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Julia Engelmann im Interview über ihr Poesiealbum, Konfetti und Gegenwind

„Ich stelle naturgemäß Dinge in Frage und wenn ich schon mal dabei bin, auch irgendwie alles.“

Theater, Fernsehen, Poetry-Slam, Literatur und Musik – Man fragt sich, was in dieser 26-Jährigen noch alles steckt. Mit ihrem Vortrag „One Day“ beim Bielefelder Hörsaalslam setzte die ehemalige „Alles was zählt“-Schauspielerin ihrem Lebenslauf mal ordentlich die Krone auf. Nicht über Nacht, aber dafür mit Schmackes katapultierte sich Julia Engelmann mit ihren Gedichten per YouTube vor ein begeistertes Millionenpublikum. Auch für den 20. Oktober kündigt sie sich mit einem Sack voller Glücksgefühle in der Arena Leipzig an. Im Interview sprach sie mit uns vorab über ihr musikalisches Debütalbum, die Tour und wie sie trotz Gegenwind die Lust am Konfettiwerfen nicht verloren hat.

Anfang 2014 ging dein Video vom Bielefelder Hörsaalslam nach knapp einem halben Jahr plötzlich durch die Decke. Wie hat sich das angefühlt?

Super unwirklich. Ich weiß noch, wie das angefangen hat. An einem Abend hatten mir fünf Leute geschrieben, die ich wirklich gar nicht kannte und meinten: „Mega cooles Gedicht“. Ich war auch total unsicher, ob ich jetzt darüber reden und meiner WG davon erzählen sollte. Am nächsten Tag hatten das 30.000 Leute geschaut und das war dann wirklich schon sehr krass. Ich glaube, ich habe drei Wochen kaum geschlafen. Und im Nachhinein hat das natürlich tatsächlich mein Leben verändert.

Mit der Euphorie wurden auch Kritiker laut. „Gekonnt ausgeklügelte Marketing-Strategien“ und Kalkül sowie schauspielerische Inszenierung bei deinem NDR-Auftritt wurde dir nachgesagt. Wie trittst du solchen Anschuldigungen entgegen?

Gar nicht – erstens muss ich diesen Dingen ja nicht entgegentreten. Und zweitens gehört es einfach dazu. Das sind Naturgesetze. Es betrifft nicht nur explizit mich; Gut und Schlecht gehören nun mal immer zusammen. Das findet in jedem Mikrokosmos und vor allem natürlich bei Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, statt. Ich glaube, ich weiß das ganz gut einzuordnen. Ich weiß wer ich bin, was wahr und was mein Anliegen ist. So lange die Menschen, die mich gut kennen, mir das widerspiegeln, fühle ich mich auch sicher. Und ich weiß ja, dass ich nichts mit Kalkül inszeniert habe, denn Authentizität ist mir wichtig.

Das heißt, diese Kritik geht eiskalt an dir vorbei?

Eiskalt will ich mich nicht bezeichnen. Ich glaube einfach, dass ich einen gesunden Blick darauf habe und mir mein Umfeld auch den Rücken stärkt. Eiskalt also nicht, ich war zum Beispiel auch eine Weile offline in der Zeit. Meine Mutter hatte sich in der Zeit um meinen Laptop gekümmert und um alles, was in dieser Zeit raus geprallt ist. Ich denke, ich bin da einfach sehr realistisch und besitze einen gesunden Blick auf die Dinge. 

Du sprichst mit deinen Texten besonders junge Menschen an. Warum ist dir das wichtig?

Ich glaube, ich spreche erst mal jeden an, der gern zuhören möchte. Ich halte es da mit einem Helge-Schneider-Zitat: „Egal wann man geboren wurde, hauptsache man ist da.“ Ich bekomme Feedback von Menschen aus allen Altersklassen.

Denkst du denn, dass auch Ü50er noch Konfetti werfen?

(lacht) Wenn ich meine Großeltern ansehe, dann weiß ich das sogar, da sie über 60 sind. Ich glaube, das Konfettiwerfen ist gar nicht der Hauptpunkt. Alles, was ich schreibe, hat mit den Fragen zu tun: Warum mache ich das, wie bin ich, wer bin ich, wie will ich sein, wie will ich werden, wie sind die Beziehungen zu den Menschen um mich herum. Und das sind Themen, die jeden etwas angehen. Deshalb kann sich wahrscheinlich jeder in meinen Texten zuhause fühlen. Ein roter Faden ist dann noch: Das Leben ist nicht immer schön und leicht, aber es gibt einen Teil, auf den man Einfluss hat – Und das sind die eigenen Gedanken. Diesen Teil versuche ich mir zunutze zu machen und den möchte ich schön gestalten. Das Feedback verrät mir dann auch, dass meine Texte andere Menschen motivieren. Sie bekommen damit ein wenig das Gefühl, nicht allein zu sein.

Im November 2017 erschien dein offizieller, musikalischer Auftakt mit deinem Debüt „Poesiealbum“. Was bedeutet dir das?

