„Es ist die Magie“ Trommelschule Yngo Gutmann feiert 15 Jahre

Warum trommeln jeder kann und es doch mehr ist, als irgendwo drauf rumzuhauen, warum Rhythmus irgendwie magisch ist und dass man aus seiner Leidenschaft wunderbar einen Beruf machen kann, lest ihr im Gespräch mit Perkussionist und Gründer Yngo Gutmann.

Yngo Gutmanns Trommelschule feiert am 10. Mai 2015 ihren 15. Geburtstag. 15 Jahre sind eine gute Gelegenheit, mal ein wenig zurück- und vorauszusinnieren. Im Gespräch mit Yngo lest ihr u.a., warum trommeln jeder kann und es doch mehr ist, als irgendwo drauf rumzuhauen, wieso Rhythmus Sicherheit und auch Chaos versprüht und wie viel man erhält, wenn man ein Stück von sich gibt!

© Yngo Gutmann
Angefangen mit Workshops im Werk 2, hat Yngo seit ca. drei Jahren seine Zelte in der Nähe der Alten Messe aufgeschlagen. In einem eigenen Häuschen hat er seinen Raum gefunden, der als Workshopstätte, Ort zum Experimentieren und zweites Zuhause dient. In Kursen und Einzelunterricht für Kinder und Erwachsene wird auf Djemben, Daikos, Congas, Schlagzeug und mehr gespielt. Daneben bietet er auch TeamDrumming für Firmen an, war und ist viel als Workshopleiter für Kinder und Erwachsene unterwegs und spielte live auf Partys und anderen Events. Aus Noten macht sich Yngo nicht viel, bei ihm steht das Trommeln an sich im Vordergrund. Er vermittelt das Entdecken von Rhythmen und das Produzieren von eigenen Rhythmen im Zusammenspiel mit Anderen.
15 Jahre lang hat Yngo Schlagzeug in verschiedenen Bands gespielt und war im Blues, Jazz, Funk, Rock oder Reggae unterwegs. Aber der Rhythmus an sich zog ihn in ein ganz eigenes Mysterium und öffnete ihm die Welt der Perkussion. Und diese lässt ihn nun seit über 15 Jahren nicht mehr los. 

Yngo, lass uns zurückdenken: heute vor 15 Jahren … wie kamst du auf die Idee, eine Trommelschule zu gründen?

Ich habe vorher schon viele Jahre Musik gemacht, viel Schlagzeug gespielt. Da konnte ich mir noch gar nichts unter Perkussion vorstellen, unter den verschiedenen Klängen und Möglichkeiten. Schlagzeug fand ich cooler. Aber dann, irgendwann´98, habe ich die Perkussion für mich entdeckt, also alles, was man so mit den Händen spielt. Und dann war ich auf einem Trommelseminar bei einem guten Freund. Es ging dort auch darum, wie es bei mir weitergeht, weil ich schon erstmal in so ein Loch gefallen war. Er hat mich gefragt, was ich denn am Liebsten tun würde: trommeln! Und da habe ich mich entschieden, aus meiner Trommelei mehr zu machen, also richtig was zu machen, mit Steuern zahlen und so. Ein richtiges Projekt sollte es werden. Dann habe ich eine Vision geschrieben, mich recht schnell selbstständig gemacht, genau im Mai 2000, und habe im Werk 2 begonnen, Trommelkurse zu geben. Da war ich dann auch zehn Jahre. Aber ohne diesen Freund wäre das nichts geworden, ich wäre nicht da, wo ich bin.

Von Schlagzeug auf Perkussion umzusteigen, ist doch eher ungewöhnlich!?

Ich hatte schon eine musikalische Krise, so ca. ´96, das hat mich nicht mehr befriedigt, da ständig Konzerte zu geben. Ich habe nichts mehr drin gefunden, was mir persönlich etwas bringt. Mir hat der tiefere Sinn gefehlt. Dann folgte ein Jahr nichts. Und dann kam dieser Workshop, wo ich meinen Sinn wiederentdeckt habe. Ich wollte was machen, was Wirkung hat. Heilungsvolles Trommeln, bewegendes Trommeln. Und 2000 habe ich aus meinem Sinn ein Konzept gemacht. Ich wollte andere genauso daran teilhaben lassen, ihnen zeigen, wie sie zu ihrem Trommelglück kommen. Traditionelle Musik interessiert mich nicht und die vermittle ich auch nicht. Und die, die zu mir kommen, wollen für sich trommeln. Die wollen nicht nur Latin oder nur African machen, die wollen lernen, wie sie ihre Musik spielen.

