"Wir wollen nicht politisch korrekt sein" Milliarden im Interview über Zukunftspläne und Starprobleme

Die Berliner Band „Milliarden“ besteht aus Ben Hartman und Johannes Aue. Die beiden Musiker mischen den Berliner Punk ordentlich auf, wir haben sie interviewt.

© Peter Kaaden

Eine Band, die sich Milliarden nennt und doch nur aus zwei Personen besteht, das sind Ben Hartmann und Johannes Aue aus Berlin. Das Punk-Duo setzt auf Kontraste zwischen wilden Sounds und poetischen Texten. Wir haben mit Johannes Aue über Zukunftspläne und Starprobleme gesprochen.  

Kennengelernt habt ihr euch zufällig bei einer Aufnahmeprüfung für die Uni. Der eine aus der Nähe von Bielefeld und Pianist, der andere aus Berlin und Mitglied einer Punkband. Wie kommt es, dass gerade ihr zwei eine Band zusammen gegründet habt? 

Wir wussten beide damals nicht so richtig, was kommt und haben gedacht: Lass uns einfach mal irgendwo bewerben. Da war dann auch eine Schauspielschule in Bochum dabei. Ben hat mich dort spielen hören und mich einfach angesprochen. Relativ schnell haben wir gemerkt, dass da etwas zwischen uns ist. Er ist allerdings tatsächlich nach Bochum zur Schauspielschule gegangen und ich nach Berlin. Wir waren also wieder weit auseinander, haben es aber trotzdem geschafft, diesen Kontakt über zwei Jahre zu halten. In dieser Zeit haben wir auch Musik miteinander gemacht und wurden immer besser. Also haben wir uns entschieden, das richtig auszuprobieren: Ben hat die Schauspielschule geschmissen und ist nach Berlin zurückgekommen. 

Geht ihr euch auch manchmal auf die Nerven? Was sind so Themen, bei denen ihr euch uneins seid? 

Wenn es um unsere Texte geht, sind wir uns sehr einig. Wir streiten uns aber gerne über Musik; wie wir etwas fühlen oder hören. Letztendlich sind wir keine ausgebildeten Musiker. Ich hatte früher nur ein bisschen Klavierunterricht, aber wir machen alles, auch das Schreiben, aus dem Bauch heraus. Was wir nicht wollen, ist, politisch korrekt zu sein. Wir wollen nicht den Zeigefinger erheben, sondern versuchen, etwas indirekt zu machen. Dabei geben wir den Hörern den Freiraum, mit unseren Texten zu machen, was sie möchten. 

Musikalisch hauen wir uns manchmal wirklich auf die Fresse, weil wir beide aus unterschiedlichen Richtungen kommen. Aber dieses Aneinanderprallen ist vielleicht auch das Gute. Trotzdem bin ich froh, dass wir uns textlich meistens einig sind. 

Schreibt ihr eure Texte gemeinsam?

Ben schreibt die meisten Texte. Ich habe es probiert und es ist absolut schwierig, Texte auf Deutsch zu schreiben, die man dann auch vorträgt. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man das so schreibt, wie man es meint und sich nicht hinter irgendwas versteckt. Ben kann das. 

Von kleinen Bühnen zum Opener bei Rock im Park und ein Auftritt bei „Inas Nacht“ – Macht euch der plötzliche Erfolg manchmal Angst? Und was macht ihr zum Ausspannen? 

Angst macht uns das in erster Linie nicht, aber wir sind oft erstaunt. Wir sind sehr froh, dass wir das in einer Gruppe durchleben und nicht als Solo-Künstler durch diese ganze komische Popwelt laufen. Wir empfinden es selber alles gar nicht als so schnell, weil Ben und ich uns schon 2011 kennengelernt haben und seitdem zusammen Musik machen. Geil ist auch, dass wir ganz langsam in diesen Live-Sektor reinwachsen. Und was uns da immer runterbringt ist einfach, dass wir keine große Crew und keine Kohle haben und dass wir auch die nächsten Jahre nicht viel Geld verdienen werden. Das heißt, wir sind darauf angewiesen, dass die Leute aufs Konzert kommen und sagen, wir machen gute Musik. Darauf konzentrieren wir uns. Und es hält uns auch am Boden, dass wir z.B. auch so Kleinigkeiten machen wie unser Merchandise zu verkaufen und den Leuten tatsächlich in die Augen zu schauen. Man kann mit fast keiner Kohle trotzdem viel machen. 

© Peter Kaaden
 

Wie geht ihr mit dem Hype um, der gerade stattfindet? 

Dieses krasse Hype-Ding bekomme ich nicht so mit. Wenn ich an Bands wie Drangsal oder Isolation Berlin denke, habe ich das Gefühl, dass die einen ganz anderen Hype erfahren, bei uns ist es eher schleichend.

So einen Hype spürt man als Musiker oder als Band vielleicht erst dann, wenn man an einen Punkt kommt wie AnnenMayKantereit oder Wanda. Wenn man kleiner ist, ist es eigentlich ganz angenehm. Man wird als Rockband im deutschen Raum nicht mit Starproblemen überhäuft, sodass man denken muss: Verdammt, ich kann nicht mehr vor die Tür gehen. Wir gehen ganz normal raus, einkaufen und das ist gut so.

