20 Jahre MiA: Mieze im Interview

Als Jubiläumsgeschenk dreht die Elektro-Pop-Band ihre Ehrenrunde durch Deutschland und schlägt im April getreu dem Motto „Nie wieder 20″ ihre Zelte auch in Sachsen auf.

Als Jubiläumsgeschenk dreht die Elektro-Pop-Band ihre Ehrenrunde durch Deutschland und schlägt im April 2018 getreu dem Motto „Nie wieder 20″ ihre Zelte auch in Sachsen auf. Mit uns sprach die quirlige Berliner Frontsängerin Mieze über die anfängliche Angst vor dem Pop-Rock-Gesang, das ewige Tanz-der-Moleküle-Korsett und warum MIA-Muffel ganz besonders herzlich willkommen auf der Tour sind.

Geschichte und Heimat

Wie habt ihr euch kennen gelernt?

Ganz klassisch als Schülerband. Der Andi und ich sind auf dieselbe Schule gegangen, auf das John-Lennon-Gymnasium in Berlin. Das ist eine sehr musisch orientierte Schule, ist es immer noch. Da gab es drei bis vier Schülerbands und wir fanden die alle saucool (lacht). Und da lag es dann nahe, auch eine Band zu gründen.
Ich komm aus der Klassik, hatte eine klassische Gesangsausbildung und war super lange im Kinderchor. Hab aber irgendwann gemerkt: Das ist ja gar nicht die Musik, die ich höre im Leben. Andi dagegen war da schon als Independent-Gitarrist unterwegs, als cooler Typ im Armeeparker und hat schon im Dance gespielt. Und da haben wir uns dann irgendwann zusammengetan.

Wie alt wart ihr da?
Ich glaube, 18?! 

Da hast du es aber lange in der Klassik ausgehalten.
Ja total. Was heißt ausgehalten – wenn meine Gesanglehrerin das jetzt hören würde! Für die gab es gar nichts anderes. Die hat mich richtig vor dem Pop-Rock-Gesang gewarnt, mir echt Angst gemacht damals. Zitat: „Klassik ist alles und wenn du in den Pop-Rock-Gesang gehst, dann hast du nach drei Jahren deine Stimme verloren.“ Ich hatte richtig Angst. (leicht ehrfürchtig) Ich habe das geglaubt am Anfang.

Und Andi hat dich dann aus der Klassik rausgeholt? 
Irgendwie schon. Mich hat diese Energie fasziniert, selber zu komponieren, selber Lieder zu schreiben. Das war in der Klassik nicht üblich. Da hat man immer nachgesungen. Der Selbstausdruck, das Erschaffen eigener Melodien, Gitarre spielen – das war mein Lebensgefühl und ist es auch immer noch.

Was bedeutet Berlin für euch?
Heimat. Berlin ist die Sonne, um die sich hier alles dreht. Berlin ist Inspiration. Wenn man lange nicht aus Berlin rauskommt, ist Berlin das Monster, die Maschine, die sich permanent bewegt. Berlin ist immer wach. Man hat das Gefühl, es gibt immer was zu tun und immer was zu verpassen.
Und wenn man mal rauskommt aus Berlin und dann wieder zurück, dann erscheint einem Berlin wie ein Dorf (lacht) – Auf der einen Seite klein und auf der anderen Seite braucht man manchmal Stunden, um sich innerhalb der Stadt zu bewegen, weil es doch ziemlich groß ist. Manchmal verlässt man Tage lang den eigenen Kiez gar nicht und denkt: Das gibt´s doch gar nicht, ich bin überhaupt nicht rausgekommen.
Schön. Ich lieb` Berlin sehr!

Heimat ist auch Familie. Wie kombiniert ihr MIA und Familie?
Das haben wir in den letzten Jahren gelernt. Wir touren zum Beispiel sehr familienfreundlich. Das ist uns wichtig. Ich weiß nicht wie es dir geht, aber wenn man innerhalb der eigenen Familie gut aufgestellt ist, sich gut versteht, Zeit für einander hat – dann hat man auch mehr Kraft auf der Arbeit. Ich kann ganz da sein und mich der Arbeit widmen. Wenn man dagegen Stress hat zu Hause, ist man immer mit einer Gehirnhälfte dort. Wir haben vor knapp 15 Jahren angefangen, familien- und lebensfreundlich zu touren. Wir sind immer drei bis vier Tage auf Tour und zwei bis drei Tage zu Hause. Das hat sich bewährt und es hat dazu geführt, dass wir das richtig lieben.