© Yngo Gutmann
Gibt es heute einen Unterschied zu den Leuten damals?

Das hat sich gar nicht so gewandelt. Es sind natürlich nicht dieselben. Und es ist genauso nicht vorhersehbar wie vor 15 Jahren. Es kommen interessanterweise 90% Frauen, muss was mit dem Trommeln zu tun haben. Ich sag ja immer: Bringt eure Männer mit, schickt eure Söhne her, aber nee … Die Leute sind so zwischen 20 und 60 Jahre alt. Was aber auffällig ist: seitdem ich meinen neuen Standpunkt habe an der Alten Messe, also diesen eigenen Ort, da hat sich die Qualität der Leute geändert. Plötzlich ist man da, man hat so einen Platz. Es ist so beständig. Die Schüler mögen diese Stabilität. 

Haben also buchstäblich ihren Rhythmus gefunden. Kannst du denn deine Leidenschaft am Rhythmus, am Trommeln beschreiben?

Ich kann es versuchen. Es ist die Magie. Da ist etwas, was mich fasziniert, und das sind die Rhythmen. Wie diese funktionieren, wie sie miteinander spielen, wie aus einem Stammrhythmus viele werden. Es ist schwer zu beschreiben. Wie das dann zum Chaos werden kann, was aber auch rhythmisch sein kann, und wie sich daraus wieder was Regelmäßiges entwickelt. 

Ein rhythmisches Chaos? Wie kommt man denn da hin?

Man muss offen sein und das Chaos auch anstreben. Wie bei einem Telefon muss man diese Nummer wählen, um anzukommen. Es ist komplex, man kann Rhythmus auf so unterschiedliche Art und Weisen erleben, als pure Musik, als Unterhaltung, als Inspiration, als Heilung. Es ist so unterschiedlich, was man dabei erleben möchte. Auf was ich mich gedanklich fokussiere, das passiert dann auch. Aber es gibt auch Sessions, wo es durchaus mal technisch zugeht, und nicht nur „mystisch“ … sondern eben klar, das ist auch mal schön. 

Ich habe auch Workshops, die sich ganz speziell mit Rhythmus und Chaos beschäftigen. Und die Leute, die da kommen, wollen dieses Verhätlnis erfahren. Was macht Rhythmus, wie ist das mit dem Chaos. Ich habe so viel geforscht über Rhythmen, und ich forsche immernoch, irgendwann kann ich ein Buch rausbringen! (lacht) Ich tendiere aber zur DVD, weil ich nicht schreiben kann. Über dieses Wesen von Rhythmus… Was sagst du denn spontan, was so typische Merkmale von Rhythmus sind?

Öhm … sich wiederholend … mit stärkeren und weniger stärkeren Akzenten … gern auch überraschend … eingängig … und muss sich gut anfühlen. Man sollte ihn nicht nur technisch abhaken, sondern auch fühlen. Gut oder? Ergänzungen?

Ja, einige. Die Frage stelle ich sehr oft. Wie ist Rhythmus für euch? Einerseits, um dafür eine Aufmerksamkeit zu bekommen, aber auch, weil mich interessiert, was andere darüber denken. Und Rhythmus gibt Sicherheit, habe ich festgestellt. Also wenn man etwas stabil wiederholt, das muss ja nicht nur in der Musik sein, erzeugt das Vertrauen. Chaos kann das natürlich nicht so. 

© Yngo Gutmann
Deswegen auch Tagesrhythmus.

