern und die angenehme Scheißegal-Haltung. Wenn es klappt, klappt’s – wenn nicht, dann nicht. Ich habe in meinem Leben gerade einen hohen Standard und bin sehr glücklich darüber. Wer kann das von sich behaupten? Wer kann sagen, er hat einen Tiger gehabt oder alleine vor 10.000 Leuten gespielt? Wenn jetzt alles den Bach runtergehen würde, habe ich letztendlich immer noch was zu erzählen und kann stolz drauf sein, was ich erreicht habe. Und trotzdem habe ich noch Bock, einiges zu reißen. Ich mache mir keinen Erfolgsdruck, den sich wahrscheinlich viele machen. Dadurch wird man nicht unbedingt besser in dem, was man tut. 

Es ist sowieso eine interessante Zeit im Hip Hop. Die, die damit angefangen haben, werden älter. Man kann gespannt sein, ob die mit Mitte 50, 60 noch auf der Bühne rumspringen werden? Kannst du dir das für dich vorstellen?

Ich weiß es nicht. Was will Sido denn dann noch erzählen? Wir reden ja jetzt von den Sidos und Savas. Ich feiere beide. Die haben die Szene geprägt. Ich kann nur von mir sprechen, dass ich es mir nicht vorstellen kann … (bekommt Lachanfall) … mit 60 vor Leuten zu rappen. Es kommt darauf an, was man für Musik macht. Ich kann es dir nicht sagen. Gute Frage (lacht).

Die Frage ist auch, was erzählt man dann noch? Ihr habt jetzt ein sehr gutes Leben – wahrscheinlich ein besseres als eure Hörer.

Uh, das würde ich so nicht sagen. Ich wohne in der Stadt der Hyänen. Glaub mir, je mehr Geld, desto mehr Probleme – andere Probleme. Größeres Einkommen, größere Probleme. Ich habe ein geiles Leben, aber ich habe auch nie den Kontakt dahin verloren, wo ich herkomme. Auch wenn das viele denken und sich meine Musik verändert hat, bin ich immer – vielleicht sogar noch mehr – involviert als früher. Ich bin kein Drahtzieher mehr, aber ich habe meine Leute nie vergessen. Und die sind immer noch das, was sie waren.

Also meinst du, der Vorwurf, dass die Street Credibility verschwindet, sobald kommerzieller Erfolg eintritt, ist unberechtigt?

Kommt darauf an bei wem. Der Begriff Street Credibility ist heute im Rap eh nicht mehr so angesehen. Auf der Straße hast du die Kredibilität. Da kennen dich die Leute. Aber im Rap kann dir jeder erzählen, er schieße aus einem mattschwarzen Benz – irgendein Typ aus einem Dorf im Schwabenland. Ich bitte dich … Den Hörer interessiert am Ende des Tages auch nicht mehr, ob er aus dem Benz mit einer Wasserpistole schießt. Ich thematisiere so was nicht und habe wahrscheinlich mehr Street Credibility als die meisten da draußen. Aber ich bilde mir darauf nichts sein. Street Credibility? Scheiß drauf. Davon kann man sich auch nichts kaufen. 

Es gibt aber auch sehr viele reale Leute, bei denen feiere ich das. Deswegen supporte ich z.B. auch AK Ausserkontrolle. Wenn ich dann allerdings jemanden höre, der aus dem Ammergau kommt und so was erzählt, rollen sich mir die Fußnägel hoch.

Deine Texte sind gesellschaftskritisch und aus deinen Erfahrungen heraus. Was läuft deiner Meinung nach derzeit besonders schief? 

Awww, einiges! Wie viel Zeit hast du? Ich glaube, was besonders falsch läuft, ist, dass sich keiner um die Mittelschicht kümmert. Das ist, wie wenn die Bienen aussterben und das ganze Ökosystem kaputtgeht. Unser gesellschaftliches Ökosystem geht kaputt, weil sich keiner um die Mittelschicht kümmert, wie z.B. Lehrer und Krankenschwestern – um fördernde Berufe oder auch um die Bildung der Kinder. Die werden immer dümmer! Kein Wunder, dass die jedem glauben, dass aus einem mattschwarzen Benz geschossen wird und nicht wissen, was wirklich abgeht. Wenn ich daran denke, dass die später meine Rente sichern sollen – na danke …! Das ist so ein Barbara-Salesch-Berlin-Tag-und-Nacht-Publikum. 