20 Jahre MiA

Die Tour steht unter dem Motto „Nie wieder 20″. Ist da eher Wehmut oder Freude an Bord?

Schön, dass du das fragst. Das ist wieder so ein typischer MiA-Titel und es bedeutet wie immer beides. So ist das Leben und so sind wir Menschen – voller Widersprüche. Auf der einen Seite wird man ein einziges Mal 20; meint dieses Jubiläum feiern wir einmal. Es ist unwiederbringlich und was ganz Besonderes.

Und auf der anderen Seite will ich auf gar keinen Fall zehn Jahre jünger sein als ich jetzt bin. Ich will das nicht, ich brauch das nicht nochmal. Das ist ähnlich bei den MiA-Liedern. Da will ich mich auch nicht wiederholen. Ich suche immer nach dem nächsten neuen Lied, dem neuen Text. So ist das auch im Leben und so ist das auch mit diesem Jubiläum.

„Wir sind vier richtige Dickschädel geworden!“

Gibt es Dinge, die sich verändert haben in den 20 Jahren und Dinge, die gleich geblieben sind?

Ich glaube das, was geblieben ist, ist was uns zusammenhält. Das ist der Kleber. Es gibt eine grundsätzliche Haltung zum Leben, die wir als Menschen teilen. Wir bringen eine gewisse Loyalität mit, eine ganz große Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Verbindlichkeit. Das ist Zufall, das hätte uns am Anfang niemand sagen können. Ich hätte vor ein paar Jahren gar nicht mit dem Finger darauf zeigen können. Ich merke, dass das etwas ist, was uns verbindet und schon immer verbunden hat.

Was sich ganz stark verändert hat, sind unsere Dickköpfe. Wir sind vier richtige Dickschädel geworden. (lacht) Jeder hat einen ganz eigenen Geschmack entwickelt und ganz eigene Bedürfnisse, was für ihn MiA erfüllen soll. Das ist bei der Eigenproduktion stark zu merken. Jeder denkt, er wüsste am besten wie es geht! Das ist so witzig – natürlich supernervig in dem Moment, aber mit Abstand betrachtet echt zum Totlachen. Jeder von uns denkt, das perfekte Lied klingt so wie er es im Ohr hat und nicht anders! Das hat sich sehr verändert: Die Identität. Wir alle haben eine ganz stark ausgeprägte Identität. Und das Coole ist: In dieser Band ist Platz dafür.

Stecken dort auch die Haupt-Zoff-Punkte?

Ja. Geschmack ist der Haupt-Zoff-Punkt. „Das Lied muss mit dieser Gitarre gespielt werden, weil…“, „Da darf auf gar keinen Fall Klavier rein, weil…“, „Oh Gott, wie kannst du denn diese Zeile gut finden, das ist ja der letzte Scheiß!“ Und ich sage selbst manchmal: „Dieses Lied und diesen Text gibt es nur, wenn ich diese Worte verwenden darf. Ansonsten kick ich das Ganze hier!“ (lacht schelmisch)

Hast du also das letzte Wort bezüglich der Songs?

Beim Text, ja! Das ist ja mein Innerstes, das ich nach außen kehre. Da muss ich für brennen und dahinter stehen – da mach ich keine Kompromisse. Ich finde aber auch, dass unser Gitarrist Andi für das, was er spielt, brennen muss. Ich möchte nicht, dass hier jemand einen Kompromiss lebt. Das ist nicht gesund und es muss solange gekämpft werden, bis wirklich alle Bandmitglieder sagen: Ja, das bin ich. Das ist die Musik und das ist unsere Quintessenz. Das ist bei jedem Album so. Da sind 13 Songs drauf und es gibt auch 60-70 Songs, die wir nicht veröffentlichen.

Greift ihr die nicht veröffentlichten Tracks dann irgendwann nochmal auf?

