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Fritz Kalkbrenner im Interview: „Man ist immer an seine Zeit gebunden“

Fritz Kalkbrenner bereist mit seinem Album die ganze Welt. Trotz vollen Kalenders konnten wir ein wenig mit dem Berliner Multitalent plaudern.

Seit fast einem Jahr ist Fritz Kalkbrenner mit seinem aktuellen Album „Grand Départ“ auf Tournee und bereist dabei die ganze Welt. Am 28. Dezember macht er Halt im Leipziger Haus Auensee. Trotz vollen Terminkalenders bekamen wir die Chance, mit dem Berliner Multitalent zu sprechen.

Du bist in Ostberlin geboren und aufgewachsen. Wie hast Du deine Kindheit in der DDR wahrgenommen und was veränderte sich nach der Wende?

Meine Erinnerung ist nicht so spektakulär. Was man selber erlebt, ist eben immer die Normalität und nicht besonders exorbitant. Die Regeln in der DDR waren für mich quasi gottgegeben. Klar könnte man jetzt mit irgendwelchen Randnotizen anfangen und sagen: „Ich war Jungpionier!“ Das sind die Kinder in der heutigen Zeit nun mal nicht mehr. Das ist ein großer Unterschied, was die Kindheit betrifft – durchstrukturierte Jugendorganisationen.

Die Wende brachte mir vor allem die Berufsfreiheit. Wenn wir heute noch in der damaligen Situation wären, wäre ich kein Musiker, sondern Mechatroniker. So wie es jetzt ist, hätte es in der DDR niemals sein können.

Jahrelang hast Du als Journalist gearbeitet. Gab es einen Schlüsselmoment, in dem Du gemerkt hast, dass du Dich voll und ganz auf die Musik konzentrieren willst?

Meine Möglichkeiten haben das für mich entschieden. Musik mache ich seit meinem 17. Lebensjahr. Mit 19 wurde ich Journalist. Beides lief dann nebeneinander her. Dem Finanzamt war es egal, wie das alles verrechnet wurde, da beide Tätigkeiten freischaffend sind. Und irgendwann gab es den Zeitpunkt, an dem es mit den Auftritten einfach flüssig funktionierte und mir fiel auf, dass ich seit einem halben Jahr keine journalistische Arbeit mehr gemacht habe. Und de facto ruhte das dann irgendwann. Ich weiß nicht, ob ich jetzt nach zwölf Jahren ohne weiteres in den Journalismus zurückkehren könnte, aber es gab nie einen bestimmten Zeitpunkt, an dem ich sagte: „So jetzt lasse ich da aber die Finger von.“ Einige Musiker handhaben das so. In meinem Fall war ich plötzlich einfach busy mit meiner Musik.

Erinnerst Du Dich an deine erste Schallplatte?

Unabhängig von dem Kram, der bei meinen Eltern zu Hause stand, also selber gekauft? Da gehörte auf jeden Fall „Temples of boom“ von Cypress Hill dazu.

Wann bist Du das erste Mal mit elektronischer Musik in Berührung gekommen?

Bei mir gab es einzelne Stufen und Phasen. Dass so eine Art von Musik existiert, wurde mir ungefähr mit elf Jahren bewusst. Aber da spielte sie noch keine große Rolle, weil sie zu weit weg war. Zu der Zeit war Musik noch nicht wirklich medial rezipierbar. Es gab kein Netz, das man hätte nutzen können, um sich etwas anzuhören oder mehr darüber zu erfahren. Dafür hätte ich vor Ort im Club sein müssen. Und um an der Tür vorbeizukommen, war ich eben noch einen halben Meter zu klein. Mit 15 oder 16 bin ich aktiver geworden und habe mich wirklich für diese Art von Musik interessiert. Ziemlich schnell fing ich dann mit meiner eigenen Feldforschung an. (lacht)

Deine Musik besteht aus abwechslungsreichen elektronischen Beats und Gesang. In welches Genre würdest Du Dich selbst einordnen?

