„Lissabon könnte das neue Berlin werden“ – Daniel Haaksman im Interview

Wenn Berlin, dann Techno? Von wegen. Daniel Haaksman hat die Nase voll vom Klischee der in puncto Sound immer noch nur geradeaus pumpenden Bumm-Bumm-Bumm-Hauptstadt

© Lukas Gansterer

Wenn Berlin, dann Techno? Von wegen. Daniel Haaksman hat die Nase voll vom Klischee der in puncto Sound immer noch nur geradeaus pumpenden Bumm-Bumm-Bumm-Hauptstadt. Mit seinem neuen Studioalbum „With Love, From Berlin“ beweist der DJ, dass Berlin auch anders klingen kann. Wir trafen uns mit Daniel Haaksman zum Interview und plauderten über kunterbunte Sound-Postkarten, Hauptstadt-Vielfalt und die immer „größer“ werdende kleine Schwester von Berlin.

Auf „With Love, From Berlin“ fungierst du als Musik-Kurier. Die ganze Welt soll erfahren, dass Berlin mehr als nur Techno zu bieten hat. Wie kam es zu der Konzept-Idee?

Ich bin jetzt schon seit fast 30 Jahren als DJ in der ganzen Welt unterwegs. Überall, egal wo ich hinkomme, denken die Leute immer noch, dass Berlin in erster Linie für lupenreinen Techno steht. Dem ist aber schon ganz lange nicht mehr so. Viele Leute denken ja auch, dass Berlin die Geburtsstätte der Techno-Bewegung sei. Das stimmt ja auch nicht. Techno wurde bekanntermaßen in Detroit geboren. Aber das ist eine andere Geschichte. Fakt ist: Berlin hat musikalisch viel mehr zu bieten. Und genau das will ich mit diesem Album zeigen. 

Es geht dir aber nicht nur um die Außenwahrnehmung, oder?

Ich will zwei Dinge mit dem Album erreichen. Zum einen ist mir wichtig, dass der Welt da draußen ein anderes Musikbild von der Stadt Berlin präsentiert wird. Ich selbst habe Techno in den Neunzigern geliebt und gelebt. Aber in meinen Augen ist der lupenreine Techno schon lange tot. Da passiert nichts mehr. Das ist das Eine. Zum anderen geht es mir darum, den Leuten zu zeigen, dass innerhalb der Stadtgrenzen unheimlich viele talentierte, internationale Künstler am Start sind, die ein ganz individuelles Musikbild von der Stadt zeichnen.

Du hast die vielen verschiedenen Künstler auf dem Album gerade angesprochen. Wer hat da wen mit welchen Ideen konfrontiert?

Die Idee zum Album trag ich ja schon lange mit mir rum. Bezüglich der Songs habe ich mich einfach in meinem Freundes- und Kollegenkreis umgehört, wer denn vielleicht ganz besondere Gefühle, Gedanken und Emotionen mit der Stadt Berlin verbindet. Cibelle („Corpo Sujeito“) beispielsweise ist immer wieder total davon beeindruckt, wie offen und frei man in der Stadt seine sexuelle Identität ausleben kann. Bei Coco Maria („La Añoranza“), die ja aus Mexiko stammt, war das Thema Heimweh ganz lange präsent. Mittlerweile fühlt sie sich aber total wohl in der Stadt. Bei dem Song von Kalaf Angelo („Occupy Berlin“) geht es darum, wie man als Mensch aus Subsahara-Afrika in der Stadt zurechtkommt. Es gibt so unglaublich viele Facetten, mit denen man das Leben in dieser Stadt verbindet – vor allem aus dem Blickwinkel von Leuten, die zugezogen sind und internationale Wurzeln haben. 

Welche Gedanken und Gefühle verbindest du mit der Stadt Berlin?

Ich lebe hier jetzt seit 1998. Seitdem hat sich natürlich unheimlich viel entwickelt und verändert. Das ist, glaube ich, auch immer noch ein typisches Merkmal der Stadt, dass sie einfach nicht stillsteht. Egal in welchen Bereichen man zugange ist, überall ist immer alles permanent in Bewegung. Die Musikszene präsentiert sich immer breitgefächerter. Es gibt eine wachsende Afro-Musik-Szene. Es finden auch immer mehr Latino-Partys statt. Berlin ist unglaublich bunt und vielfältig. Diese Dynamik zieht natürlich viele Menschen an. Künstler, Intellektuelle, Touristen: Berlin ist für viele Menschen immer noch unheimlich inspirierend. Das ist toll. Ich liebe die Offenheit und die Energie der Stadt.

Wo Licht ist, gibt’s auch Schatten. Was nervt dich an Berlin?

Eine Folge des nicht enden wollenden Interesses an der Stadt, ist sicherlich, dass Berlin immer teurer wird. Die Mieten sind zwar im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen wie Paris oder London immer noch günstiger. Aber der Unterschied ist nicht mehr so groß, wie vielleicht noch vor zwanzig Jahren. Hinzu kommt, dass der Tourismus einige Stadtteile mittlerweile komplett für sich beansprucht. Rund ums Schlesische Tor oder auch am Hackeschen Markt und in Teilen von Neukölln spricht man in Bars und Restaurants fast nur noch englisch. Es gibt in diesen Gegenden auch kaum noch Clubs.

Du bist ja ein Globetrotter, permanent in der ganzen Welt unterwegs. Welche Stadt ist in puncto Entwicklung, Vielfalt und Dynamik mit Berlin vergleichbar?

Das ist schwer zu sagen. Wenn ich mir, aus welchen Gründen auch immer, Gedanken über einen Umzug machen müsste, dann würde ich – stand heute – wahrscheinlich nach Lissabon ziehen. Die Stadt ist zwar wesentlich kleiner als Berlin, versprüht aber ähnlich viel Energie. Außerdem markiert sie geografisch die Schnittstelle zwischen Europa, Afrika und Südamerika. Hinzu kommt auch noch, dass Lissabon noch wahnsinnig günstig ist. Es gibt ja viele Leute, die Lissabon als das neue Berlin bezeichnen. Da ist in vielerlei Hinsicht auch was dran.

Das Record-Release-Konzert steigt am 25.01.2019 Berlin im ACUD MACHT NEU. Daniel Haaksman legt selbst auf, ansonsten finden sich Cibelle [Live], Coco Maria [Live], Juba Music [DJ] und SHE’S DRUNK [DJ] im Line-Up.

www.danielhaaksman.com