(lacht) Ich probiere es immer mal wieder und die Jungs auch. Man hat Lieblinge, die man wirklich über Jahre mitschleppt – vor allem wenn es ans nächste Album geht. Ich habe da wirklich Sachen, die ich jedes Jahr wieder vorspiele mit den Worten: „Das ist total geil, das müssen wir endlich machen!“ Und bei der Tour ist das eben auch so. Sechs Alben sind über 100 Lieder. Da wird dann jedes Jahr wieder ein Lied angeschleppt.

Ich schleppe zum Beispiel jedes Jahr das Lied „Du“ an – das liebe ich. Und ich bin der Meinung, das hätte ein Hit werden müssen. Aber das sehe nur ich so, das sieht sonst keiner so innerhalb der Band. (lacht) Ich schlepp das Lied einfach solange an, bis die Jungs mürbe sind und sagen: „Ja gut, dieses Jahr spielen wir es!“ Ich rechne mir für diese Tour keine großen Chancen aus, werde es aber probieren.

,,Wir haben uns schon vor ,Tanz der Moleküle‘ den Arsch abgespielt“

Hättest du damals gedacht, dass „Tanz der Moleküle“ so ein Langzeit-Brenner wird?

Nö! Nein, auf der Platte waren super viele Lieder. Ich habe an alle Lieder geglaubt. Wir haben damals genauso wie heute mit der Plattenfirma zusammengesessen. Da wir auf der Tour sowieso alle Lieder spielen, meinte ich nur: „Mir egal, sucht euch einfach eins aus, welches das meiste Potential hat.“ Und dann meinten eben mehrere, dass Tanz der Moleküle ein starkes Lied ist. Ich selber fand es genauso gut wie die anderen. Und so haben wir eben einfach das genommen. (lacht)

Fühlt ihr euch manchmal in ein „,Tanz-der-Moleküle’-Korsett“ gezwängt?

Das macht man eher selber. Wenn man mit einem Stück Musik so einen großen Erfolg hat, misst man sich selbst daran. Man denkt, der nächste Song muss genauso sein. Das ist aber auch in der Außenwahrnehmung so. Ich glaube, dass alle Lieder, die wir seitdem geschrieben haben, immer an Tanz der Moleküle gemessen werden. Das muss man nur wissen. Und schon kann man lockerer damit umgehen.

Musstet ihr das erst lernen? 

Ja! Das war am Anfang super schwierig. Aber der Erfolg der Platte „Zirkus“ kam ja nicht von ungefähr. Uns gab es ja damals schon knapp zehn Jahre. Wir haben uns vorher schon den Arsch abgespielt, waren immer überall. Wie so ein Wirbelwind. Das hat sich dann alles mit „Tanz der Moleküle“ gesund, richtig und verdient angefühlt. Und dann gab es natürlich auch viel Druck danach, man müsste den Hype jetzt nutzen.

Seit ein paar Jahren ist das wieder entspannter und selbstbewusster. Wir tun, was wir lieben, und das ist das größte Geschenk. 

Kommen euch selbst manche Tracks aus den Ohren?

Nö. Komischerweise gar nicht. Thema „Tanz der Moleküle“ : Es gibt keinen Track, zu dem wir mehr romantische Zuschriften erhalten – immer noch! Dieses Lied verbindet so viele Menschen. Und es gibt Kinder, die wegen diesem Lied Mia heißen. (sehr gerührt) Das ist so ein Geschenk. Das bewegt mich sehr.

Jetzt und Zukunft

Was dürfen wir erwarten vom Konzert?

„20 Jahre MiA“ bedeutet auf jeden Fall Lieblingslieder. Wir werden alle Lieder spielen, die wir lieben und für uns zur Geschichte von 20 Jahre MIA dazu gehören. Wir spielen aber auch Lieblingslieder der Fans. Wir haben schon nachgefragt, was sie gerne hören wollen. Es sind dabei überraschende Kandidaten herausgekommen – mit manchen muss man sich dann auch wieder ganz neu beschäftigen.

