Der Umwelt zuliebe 35 Tage in ein umweltbewussteres Leben: Ein Selbstversuch

Wir verlassen die Komfortzone und entdecken neue Möglichkeiten – der Umwelt zuliebe.

Wie beeinflusst mein Handeln die Welt? Ist das, was ich gerade tue, schädlich für meinen Körper, meine Mitmenschen, für andere Lebewesen oder die Natur? Oft erwischen wir uns bei dem Gedanken, dass ein ökologischer Lebensstil schon notwendig, aber auch aufwendig ist – zumindest für unseren Geldbeutel. Teure Hybridautos, Biomärkte oder Solaranlagen: Ein grüner Lebensstil wird gerne als Luxus beschrieben. Dabei ist nachhaltiges Denken nicht allein eine Frage des Geldes. Es ist eine Geisteshaltung und eine Einstellungssache, die im Kleinen beginnt – im stillen Kämmerlein. Doch wie damit anfangen – und wo? So grün hinter den Ohren wie wir sind, gehen wir des Rätsels Lösung selbst nach. Nehmt schon mal Abschied von eurem Mittagsschnitzel und genießt einen großen letzten Schluck Mineralwasser: Wir verlassen nun die Komfortzone – der Umwelt zuliebe.

© Anne Gahlbeck

Ein umweltbewussteres Leben bedeutet in erster Linie, aus der eigenen Komfortzone auszubrechen – aha!? Wie das konkret ausschaut, wissen Benjamin und Fabian Eckert. Die beiden Brüder sind eigentlich weder Autoren noch haben sie Zeit ihres Lebens damit verbracht, Umweltaktivisten zu sein. Dennoch verraten sie uns in ihrem Buch „Die 35-Tage-Challenge – Dein Weg in ein umweltbewussteres Leben“, wie es gelingen kann, erfolgreich an der eigenen CO2-Bilanz zu schrauben und gleichzeitig zum Kampf gegen die Klimakrise beizutragen – auch ohne umfassendes Vorwissen, ohne Mitglied in einer Umweltorganisation zu sein und vor allem: ohne im Geld zu schwimmen. Ein erster Schritt in Richtung „anders leben“ könnte also die Anschaffung dieses Buches sein, dessen Ziel es ist, mit Hilfe verschiedener Tagesaufgaben einen bewussteren Umgang mit vorhandenen Ressourcen einzuüben. Oder ihr versteht die Lektüre als einen Trampelpfad, der euch dazu ermutigt, neue herausfordernde Wege einzuschlagen. Herausfordernd ist das deshalb, weil wir uns im Alltag mit dem Gedanken angefreundet haben, den leichten Weg zu gehen – also wahllos die Dinge zu konsumieren, die wir begehren. Im Laufe des Selbstversuchs werdet ihr aber feststellen, das sich unser Wohlbefinden, im Sinne von Wohl oder Wohlergehen, nicht über täglichen Kaffee- und Fleischkonsum definiert. Der Verzehr von Wasser, das im Mund kribbelt, ist alles andere als lebensnotwenig. Es ist wohl eher ein Ausdruck von Wohlstand und offenbart ein Verhalten, dass wir uns – irgendwann mal – genüsslich angetrunken haben. Um das zu korrigieren, müssen Veränderungen her, die gleichzeitig dabei helfen, gesünder und fitter zu werden – nicht die schlechteste Voraussetzung, wenn man sein Leben umkrempeln will, oder?