In einem Interview (access2music.de) habt ihr eure Musik als kraftvoll und gleichzeitig zerbrechlich beschrieben. Ein Kontrast, der sich in vielen von euren Texten zeigt, besonders bei „Blitzkrieg-Ballkleid“. Woher nehmt ihr die Inspiration für eure Texte? 

Den Anstoß für diesen Text hat Ben gegeben. Daran hat fast die komplette Band mitgeschrieben, weil es mehr eine Collage ist aus den Dingen, die man beobachtet oder welche die Vergangenheit geprägt haben Und das sind Gefühle, schöne Wörter, aber auch aggressive und aufgeladene. Das kann man, glaube ich, eher als so eine Sichtart eines jungen Menschen in der heutigen Zeit beschreiben. Es ist Ben, der das schreibt, aber er beobachtet ja auch nur und schreibt es aus seiner Perspektive. Ich finde aber, dass man sich damit besser identifizieren kann. Nach dem Motto: Du musst etwas ändern. Dieses auf-sich-Beziehen in den Texten ist für mich sehr wichtig und es ist sehr schön, dass wir diesen Weg gewählt haben, um unsere Lieder zu schreiben. Das macht die Songs persönlich und angreifbarer.

Ich habe gelesen, dass sich Ben mal auf einem Konzert das Knie zerfetzt hat und ihr trotzdem kurz danach wieder aufgetreten seid. Ihr seid Musiker durch und durch, oder? 

Ja! Wir haben uns ja irgendwann entschieden, dass wir das hauptberuflich machen wollen, wenn man das überhaupt so sagen kann. Das ist schon eine ganz komische Welt. Zerfetzt klingt auch krasser, als es war. Für Ben war es aber extrem schmerzhaft, sich die Kniescheibe rauszuhauen. Es ist auf der Bühne passiert und wir mussten leider nach einer halben Stunde abbrechen. Das war scheiße, weil wir auftreten wollten. Wir hatten das Wochenende noch zwei weitere Konzerte, die wir absagen mussten, aber wir wussten nicht so genau, wie es weitergehen soll. Ben konnte einfach nicht laufen und die Show lebt von dieser Energie, die er hat.

Wir hatten dann am nächsten Wochenende unsere große Show und große Aufregung, weil wir im SO 36 in Berlin spielen sollten, vor 800 Leuten. Und dann haben wir ihm einfach einen Thron aus Schrott gebaut. Wir haben einen Einkaufswagen geklaut und alles dafür getan, dass Ben wieder mit auf die Bühne kann. In dem Moment sind wir wirklich Musiker durch und durch und sagen, verdammt ja, wir müssen das machen. 

Hast du einen Lieblingssong vom Album? 

Naja, es gibt mehrere Lieblingslieder, weil das ganze Album es erlaubt, auch mal laut und schnell zu sein und dann wieder ganz leise. „Schall & Rauch“ für mich ein wunderschöner Song. Der freut mich in dem Moment, wenn Leute den einfach mitsingen und ich ins Publikum gucke und den Song auch ein bisschen abgeben darf. Dann denke ich: Ach geil, hier sind Leute, die unsere Texte auswendig können. Die Leute singen mit mir und für uns.

 

© Vertigo/Kapitol

Dafür macht man das Ganze doch auch ein bisschen, oder? 

Ja, das ist krass. Wir bekommen manchmal Nachrichten über Facebook, ich glaube heutzutage gibt es gar keine Fanpost mehr. Und wenn man dann liest: „Eure Musik gibt uns so viel Kraft“ oder wenn jemand durch schwere Zeiten gegangen ist und auch durch unsere Musik wieder Kraft erlangt, ist das unglaublich. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas passieren könnte. Und das gibt einem selber dann auch wieder Kraft. 

Und wenn es mit der Musik vielleicht doch nicht so klappen sollte, auch wenn es im Moment anders aussieht, habt ihr einen Plan B?

Dann werden wir Stagehands bei einer anderen Band. Vielleicht für Schmutzki. Wir werden gucken, dass wir Fahrer werden. Ben wird Busfahrer und spezialisiert sich auf Nightliner, ich weiß es noch nicht so genau. 

Letzte Frage: Wie sehen eure Wünsche für die Zukunft aus? Habt ihr schon Pläne für den Sommer?

Für dieses Jahr wünschen wir uns, dass uns auf unserer Tour und den Festivals nichts passiert, auch den Leuten vor der Bühne nichts passiert. In Hamburg sind uns da zwei Leute mal ohnmächtig geworden. Das ist nicht so ein geiles Gefühl.

Wir wollen, dass viele Leute zu unseren Konzerten kommen und wir wieder richtig schön feiern können. Wir haben auch schon 20 Festivals und 20 Tourdates und werden die auch spielen wie wild. 

Dass die zwei wild können, beweisen sie schon in ihren Videos: 

+++Info+++

Milliarden live erleben könnt ihr auf ihrer „Betrüger“-Tour 2017: 

16. März 2017 in Huxleys Neuer Welt in Berlin

17. März 2017 in der GrooveStation in Dresden (AUSVERKAUFT)

30. März 2017 im Werk 2 in Leipzig 

19. April 2017 in der Factory in Magdeburg