Ein Gespräch über das Zeitalter der Dreiminüter, die ersten Band-Schritte und intensive Heimatgefühle „Wir haben damals etwas Neues eingeläutet“ – 2raumwohnung im Interview

Als Aushängeschild des deutschsprachigen Elektropops thronen Inga Humpe und Tommi Eckart alias 2raumwohnung nun schon seit zwanzig Jahren auf dem Branchengipfel. Pünktlich zu den Jubi-Feierlichkeiten schnüren die beiden Berliner ein Geschenkpaket: Nach Inga Humpes Buch „Wir trafen uns in einem Garten“ gibt es auch noch eine Studio-Werkschau („20 Jahre 2Raumwohnung“), zwei neue Songs („Das ist nicht das Ende Baby“, „Hier sind wir alle“) und eine Live-Tour

© Julija Goyd
Als Aushängeschild des deutschsprachigen Elektropops thronen Inga Humpe und Tommi Eckart alias 2raumwohnung nun schon seit zwanzig Jahren auf dem Branchengipfel. Pünktlich zu den Jubi-Feierlichkeiten schnüren die beiden Berliner für ihre Fans ein besonderes Geschenkpaket. Nach Inga Humpes Buch „Wir trafen uns in einem Garten“ gibt es auch noch eine Studio-Werkschau („20 Jahre 2Raumwohnung“), zwei neue Songs („Das ist nicht das Ende Baby“, „Hier sind wir alle“) und eine Live-Tour quer durch die Republik oben drauf. Wir trafen uns mit den beiden Projekt-Protagonisten zum Interview und sprachen über das Zeitalter der Dreiminüter, die ersten Band-Schritte und intensive Heimatgefühle.

Inga und Tommi, ihr feiert in diesem Jahr euer 20-jähriges Bandjubiläum. Ist das die logische Folge dessen, was ihr euch bei der 2raumwohnung-Gründung im Jahr 1993 vorgestellt habt, oder begegnet ihr euch dieser Tage eher manchmal mit ungläubigen Blicken?

Inga Humpe: Ich denke eher Letzteres. Natürlich steckten wir damals voller Energie und Hoffnung, und wollten auch, dass das alles irgendwie zündet. Aber dass wir jetzt nach zwanzig Jahren immer noch am Start sind, damit konnte nun wirklich keiner rechnen. So eine Entwicklung lässt sich nicht planen.

Ein Best-Of-Album passt natürlich perfekt zum Jubiläum. Auf „20 Jahre 2raumwohnung“ gibt es auch zwei neue Songs zu hören. Erzählt doch mal ein bisschen was über „Das ist nicht das Ende Baby“ und „Hier sind wir alle“.

Tommi Eckart: Nun, die beiden Songs sind sehr unterschiedlich. Während sich „Das ist nicht das Ende Baby“ in Richtung Synthie-Hymne bewegt, in der es um zerbrochenes Glas, Trennung und Versöhnung geht, präsentiert sich „Hier sind wir alle“ eher als ein Song mit atmosphärischen Vibes und einer inhaltlichen Weltanschauungsthematik. Im Grunde spiegeln die Songs auch irgendwie die ganze Band-Philosophie wieder. Uns sind Eckpfeiler wie Facettenreichtum und Vielseitigkeit unheimlich wichtig. Das war schon immer so. Die beiden neuen Songs zeigen, dass sich daran nichts geändert hat.

Apropos Vielfalt: Gibt es dennoch einen 2raumwohnung-Song, der eurer Meinung nach etwas außen vor steht und das große Ganze in drei Minuten perfekt auf den Punkt bringt?

Inga Humpe: Nein, den gibt es für mich nicht. Ich glaube, dass das auch einer der Gründe ist, warum wir als Band nach zwanzig Jahren immer noch relevant und erfolgreich sind. Wir sind nie festgefahren. Wir haben uns nie nur mit einer Ausrichtung beschäftigt. Wir waren immer offen wenn es um neue Einflüsse und Sounds ging. Und das sind wir auch heute noch. So erhält man sich den Spaß an der ganzen Sache. So kommt nie Langeweile auf. 

Spaß hättet ihr doch bestimmt auch mit einem komplett neuen Album gehabt, oder? Gab es diesbezüglich Überlegungen?

Inga Humpe: Nein, nicht wirklich. Wir leben ja mittlerweile in einer Zeit, in der die Album-Thematik mehr und mehr in den Hintergrund rückt. Ich meine, es kommen natürlich immer noch tolle Alben raus. Aber irgendwie stürzen sich ja alle nur noch auf einzelne Songs. Das ist eine Entwicklung, die vielleicht nicht jedem gefällt. Aber sie lässt sich nun mal nicht wegreden. Wir halten uns da jetzt erstmal noch zurück, beobachten die Entwicklung weiter sehr aufmerksam und schauen was passiert.