Denkst du, es ist noch aufzuhalten oder dass es in eine andere Richtung gesteuert werden kann?

Kann es! Nämlich wenn dieser Ich-Gedanke aufhört. Dieses Ego-Denken ist die Wurzel allen Übels. Meins, meins, meins. Wenn auch Politiker anfangen würden, nicht in diesem System zu denken und zu handeln, dann ist es bestimmt aufzuhalten. Aber vielleicht ist es auch viel zu spät und wir sind alle am Arsch. Ich weiß nur, dass ich mir jeden Tag dieselben Fragen stelle wie einige andere auch. Und ich bin traurig darüber, dass es viele Menschen gibt, die sich diese Fragen nicht stellen. Wenn es mehr gäbe, die darüber nachdenken würden, hätten wir definitiv weniger Probleme.

Wie kommt es eigentlich, dass du als einer der wenigen keinen Beef mit anderen in der Szene hast? Du sagtest mal, dass du die Schweiz seist – wie bekommt man das hin?

Ich bin die Schweiz, ich habe meine Kanone in den Bergen (lacht). Nein, ich tue niemanden was. Das wissen auch alle. Ich bin entspannt. Wenn es was zu klären gibt, tue ich das fernab von hiphop.de. Es gibt keinen Grund, warum ich jemanden beleidigen sollte und es gibt keinen Grund warum mich jemand beleidigen sollte. Das sind so Kindereien. Die Leute nennen sich Hurensohn und geben sich morgen die Hand. Ach, sollen sie machen … das ist für mich so 6. Klasse-Style. Ich bin da raus. 

Ist es so einfach, sich rauszuhalten?

Vielleicht kommt ja auch noch der Moment. Aber meistens machen das die Leute doch nur bei denen, die sich nicht wehren können. Ich habe mal in einem Interview gesagt, dass falls jemand ein Problem mit mir hat, das auch gerne öffentlich austragen kann – mit Kameras im Boxring – vielleicht hat es auch damit zu tun (lacht). 

Apropos Boxen: Was bedeutet der Sport für dich?

Mir bedeutet das sehr viel. Das ist meine Ablenkung. Ich komme auch gerade von meiner ersten Einheit, um 18 Uhr ist die zweite. Ich bereite drei Jungs auf die Berliner Meisterschaften vor. Das macht mir Spaß. Es ist mein Ausgleich und das, was mich am Boden hält. Es ist mir auch wichtig, dass ich in diesem Bereich was für die Kids machen kann. Da kann ich was verändern. Ich kann Texte schreiben und ich kann boxen. Ich bin auch ein besserer Boxtrainer als Boxer. Die Kids hören auf mich und ich kann ihnen etwas mitgeben. Es geht in dem Sport ja nicht nur ums Kämpfen, sondern es ist sehr viel mehr: Zum Beispiel wie man sich benimmt und was Fairness ist. 

Du trittst in Leipzig und Dresden auf. Verbindest du etwas mit diesen Städten?

Total. Ich feiere den Osten übertrieben (lacht). Ich habe meine ersten CDs in diesen Regionen verkauft und auch meine ersten Konzerte dort gespielt. Anfangs waren da mehr Leute auf der Bühne als davor. Aber die vor der Bühne haben meine Sachen als erste gekauft. Berlin, Leipzig, Dresden sind meine Anfänge. Ich merke auch jedes Mal, wie stark das ist und wie schnell sich die Konzerte füllen, vor allem auch mit wie viel Herz die Menschen dort abgehen. Besonders im Gedächtnis ist mir ein Leipzig-Konzert: Da war ein Junge, der an Leukämie erkrankt ist. Es ging ihm richtig schlecht. Ich konnte ihn nur vor der Show einladen, weil die Infektionsgefahr für ihn zu hoch war. Diesen Sommer hat er mich auf dem Sputnik Spring Break Festival besucht. Es ging ihm wieder richtig gut und er hat die Krankheit überwunden. Das war wirklich schön und etwas, was ich nie vergessen werde.

 Live:  erleben könnt ihr Kontra K am 14. Dezember 2017 in der BallsportArena in Dresden, am 16. Dezember 2017 im schon lange restlos ausverkauften Haus Auensee Leipzig am 22. Februar 2018 im AMO Kulturhaus und am 24. Februar 2018 in der Max-Schmeling-Halle Berlin

Bei uns gibt’s übrigens auch Konzertkarten für Leipzig zu gewinnen.