Das Album bedeutet, einen Schritt in eine neue Richtung zu machen. Zu sagen, ich traue mich das jetzt mal. Ich teste Grenzen aus und schaue, was ich kann. Ich bin schon immer sehr musikaffin und habe auf meinen Touren auch immer vorher schon mal ein Lied auf der Gitarre gespielt. Deshalb bin ich natürlich unglaublich glücklich über das Album und jede einzelne Erfahrung, die dahintersteckt. Natürlich bedeutet das nämlich auch Begegnungen und Studiotage, schlaflose Nächte und Aufregung sowie Videodreh – Für all diese Sachen bin ich wahnsinnig dankbar.

Im Album geht es auch um Quarter Life Crisis und Depression – Wie ziehst du dich denn selbst aus Krisen heraus?

Indem ich mich immer wieder daran erinnere, dass ich darauf einen Einfluss habe. Ich glaube es gibt so etwas wie innere Jahreszeiten. Da gibt es mal einen Winter und einen Frühling, was sich immer mal wieder abwechselt. Und gerade, wenn man in einem Winter steckt, kann man sich oft kaum mehr vorstellen, dass es je wieder warm wird. Und doch wird es das immer wieder. Eine Krise muss also demnach auch nicht immer etwas Schlechtes sein. Es kann eine Art von Findungsprozess sein oder ein Anlauf-Nehmen oder eine Art von Umsortieren oder von Innehalten. Ich glaube es ist eine Mischung aus all den Sachen.

Leider reißt die Kritik nicht ab. „Glückskeks-Weisheiten“ und „Mutmachphrasen von Wanddekoren“ wird deinen Texten nachgesagt. Wie schaffst du es, trotz heftiger Kritik weiter zu machen?

Ich bekomme auch ganz ganz viel schönes Feedback. Es ist nicht immer nur das, was unter einem Zeitungsartikel steht. Das sind wirklich rührende Nachrichten und Videos, wie zum Beispiel ein Kind mein Lied mitsingt oder wie sich jemand eine Zeile meiner Texte tätowieren lässt. Das sind ganz viele schöne Zuschriften und die Dinge, für die ich das mache. Das fühlt sich für mich sinnvoll an. Kritik ist dennoch wundervoll und natürlich auch sehr wichtig, solange sie konstruktiv bleibt. Menschen sind eben auch verschieden. Es gefällt ja nicht jedem alles.

Hattest du denn den Gedanken, die Öffentlichkeit hinter dir zu lassen und aufzugeben?

Ich glaube, dass ich Dinge in Frage stelle, ist meine Natur. Ich bewundere Leute, die durch die Welt gehen ohne sich Fragen zu stellen. Die mit einer Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit durch alles durchschweben. So fühle ich mich selbst nicht, aber ich finde, dass das in Ordnung ist. Es ist eine Typfrage. Ich stelle naturgemäß Dinge in Frage und wenn ich schon einmal dabei bin, auch irgendwie alles. Doch wenn ich genau hinschaue, ist für mich mein Beruf und das Schreiben ein unglaubliches Geschenk und gibt mir alles, was ich dort hinein gebe, auch zurück. Von daher gesehen genieße ich es so lange ich das machen darf. Ich bin sehr sehr dankbar dafür.

Du tourst durch Deutschland und stehst am 20. Oktober in der Leipziger Arena. Freust du dich schon auf Leipzig?

Ich freu mich sehr auf Leipzig. Ich mag Leipzig sehr gern. Mein Bruder ist in der Nähe zur Schule gegangen und eine Freundin von mir ist nach Leipzig gezogen. Leipzig ist schön und ich freue mich auch schon sehr auf die Tour. Ich bin jetzt schon aufgeregt und am Nachdenken, was man alles machen kann. Völlig Feuer und Flamme.

Worauf dürfen sich denn deine Konzertbesucher freuen?

So ein Abend fühlt sich immer an wie eine von den guten Silvesterpartys mit Familie und Freunden. Ich bring auch meine Eltern wieder mit. Das ist schon mal der Familienanteil. Es gibt ansonsten natürlich Musik aus dem Album, die ich zusammen mit Martin an der Gitarre und Lukas am Schlagzeug, performe. Es wird ganz viel Konfetti geben, das ich ins Publikum werfe und ich beantworte gerne Fragen!

Schauspiel, Poetry-Slam, Literatur, Musik – Was erwartet uns in den nächsten Jahren?

Langfristig wünsche ich mir auch eigene Familie und darüber hinaus, weiß ich es tatsächlich noch nicht (lacht). Ich nehme es wie es kommt. Ich schaue jetzt erst mal in Richtung des neuen Buchs und von dort an gehe ich weiter.

JULIA ENGELMANN Poesiealbum Live

20.10.2018, 20 Uhr, Arena Leipzig 

13.11.2018, 20 Uhr, Konzertsaal im Kulturpalast Dresden

Tickets zw. 40 und 50€

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