Ja, absolut! Also, da kann man sich eben drauf verlassen. Rhythmen sind aber auch flexibel. Die können mit anderen zusammenkommen. Nehmen wir mal diesen „We will rock you“-Rhythmus … Bumm bumm zack, bumm bumm zack … da können andere dazugespielt werden, der kann aber selbst noch verfärbt werden. Das finde ich total spannend! Man hat so ein Grundding, und das kann sich ausmalen wie eine Blume. Da will ich immernoch mehr wissen drüber. Man kann auch mit Rhythmus Dinge anstellen. Jeder Rhythmus hat ein Thema, das erforsche ich mit den Magic Rhythm Power Drums. Mann kann einen Rhythmus mit einer Vision oder einem Wunsch zu bestücken, es kann eine Art Meditation. Aber auch eine Arbeitsmethode, das heißt man kann mit ihm magisch arbeiten genauso wie rational.

Wie kann man denn Leute dahin bringen?

Gute Frage. Sag du es mir! Meistens kommen die, die dafür schon ein Interesse entwickelt haben. Meistens haben sie noch keinen Zugang oder weiteres Wissen, aber schon das Interesse, und das ist ja schon eine Öffnung. Es ist halt auch ein Prozess. Als ich damals ´98 bei diesem Workshop war, ging es halt um schamanisches Trommeln. Und mich hat das angesprochen und ich habe mich schon vorher mit solchen Themen beschäftigt. Wenn ich von mir ausgehe, war ich schon offen. Bin da hin und habe einfach nur eingesammelt. 

Das hat sicher viel mit Persönlichkeit zu tun, wie und ob man sich da öffnen kann. Da kommt man wohl um „Wer bin ich, was will ich?“ nicht drumrum.

Du hast vollkommen Recht. Es geht genau dahin. Und genau an dem Punkt, wenn du dich das fragst, dann besteht die Möglichkeit. Dann geht man los und sucht und findet Möglichkeiten. 


© Yngo Gutmann
Kommen denn Leute, die da auf der Suche sind, zum Trommeln?

Ich denke schon, ja. Mir ist schon oft aufgefallen, dass die Schlagzeuger einer Band oft die spirituellsten sind. Oft sind die es am ehesten, die sich mal ein Räucherstäbchen anmachen. Die Trommler, die sich so kenne, gehen auch in die Richtung. Die Trommel hat ja auch sowas Uriges, Natürliches. In vielen Kulturen ist die Trommel etwas Weibliches, die Djembe in Afrika z.B. Schlagzeug eher was männliches. Du hast so diese Trommel, Mutter Erde, Natur, und ich glaube das könnte ein Zugang für manche sein. Ob das stimmt, weiß ich auch nicht, ist eben mein Eindruck.

Warum wird trommeln gerne belächelt?

Ja, das habe ich oft erlebt. Ich würde mal behaupten, wenn das jemand so sagt, dann hat er einfach einen begrenzten Horizont in der Richtung. Oder ist einfach ein gemeines Arschloch. Weißt du, manchmal machen sich Leute über etwas lustig, was mit Seele zu tun hat oder mit sensibleren Dingen. Es ist aber wirklich auffällig. Es wird ja auch gesagt, es gibt Trommler und Musiker. Ist ja wirklich so ein klassischer Spruch. Du trommelst und die anderen machen Musik. Versteh ich nicht.

Vielleicht, weil sich theoretisch jeder erstmal an eine Trommel setzen und was spielen kann. Was beim Schlagzeug oder anderen Instrumenten nicht unbedingt der Fall ist.

Stimmt. Vielleicht hat die Trommel vom Gefühl her für viele etwas Naives, Einfaches, weil sie eben so natürlich ist. Ich habe mich auch schon oft geragt, warum es gerne mal als minderwertig angesehen wird. Ich glaube nicht, dass Schlagzeuger so belächelt werden wie Perkussionisten. Obwohl genau die für mich die großen Zauberer sind. Ich empfinde es genau andersrum. Es ist sowas simples und ich empfinde dabei so eine Größe, eine Stärke, eine Kraft. Du gibst mit dem Rhythmus die Struktur vor, machst den Raum auf. Das ist für mich die Spitze. 

© Yngo Gutmann
Ich benutze gern das Zitat von Hans von Bülow: „Im Anfang war der Rhythmus“.

So ist es. Unsere Welt besteht aus Rhythmen, unser Körper funktioniert in Rhythmen. Der Tagesrhythmus natürlich, und die Musik. So allgegenwärtig. Der Rhythmus des Herzschlags ist das, was uns lebendig macht und ist das letzte, was wir hören, wenn wir gehen. 