© Oekom-Verlag

Ein Gedankenspiel vorweg

Bevor wir gemeinsam mit den Autoren voller Tatendrang in den Praxisteil starten, in den Hausaufgabenteil des Buches, bekommen wir vorab nützliches Basiswissen vermittelt – Klimafakten, die nicht nur dabei behilflich sind, den Sinn der täglichen Challenges zu verstehen. Sie rütteln vor allem Unentschlossene wach und machen deutlich, wie wenig Zeit uns, also den Weltenbummlern, verbleibt. Denn glaubt man den Visionen der Klimaforscher, wird unser Lebensraum 2060 nicht mehr der Ort sein wird, den wir so liebgewonnen haben:

„In weiten Teilen Deutschlands verdorrt die Ernte, am Mittelmeer brennt es an allen Ecken […], in Indien und im Sahel werden Kriege um Wasser geführt, 100 Millionen Menschen sind auf der Flucht. […] Das alles ist bei einem Temperaturanstieg von 4 Grad Celsius dann leider normal.“

Das Erscheinungsbild der Erde gleicht dann eher dem einer Wüste. Aber vielleicht, zumindest hoffen das Benjamin und Fabian Eckert, kann es auch (ganz) anders kommen. Ihre 35 Tagesaufgaben sind das Handwerk für diese Veränderungen. Denn nur, wenn wir weitermachen wie bisher, unsere luxuriösen Gepflogenheiten beibehalten, weiter kreuz und quer durch die Welt fliegen, bequem mit Autos fahren und große Mengen Fleisch essen, nur dann setzen wir mehr Kohlendioxid (die Hauptursache für die Erderwärmung) frei und unser Planet wird wärmer und wärmer.

Sei die Veränderung 

Der Umwelt zuliebe das Leben umkrempeln, das heißt in erster Linie, damit zu beginnen, die fiesen CO2-Sünden ausfindig zu machen, die sich still und heimlich in den eigenen Alltag geschlichen haben. Es ist klar, dass sich nicht alle „schlechten“ Angewohnheiten leicht ausmerzen lassen, aber es ist auch nicht unmöglich. Denn was wir uns angewöhnt haben, lässt sich auch wieder abgewöhnen! Woche 1 starte ich mit grundlegenden Aufgaben, die die Voraussetzungen für kommende Herausforderungen schaffen und mich gleichzeitig darauf einstimmen, dass ab sofort keine Ausreden mehr gelten – selbst wenn Corona sowohl die Stadt als auch das Toilettenpapier-Angebot lahmlegt. In Krisenzeiten an Recycling-Klopapier zu gelangen, gestaltete sich (aufgrund der hohen Nachfrage) zu einem größeren Problem als erwartet. Mein Tipp: Wer im herkömmlichen Drogeriemarkt nichts abbekommt, der kann in Leipzig zu jeder Zeit auf die noch ökologischere „Unverpackt Laden“-Variante zurückgreifen. Deutlich einfacher (als jene aufwändige Klopapier-Beschaffungsmaßnahme) gestaltete sich das Abmelden von Werbeprospekten, die Umstellung auf Ökostrom oder die Berechnung des eigenen ökologischen Fußabdrucks – übrigens alles kostenlos. Die Vermessung meines Fußes indes ergab, dass ich zwar schon auf einem guten grünen Trampelpfad wandere, aber noch lange kein „Öko “ bin.

Um meine CO2-Bilanz ernsthaft zu verringern, musste ich damit beginnen, meine Ernährungsweise umzustellen. Und das Nahrungsmittel, das alle anderen in den Schatten stellt, ist Wasser, also das, was aus der Leitung kommt – es ist ein echter Alleskönner und hat zudem einen unschlagbaren ökologischen Fußabdruck. Dieser Erkenntnis folgend wurden Bier, Brause und vor allem Sprudelwasser von meinem Speiseplan gestrichen. Die nächsten 35 Tage hielt mich einzig und allein „Leipziger Rohrperle“ bei durchwachsener Laune.

Fleischgewordener Endgegner

 „Sorge für ein energiegeladenes Frühstück, erledige deinen Wocheneinkauf ökologisch, iss weniger Fleisch, koche frisch – auch mal vegan –, sammle heimisches Superfood, vermeide Palmöl, kaufe Gebrauchtes sowie regionales Gemüse“: schon viel, was es Tag für Tag zu erledigen gab. Tatsächlich brachte es aber auch Spaß, sich auf neue Koch- und Einkaufsgewohnheiten einzulassen. Und der Kauf von Gebrauchtem machte sich ebenso wie der Verzicht auf Fertigprodukte positiv in der Geldbörse bemerkbar.

