Allgemein

Hingehört – Plattenkritik: Coldplay und Turbostaat

Turbostaat veröffentlicht Ende Januar ein neues Album? „A Head Full Of Dreams” ist vielleicht Coldplays letztes Werk? Klar, da müssen wir reinhören.

Hingehört I:

Happy End im Candyland: Coldplay – „A Head Full Of Dreams“

Hier ist es also, das vielleicht letzte Coldplay-Album. Die Spekulationen über das Ende hat Chris Martin selbst entfacht, als er einen Vergleich mit dem letzten Harry-Potter-Buch zog. Wie die Geschichte ausgeht, spoilert das Artwork allerdings gewaltig, selten hat ein Cover so sehr nach Happy End geschrien. Eine kunterbunte Collage umrahmt die Blume des Lebens, welche für Harmonie und positive Energie steht. Und genau so klingt das Album.

Nachdem Martin auf „Ghost Stories“ noch seinen Trennungsschmerz verarbeitet hat, zelebrieren er und seine Mannen nun das Gegenteil. Songtitel wie „Fun“ und „Amazing Day“ sprechen für sich, die Melodien des Titeltracks und von „Adventure of a Lifetime“ klammern sich freudig in den Gehörgängen fest und auf „Whohoho“-Chöre will Coldplay seit „Viva la Vida“ eh nicht mehr verzichten. Dabei entfernen sie sich immer weiter von ihren musikalischen Wurzeln und werden noch poppiger und pompöser, so

dass man sich bei all den Beats fragen muss, ob Will Champion eigentlich noch hinter einem richtigen Schlagzeug sitzt. Auch bei den Gaststars haben sich die Briten nicht lumpen lassen. Noel Gallagher, Avicii und Beyoncé sind aber lächerlich im Vergleich zu einem: Barack Obama. Ja, Mr. President hat sich für ein „Amazing Grace“-Sample auf „Kaleidoscope“ zur Verfügung gestellt.

So ist „A Head Full Of Dreams“ ein akustisches Candyland voller süßer Momente, die im Ohr kleben bleiben wie Karamell zwischen den Zähnen. Der Vergleich mit dem letzten Harry-Potter-Teil hinkt allerdings gewaltig. Dort mussten die Fans noch allerlei tragische Tode verschmerzen, bevor das letzte Kapitel ein wenig kitschig wurde. Coldplay zieht dies auf Albumlänge durch.

Marinus Seeleitner

Infos: Release: 04. Dezember 2015

Hingehört II:

Frau Semonas Punk-Märchen: Turbostaat – „Abalonia“

Die Altpunker sind zurück. Zwei Jahre nach ihrem letzten Album schmeißen Turbostaat wieder eine Platte in die Menge. Ende Januar erscheint „Abalonia“ und es ist das wohl tiefgründigste Album des 16-jährigen Bandbestehens. In einer Geschichte werden die aktuellen Ereignisse erzählt, die bei der Entstehung noch in den Kinderschuhen steckten. Spaziergänge besorgter Bürger gab es noch nicht, die Flüchtlingskrise war noch nicht abzusehen. Doch die Jungs um Marten Ebsen und Jan Windmeier beweisen Weitsicht und haben ein Album fertiggestellt, das an Aktualität nicht zu übertreffen ist.

Der Opener der Platte, „Rupperts Grün“, ist ein Punkrock-Epos, wie wir es von Turbostaat kennen. Wahrlich eine Hymne. Obwohl sich die Geschichte des Albums bestens in die aktuelle Zeit übertragen lässt, bekommt man beim Hören den

Eindruck eines Fantasy-Märchens. Untermalt mit dem krachenden Sound, den guter Punk braucht. Stammproduzent Moses Schneider hat wieder großartige Arbeit geleistet. „Der Wels“ ist wohl der Song, der am deutlichsten das Gesicht einiger Bewegungen zeigt: „Im Dunkeln liegt die Oper / Die Stadt doch viel zu nett / Für die hässlichsten Gedanken in euch.“ Ob gewollt oder nicht, unweigerlich denkt man hier an die Dresdner Semperoper.

„Abalonia“ erzählt die Geschichte der fiktiven Frau Semona, die zu neuen Ufern aufbricht und ein besseres Leben sucht. Und wie viele moderne Märchen lässt „Abalonia“ das Ende offen und Frau Semona blickt weiterhin in eine ungewisse Zukunft. Eine runde Sache ist die neue Platte der Jungs in jedem Fall und definitiv eine, die im Plattenregal stehen sollte – zumindest für Freunde des Punkrock.

Jana Koopman

Infos: Release: 29. Januar 2016

Schreibe einen Kommentar