Tommi Eckart: Wir sind mit dem Thema Album jetzt nicht komplett durch. So ist es nicht. Jetzt war es einfach nur so, dass es sich so, wie wir es gemacht haben, am besten angefühlt hat. Wir haben unser Best-Of ja schon viele Jahre vor uns her geschoben. Jetzt war es einfach mal an der Zeit.

Zwei Jahrzehnte sind eine lange Zeit. Erinnert ihr euch noch an die ersten Erfolgsmomente?

Tommi Eckart: Auf jeden Fall. Die Phase, in der unser Debütalbum erschien, war ziemlich krass. Man hörte das Album plötzlich überall. In Cafés, aus Autos, aus irgendwelchen Wohnungen mit offenen Fenstern: Man konnte an jeder Ecke unsere Songs hören. Das war schon ziemlich faszinierend. Ich denke, dass wir damals viel in Gang gesetzt haben. Deutschsprachige Popmusik gab es zu der Zeit nicht viel. Es gab Hip Hop und Rock, aber nur sehr wenig modernen Pop. Wir haben da schon so ein bisschen was Neues eingeläutet.

Wie ist es heute um deutschsprachige Popmusik bestellt? Habt ihr ein gutes Gefühl? Oder bereiten euch bestimmte Entwicklungen Sorgen?

Inga Humpe: Wir stecken da gar nicht so tief in dem Geschehen drin. Wir haben unsere Club-Szene, in der wir immer noch präsent sind. Da kommt aber leider nicht mehr allzu viel Neues nach, was ein bisschen schade ist. All die anderen deutschsprachigen Projekte, die heutzutage am Start sind, all die neuen Sänger und Sängerinnen haben wir gar nicht so richtig auf dem Schirm. Das ist irgendwie eine andere Welt.

Eure Welt ist auch Berlin. Hier lebt und arbeitet hier. Immer noch der ultimative place to be?

Inga Humpe: Für uns schon. Das Tolle an Berlin ist ja, dass sich die Stadt immer weiter entwickelt. Das ist schon ziemlich faszinierend. Die Stadt lässt sich auch nicht unterkriegen. Natürlich ist es schade, wenn immer wieder Clubs geschlossen werden. Aber es entsteht auch immer sofort wieder etwas Neues. Ich finde, Berlin ist sogar noch weltoffener geworden. Das war ja schon immer so ein Pluspunkt. Aber das hat sich nochmal verstärkt. Man sieht jetzt noch mehr verschiedene Hautfarben auf den Straßen. Überall sprechen die Leute verschiedene Sprachen. Und an den Spätis „cornern“ die Kids bis spät in die Nacht. Das finde ich einfach super.

Tommi Eckart: Es ist auch immer noch so, wenn man im Ausland ist, und den Leuten erzählt, dass man aus Berlin kommt, dass die Menschen dann förmlich auf die Knie gehen. (lacht) Die Stadt hat wirklich einen sehr, sehr guten Ruf in der Welt. Und das auch völlig zu Recht.

Alternativen?

Inga Humpe: Ach, ich weiß nicht. Die Leute meckern immer, dass in Berlin zu viel gebaut wird, es zu viele Staus gibt und generell zu viel Chaos herrscht. Aber ich sage dir: In London, Paris oder Rom ist das alles noch viel schlimmer. Bei mir ist es oftmals so, dass wenn wir in Köln, München oder Wien sind, ich mir immer denke: Hier könnte ich mir eigentlich auch ein tolles Leben vorstellen. Sobald wir aber wieder in Berlin sind, sind solche Gedanken und Vorstellungen verflogen. Dann will ich nur noch in Berlin bleiben, weil es für mich keine schönere Stadt gibt.

Eine Stadt, in der man nicht nur gut musizieren, sondern auch vorlesen kann, richtig?

Inga Humpe: Richtig. (lacht) Wir, das heißt, ich und meine lieben Kollegen Helene Hegemann und Benjamin von Stuckrad-Barre werden im Februar (19.02., Anm. d. Red.) zusammen in der Volksbühne über mein  aktuelles Buch „Wir trafen uns in einem Garten“ reden. Da freuen wir uns schon sehr drauf. Tim wird auch dabei sein und nebenbei ein paar interessante musikalische Interludes beisteuern. Das wird bestimmt ganz großartig.