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Jana Crämer im Interview

Jana Crämer hat ihrer Essstörung den Kampf angesagt: 
Auf „Endlich ich“ bloggt sie über Weg zurück 
in ein normales Essverhalten – unterhaltsam, ehrlich und mutig. Ihre Geschichte hat die ehemalige 
Managerin der Band Luxuslärm im Roman 
„Das Mädchen aus der 1. Reihe“ aufgeschrieben –
ihr bester Freund und Ex-Luxuslärm-Bassist David Müller aka Batomae schrieb einen Titelsong dazu. 
Im Mai gehen die beiden mit ihrer gemeinsamen Konzertlesung auf Tour und machen auch Halt in der Groovestation Station. Wir haben mit Jana 
übers Fan-Sein, veränderte Blickwinkel und Bauchgefühl statt Bodymass gesprochen.

Jana Crämer hat ihrer Essstörung den Kampf angesagt: 
Auf „Endlich ich“ bloggt sie über Weg zurück 
in ein normales Essverhalten – unterhaltsam, ehrlich und mutig. Ihre Geschichte hat die ehemalige 
Managerin der Band Luxuslärm im Roman 
„Das Mädchen aus der 1. Reihe“ aufgeschrieben –
ihr bester Freund und Ex-Luxuslärm-Bassist David Müller aka Batomae schrieb einen Titelsong dazu. 
Im Mai gehen die beiden mit ihrer gemeinsamen Konzertlesung auf Tour und machen auch Halt in der Groovestation Station. Wir haben mit Jana 
übers Fan-Sein, veränderte Blickwinkel und Bauchgefühl statt Bodymass gesprochen.

 

Die Idee der Konzertlesung ist ja eine relativ neue, du und Batomae seid quasi die Vorreiter dieses Konzepts – warum funktioniert das so gut?

Bei uns bietet es sich einfach total an, da wir nicht schauspielern müssen. Unsere Leben sind so sehr miteinander verschmolzen, da ist es total schön, dass auch unsere Kunst auf der Bühne verschmelzen kann. Wir sind beste Freunde und unsere Leben haben so viele gemeinsame Dreh- und Angelpunkte.

Das klingt nach einer sehr emotionalen Reise, auf die ihr euer Publikum da mitnehmt.

Absolut. Wir erleben es immer wieder, dass an so einem Abend Emotionen raufgeholt werden, mit denen niemand gerechnet hat, der auf eine „ganz normale“ Konzertlesung eingestellt war. Das ist ein Feedback, das wir sehr oft bekommen: „Ich habe noch mehr mitgenommen als einen schönen Abend, meine Sicht auf bestimmte Dinge hat sich total verändert – das hatte ich so nicht erwartet“.

Wie sieht denn dieser veränderte Blickwinkel aus?

Viele sagen, dass sich ihr Blick auf sich selbst verändert hat. Dass sie Dinge  viel bewusster, mit mehr Wertschätzung wahrnehmen und nicht mehr als so selbstverständlich betrachten. Dass sie sensibler für sich selber werden und sich wieder mehr wünschen, bei sich zu sein und auf ihr Bauchgefühl zu hören, statt sich Schönheitsidealen zu unterwerfen. Viele sagen auch, sie seien rausgegangen und haben gemerkt, wie vielen Zwängen sie eigentlich unterliegen und in welchen Erwartungshaltungen sie feststecken. Es gibt Leute, die sagen: Ich hab die ganze Zeit überhaupt nicht gewusst, warum ich immer so unglücklich bin, nur dass es so ist. Nach eurem Abend weiß ich, warum ich wieder glücklich sein kann.

Funktioniert das auch in eine andere Richtung? Frauen werden heute ja leider immer noch vor allem danach bewertet, wie sie aussehen, was sie wiegen und womöglich noch, wie sie sich kleiden – bekommt ihr auch Feedback, dass Leute ihre „Bewertungsschemata“ hinterfragen und überdenken, nachdem sie deine Geschichte gehört haben?

Nicht so konkret, aber eine Frau hat uns mal geschrieben, dass sie eigentlich immer voller Vorurteile war, seit dem Abend aber den Menschen anders gegenübertritt und

versucht, sie nicht nur nach dem Äußeren einzuordnen und zu bewerten, sondern danach, was sie erlebt und was sie zu erzählen haben.

Wissen denn die meisten nicht eigentlich schon vorher so im Groben, was sie erwartet?

Schon. Aber viele kommen natürlich auch, weil sie einfach Bock auf ein schönes Konzert haben. Das ist ja auch das, was an dem Abend überwiegt. Das ist auch ganz wichtig, weil so viele Emotionen hochkommen. Es muss Gelegenheiten geben, wo die Emotionen raus können, wo die Leute feiern und tanzen können und den Druck und die Anspannung rauszulassen. Das geht ja richtig ans Eingemachte, das ist definitiv keine Veranstaltung für Kinder. Wo Worte enden, beginnt die Musik. Du kannst mit Worten so vieles machen, aber die Musik braucht es, damit die Gefühle fliegen können.