Ich würde das am liebsten gar nicht einordnen. Für mich ist dieser Bedarf, da jetzt eine Schublade aufmachen zu müssen, überhaupt nicht gegeben. In meiner Zeit, ich bin mittlerweile 36 Jahre alt, bedeutete Elektro auch noch was ganz anderes. Ich stoße mich ganz doll daran, dass Leute meine Musik einfach in diese Schublade stecken. Damit muss man aber irgendwie leben, dass Menschen, die nach einem kommen, den Sachen andere Labels geben. Rein technisch gesehen kann ich es aber verstehen, da ich mich sehr des House- und Technokosmos bediene, aber am liebsten würde ich da keinen Deckel drauf machen. Generell finde ich es sehr eingrenzend als Urheber zu sagen: „Meine Musik hat das und das zu bedeuten und muss genauso wahrgenommen werden, wie ich es vorgebe.“ Schöner ist es doch, wenn die Zuhörer für sich selbst beurteilen, was das für Musik ist und was sie aussagt.

Seit fast einem Jahr bist Du jetzt auf Tour. Was ist das Besondere an so einem Leben und was stört Dich manchmal daran?

Das wandelt sich ein bisschen mit der Zeit. Jetzt finde ich viele Dinge kacke, die ich früher toll fand und umgekehrt. Das viele Reisen hat mir früher die Augen übergehen lassen, irgendwann beruhigte es sich ein bisschen. Viele Künstler sagen über kurz oder lang, dass die Performance das ist, was Spaß macht, und man fürs Reisen bezahlt wird. Man ist einfach viel von Zuhause weg. Das ist aber auch eine Einstellungsfrage. Das ganze Gereise ist schon anstrengend und enervierend, gehört aber eben dazu.

Am besten sind immer noch die Shows an sich. Zeitlich gesehen sind sie aber der kleinste Bestandteil. Wenn man zum Beispiel in Singapur eine 1,5-stündige Show spielt, hat man eine 16-stündige Anreise. Das lässt sich nicht umgehen. Auch wenn ich einige Sachen nicht ganz so toll finde, habe ich keine Abscheu davor.

Gibt es eine bestimmte Show, die Dir ganz besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Vor einigen Jahren habe ich in Sydney gespielt in einem Keller, der für ca. 300 Leute gedacht ist. Es waren locker 60 Grad in dem Laden. Die ganze Zeit tropfte das Kondenswasser von der Decke, sodass ich alle paar Minuten mit dem Handtuch über den Controller wischen musste, damit es keinen Kurzschluss gibt. Nach der Show sahen alle aus, als kämen sie gerade mit ihren ganzen Klamotten aus der Badewanne. Das war ziemlich intensiv und lustig und ich erinnere mich sehr gern daran.

Dein erstes Album hast Du mit Anfang 30 veröffentlicht. Das ist, wenn man das Alter betrachtet, später als bei den meisten Musikern. Woran lag das und siehst Du es eher positiv oder negativ?

Im Nachhinein bin ich recht froh darüber. Man ist in diesem Alter schon eher eine gesetzte Persönlichkeit und ruht ein bisschen mehr in sich selbst als mit Anfang 20. Außerdem sieht man an dem einen oder anderen Beispiel, wie abträglich es sein kann, wenn sehr jungen Leuten, die eigentlich noch gar keine Erdschwere besitzen, mehr Aufmerksamkeit zukommt als ihnen gut tut. Das Leben ist lang. Wenn man jetzt mit 20 Jahren seinen großen Durchbruch erlebt und da nie wieder ran kommt, blickt man wahrscheinlich mit 80 Jahren voller Bedauern darauf zurück. Von daher habe ich keine schlechten Gefühle, dass es bei mir ein bisschen länger gebraucht hat. Ich war eben auch mit anderen Sachen beschäftigt und die Chancen ergaben sich später.