Jeder hat auch schon die Erfahrung von Rhythmus und Nicht-Rhythmus in seinem Leben gehabt. Man kennt das ja, wenn es gut läuft und sich plötzlich Gewohnheiten ändern, Rhythmen ändern, das versteht man schon. Die Kraft von Rhythmus und Wiederholung kann man gut nachvollziehen, denke ich. Und Trance-Trommeln, das hat man auch zumindest schon mal gehört, so Reisen ins Innere. 

Was gibt es den Leuten, die zu dir kommen?

Ich frage oft, warum sie zu mir kommen. Um sie besser zu verstehen, aber auch um den Kurs zu optimieren. Die meisten sagen „Ich mach das nur für mich, ich will einfach für mich trommeln, das entspannt mich.“ Das ist das Motiv von den meisten. Und dann höre ich immer wieder nach dem Kurs „Mir geht’s gut, ich bin voller Energie, bin klar, meine Kopfschmerzen sind weg“. Ein Wohlgefühl stellt sich bei den meisten ein. Wenn man trommelt oder überhaupt Musik macht, ist man ja sowieso mehr mit sich und seinen Gefühlen verbunden, sonst ist es ja keine Musik. 

Viele sagen „Ich bin ein Rhythmusidiot, ich kann nicht trommeln, …“

Jeder kann trommeln. Das ist meine Einstellung und meine Erfahrung. Jeder Mensch, der zwei Arme hat. Und mit Rhythmusgefühl, da gibt’s halt Unterschiede. Manche können einen Rhythmus leicht halten, und andere eben nicht. Warum das so ist? Das hat auch oft persönliche Gründe. Wenn jemand mit sich persönlich aus dem Rhythmus ist, schlägt sich das auch nieder. Ich denke außerdem: die, die schon öfter Mensch waren, können besser den Rhythmus halten, verstehen das mehr. Wer noch nicht so oft Mensch war, kann mit dem Rhythmus noch nicht so gut umgehen, hat noch mehr Chaos in sich. 

Buddhist?

Nee, ich gehöre keiner Religion, Sekte oder Dogmen an. Zu meinem Weltbild gehört Reinkarnation halt dazu.

Traditionen sind dir nicht so wichtig, du bist nicht groß rumgereist, um mit den Alteingesessenen um’s Feuer zu trommeln. Ist das untypisch?

Ja. Viele Trommler, die ich kenne, spielen eher traditionelle Sachen. African und Latin Beats z.B. oder keltische Sachen. Aber es gibt auch genug, die sich da nicht weiter interessieren, so wie ich.


© Yngo Gutmann
Abschlussfrage: Was sind deine Ziele für die Zukunft?

Es gibt da mehrere Punkte, die mich noch interessieren und die ich noch verwirklichen will. Zum Einen habe ich ein Trommelsystem entwickelt, die Rhythmusblume. Das habe ich schon oft angewendet, das möchte ich gerne ausbreiten. Ich möchte, dass das auch andere anwenden. Ich werde Workshops anbieten, um dieses System weiterzugeben. Damit kann man Musik leicht verstehen. Du hast da Stabilität und kannst dich gleichzeitig raustrauen. Und dann wünsche ich mir noch meine Trommel-DVD, wo ich über Rhythmus spreche und Übungen drauf sind. Das sind so die zwei großen Wünsche. Und natürlich, noch mehr Trommelschüler zu begeistern. Ich wünsche mir, dass das Trommeln und bewusste Arbeiten mit Rhythmen in der Welt noch mehr Thema ist. Ich höre viel Musik und finde, es gibt sehr viel Unterhaltungsmusik, was eben so ander Oberfläche schwimmt, aber ich interessiere mich noch für mehr und wünsche mir, dass sich der Wert von Musik noch mehr verändert. Der Unterhaltungsfaktor sollte mit tieferem Sinn verbunden sein.  

Vielen Dank und alles Gute!


Die kleine Geburtstagssause mit Musik und Sessions findet am 10. Mai 2015 zischen 15 und 18 Uhr in der Trommelschule auf der Kregelstraße 6 statt.
Weitere Informationen, Schnuppertage und Workshopangebote findet ihr HIER