Wie emotional ist es denn für dich, diese Momente immer wieder zu durchleben?

Es ist immer wieder spannend, weil es komplett verschiedene Situationen sind, die mich dann wieder einholen. Manchmal kann ich eine Stelle wunderbar lesen und mich erinnern wie es war, manchmal überwältigt mich die Erinnerung aber auch so sehr, dass ich auf der Bühne anfange zu weinen. Alleine würde ich mich nicht auf die Bühne setzen. Ich hätte Angst, zusammenzubrechen.

Nachdem du dein Gewicht halbiert hast und das Feedback kam, jetzt müsse ja alles gut sein, hast Du auf dem Blog eine Reihe von Aktfotos von dir veröffentlicht. Mit den Bildern sagst du: Nein, gar nichts ist gut, zeigst, dass eine Essstörung auch körperliche Narben hinterlässt. Du hast gesagt, ohne den Support von Batomae hättest du das nicht gemacht. Siehst du das nach der überwältigend positiven Reaktion auf die Bilder heute anders?

Auf keinen Fall. Niemals hätte ich das ohne ihn gemacht. Ich finde es aber auch nicht schlimm. Mir einzugestehen, dass ich diesen Weg, den ich da gehe, alleine nicht gehen könnte oder würde, ist nur ehrlich. Ich weiß, dass Bato sich wünscht, dass ich stärker werde und mich weniger hinter ihm verstecke, ihn weniger brauche. Wie sehr er sich freut, dass ich inzwischen auch mal Komplimente annehmen kann. Er ist stolz, wenn ich stolz sein kann. Aber er findet es auch ok, wenn ich einfach mal nur die Kleine bin, die sich anlehnen will, weil gerade die ganze Welt gemein ist. Es ist nicht schlimm, wenn ich auch mal einen schwachen Moment habe. Ich bin sehr dankbar, dass ich keine Maske tragen muss. Ich bewundere das sehr, wie die Jungs das auf Tour händeln können. Ich bin kurz vor dem Auftritt ein nervliches Wrack (lacht). Wenn ich dann aber beim Konzert in der ersten Reihe stehen und mit den Fans feiern und in die Musik abtauchen kann, dann bin ich der glücklichste Mensch der Welt. Auch für mich ist dieser Abend eine Achterbahn der Gefühle. Ich bin zwei Personen (lacht). Das Konzert ist auch für mich die Belohnung und die Auszeit vom Psycho-Fuck.

Ihr lest auch in Schulen, leistet so einen wichtigen Beitrag zur Präventionsarbeit im Hinblick auf Essstörungen und Mobbing. Hättest du dir sowas zu deiner Schulzeit auch gewünscht?

Ja. Vor allem, dass man sich dem Thema nicht nur mit Ernährungspyramiden und BMI-Rechnern nähert, sondern dem Ansatz folgt, auf sein Bauchgefühl zu hören. Mein Bauchgefühl hab ich komplett verloren. Da ich selbst Betroffene bin, ist der Zugang ein völlig anderer. Wenn da jemand kommt und mit erhobenem Zeigefinger eine Lösung präsentiert, schalten die Schüler komplett ab. Lehrer und Schulpsychologen sagen, dass Fitnesscoachs oder schlanke Frauen, die in die Schule kommen und da ein bisschen Ernährungsberatung machen, keine Identifikationsfläche bieten.

Was bedeutet für dich Fan-Sein?

Das ist meine Auszeit vom Leben und von mir selbst. Ich bin so oft überfordert von mir und dem Leben, dass ich mit Musik einfach nur abschalten und mich wieder spüren kann. Wenn ich beim Essen schon kein Gefühl habe, spüre ich aber bei der Musik, wie der Bass im Bauch wummert. Wenn ich vor einer Bühne stehe, dann lebe ich. Dann bin ich einfach nur glücklich.

Du hast die Band Luxuslärm, in der David Bassist war, gemanagt, eigentlich warst du aber selbst Fan. Wie wird man vom Fangirl zur Managerin?

Ich war einfach ein sehr gut organisierter Fan mit vielen guten Ideen (lacht). Irgendwann hat Götz, der Produzent, gesagt. „Hey, du machst das so gut. Ich möchte, dass du deine Seele da reinlegst und die Band managst.“ Ich hab dann einfach Tag und Nacht viel Zeit Investiert und das gemacht, was ich liebe. Dinge, die man liebt, macht man gut.

Wirst du bei eurem Dresden-Gig Zeit haben, ein bisschen in der Stadt herumzustromern? 

Wir haben nie Zeit uns was anzuschauen. Aber wenn ich ehrlich bin: Ich genieße es eh viel mehr rauszugehen, zu den Fans, die schon viel länger am Club warten als wir. Mich mit den Fans in die Sonne zu setzen, zu quatschen und wieder das Mädchen aus der ersten Reihe zu sein.

Info: 25.5 | 20 Uhr | GrooveStation | Tickets: 19,40€

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