Was sind Deine Pläne für die Zukunft? Gibt es bereits ein neues Projekt oder Album, an dem Du arbeitest?

Ich arbeite ja immer fleißig. Aber wenn ich jetzt etwas ganz Bestimmtes hätte, würde ich noch nicht darüber sprechen. Das hält man immer ein bisschen im Dunkeln. Es ist aber nicht so, dass ich nach einem Album den Stift wegwerfe und sage: „So, fertig mit dem Leben.“ Das ist alles eine konstante Sache. Selbst wenn ein Album gerade in der Mischung ist und gemastert wird, sitzt man meistens schon wieder im Studio und bastelt ein bisschen vor sich hin. Eine konkrete Vorstellung, wo das Ganze im Endeffekt hinführen soll, gibt es aber noch nicht.

Woher nimmst Du Deine Ideen? Was inspiriert Dich?

Es reicht einfach, am Leben zu sein. Ich halte es für Schwachsinn, wenn jemand sagt: „Ich habe auf der Parkbank gesessen und den Vogel kacken sehen und dazu ist mir dann das Lied eingefallen.“

Die Ideen setzen sich aus der Tragödie des Lebens zusammen. Man muss einfach nur älter werden und die Inspiration kommt von ganz allein. Manchmal kriegt man ein schweres Gefühl in der Magengegend, manche Leute nennen das wohl Lebenserfahrung (lacht). Die kann man dann aus sich selbst rausholen und wiedergeben. Es muss aber an keiner genauen Stelle ein Eselsohr geknickt werden.

Also fällt Dir Deine Arbeit sehr leicht?

Ich sag mal so: ‚“Übung macht den Meister.“ In früheren Jahren war das Produzieren für mich eine sehr schwierige Angelegenheit. Bis ich da meinen Weg und meine Formsprache gefunden habe, verging einfach Zeit. Das kann man nicht abkürzen. Natürlich gibt es ein paar Musiker, die mit 17 Jahren schon den heißesten Scheiß raushauen. Dabei frage ich mich immer, wie die das hinkriegen. Bei mir war es leider nicht so. Das führte dann aber auch dazu, dass ich mein Handwerk beherrsche und es mir nicht mehr schwerfällt. Wie bei einem Tischlermeister. Der Lehrling sägt sich noch zwei Finger ab und bei dem Meister geht alles ganz einfach.

Du warst Journalist, Schauspieler, jetzt Produzent, Sänger und DJ. Gibt es irgendetwas, was Du unbedingt noch versuchen möchtest?

Nichts, woraus ich eine Profession machen will. Jeder guckt sich hin und wieder mal ein neues Hobby an, was er nebenbei machen möchte, aber es gibt nichts Umwälzendes, was mir unter den Nägeln brennt. Das, was ich mache, kann ich schon ganz gut und warum sollte ich dann damit aufhören? Es macht mir ja immer noch großen Spaß. Es gibt viele Leute, die so etwas machen wie ich, aber nicht hundertprozentig dafür geboren sind und lieber etwas anderes wollen. Das ist bei mir glücklicherweise nicht der Fall.

Am 28. Dezember kommst Du ins Haus Auensee. Gibt es irgendein Ereignis, welches Du mit Leipzig in Verbindung bringst?

Ich habe eine Zeit lang für den MDR gearbeitet, war für das Kulturmagazin Artour zuständig und habe selbst Interviews geführt. Von daher habe ich mich viel im Sender rumgetrieben. Meine Eltern haben auch in Leipzig studiert. Also die eine oder andere Ecke ist mir doch bekannt. War immer schön da.

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Gibt es die Distillery denn noch? Die fand ich früher echt ganz gut. Das hat aber auch viel mit meinen persönlichen Erinnerungen zu tun. Ob ich da heute noch so durchdrehen würde, ist fraglich. Man ist immer an seine Zeit gebunden.

Fritz Kalkbrenner – Grand Départ Tour 2017

28.12.2017, 20 Uhr Haus Auensee

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