Habt ihr Nebenacts geplant, über die ihr noch nicht sprechen wollt, mit uns aber schon? 😉

Es ist tatsächlich noch nicht offiziell, aber ich möchte mir stolz geschwollener Brust und voller Vorfreude sagen, dass die Prada Meinhoffs unsere Vorband sein werden. Wir finden die schweinecool und freuen uns mit denen auf Tour zu sein. Mit Kollegen auf Tour zu sein und sich auszutauschen, ist immer eine intensive Erfahrung. Vielleicht springt ja auch das ein oder andere Lied dabei heraus.

Was darf denn „Nicht-Groupies“ animieren, trotzdem zum MiA-Konzert zu kommen?

Weißte was, ich liebe ja Zweifler. Ich liebe die Mitgeschleppten. Für die habe ich ein besonders großes Herz. Ich selbst wurde auch schon so oft auf Konzerte, auf Ausstellungen, ins Kino mitgeschleift und hatte überhaupt kein Bock. Das waren dann aber die besten Abende meines Lebens. Deshalb ist jeder Muffel besonders recht herzlich willkommen – es könnte der geilste Abend deines Lebens werden.

Du erwähntest mal, dass du mit Konzerten gern entfremden und den Anstoß zu weniger Panikmacherei geben möchtest. Wie gelingt euch das?

(sichtlich gerührt) Ja! Es bedeutet mir unglaublich viel. Man neigt in Deutschland immer mehr zum Fremdeln. Die Nachrichten sorgen ja auch dafür, dass man sich untereinander sehr misstraut. In einem Konzertraum kennst du die Leute auch nicht. Und plötzlich merkst du aber, man steht auf die gleiche Musik und grinst an denselben Stellen. Nicht immer, manche Lieder sind auch zum Heulen. Emotionen und Gefühle verbinden hier. Am Ende geht man dann raus und ist plötzlich gar nicht mehr fremd.

Das merkt man auch am MiA-Fanclub. Das waren ehemals einander fremde Menschen, die sich aber in der Musik und Energie finden. Die haben auch keinen Bock auf fremdeln. Die haben Lust auf Leben und Bock mit wachen Augen gemeinsam zu gehen.

Ich liebe Leipzig, ich habe da auch schon meine Anlaufstellen, wo ich lang spaziere und einen Kaffee trinken gehe – gucke, ob noch alles da ist.

Im April seid ihr in Leipzig. Freut ihr euch darauf?

Ich kann mich nicht erinnern, dass wir bei einer Tour mal nicht in Leipzig waren. Leipzig gehört für uns total dazu. Ich liebe Leipzig, ich habe da auch schon meine Anlaufstellen, wo ich lang spaziere und einen Kaffee trinken gehe – gucke, ob noch alles da ist. (lacht)

Gibt es ein Meet and Greet nach dem Konzert?

Das gibt es auf jeden Fall. Kommt dabei aber immer drauf an, wo wir danach in Deutschland hinmüssen. Was die Jungs aber zum Beispiel auch immer lieben – nicht nur nach, sondern auch vor dem Konzert – ist, durchs Publikum zu streifen. Mit Basecap, um mal zu gucken, was für Leute da sind und wie ist die Stimmung ist. Man erfährt so auch unglaublich viel über die Stadt. Ich bin dann immer ganz neugierig und frag wie es war (gewitzt). Wir kriegen immer mehr mit als die Leute denken. Wir werden oft gefragt: „Seht ihr denn überhaupt was in dem ganzen Scheinwerferlicht?“ Wir sehen sehr sehr gut! (lacht)

Was siehst du in den nächsten zehn Jahren für MiA?

Ich habe keine Ahnung! Nicht den leisesten Schimmer! Ich wünsche mir, weiterhin Musik zu machen. Das klingt so banal. Aber weißt du was, in der Realität bedeutet das eigentlich ganz schön viel. Wer Musik machen möchte, der braucht Zeit dafür. Ich wünsche mir weiterhin von und mit Musik leben zu können, weil mich das wirklich erfüllt. MIA ist die Spielwiese von uns und das Symbol von Freiheit. Und diese Freiheit möchte ich gern leben, auch in den nächsten zehn Jahren. Das wäre schön.

TERMINE 

DRESDEN 7.4.2018 – Alter Schlachthof

LEIPZIG 13.4.2018 – Täubchenthal

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