© Anne Gahlbeck
Neu war der regelmäßige Gang in den Bioladen, wenn auch deutlich zielgerichteter. Denn auf meiner Einkaufsliste standen Lebensmittel, die nie zuvor in meinem Kochtopf landeten – wie zum Beispiel Bulgur oder auch Trockenfrüchte. Mittlerweile zählen trockengelegte Aprikosen in Kombination mit Joghurt, saisonalem Obst oder Walnüssen zu meiner täglichen Ladung Morgenenergie. Getreideflocken, Ölsaaten oder auch Gewürze (wie z.B. Zimt) bieten sich ebenfalls als Topping an und sorgten stets für gelungene morgendliche Abwechslung. Benjamin und Fabian Eckert haben sich wirklich Gedanken gemacht, die einzelnen Aufgaben so leicht und lecker wie möglich zu gestalten. Besonders hilfreich ist dabei die Übersicht mit den 50 besten Lebensmitteln (inklsive CO2-Wert), die sie am Ende des Buches für uns zusammengestellt haben.

 

Genussgrenzen 

An Genussgrenzen gelangte ich trotzdem. Rückblickend kommt mir zuerst die selbstgekochte vegane Kartoffelsuppe ohne Würstchen und Sahne in den Sinn – die bleibt auch Wochen später gewöhnungsbedürftig. Und dann stellt euch vor, ihr steht mit einem Glas Leitungswasser bei sonnigen Frühlingstemperaturen neben dem Grill, während sich euer Corona-Kontakt ein duftendes Steak brutzelt und zum Bier greift – da blutete der Gaumen. Umso größer ist rückblickend der Stolz, dieser Verlockung widerstanden zu haben. Es ist bereichernd zu erkennen, wie sehr uns Rituale und gesellschaftliche Erwartungshaltungen beeinflussen. Nachdem ich das Leitungswasser mit einem Spritzer Zitrone und frischer Minze aufgepeppt sowie die fleischlose Pilzpfanne mit Fetakäse und selbstgepflücktem Bärlauch aufgemampft hatte, war ich eigentlich genauso glücklich. Essentieller als Bier und Fleisch sind die sozialen Kontakte, die durch Anlässe wie Grillabende oder ein Picknick am See (passende vegetarische Rezepte findet ihr auf Seite 28) zustande kommen. Umweltbewusster leben bedeutet dementsprechend nicht nur Verzicht, sondern auch Wesentliches zu erkennen und Besonderes zu schätzen. Und unter uns: Das Bier mit Freunden geht immer, aber wenn es nicht so oft vorkommt, genießt man diese Ausnahmen viel, viel mehr.

© Anne Gahlbeck

Der tägliche Kontrollblick

Der tägliche Kontrollblick in den Kalender: Waren wirklich erst drei Wochen vergangen? Es waren eindeutig die unerwarteten Lüste, die mich zu diesem Zeitpunkt über das Sündigen nachdenken ließen. Saßt ihr schon einmal minutenlang vor einer Flasche Mineralwasser, um euch an den Geschmack zu erinnern? Neue Herausforderungen mussten her. Aufgaben, die weniger meinen Geist, mehr meinen Körper forderten; Aufgaben, die weniger an das Aufgeben erinnerten: Sport! Ähnliches dachten sich vielelicht auch Benjamin und Fabian Eckert, als sie mir eines schönen Challenge-Tages zu (noch) mehr Bewegung rieten. Und das ist wohl auch der richtige Zeitpunkt, um euch auf noch einen tollen Vorteil der Tagesaufgaben aufmerksam zu machen: Jede Challenge ist in verschiedene Schwierigkeitsstufen (Anfänger-, Fortgeschritten- und Expertenmodus) gegliedert – echt praktisch! Denn wer bis Tag X zu den Omnivoren (Allesessern) zählte, erhält den Rat, künftig auf Fleisch zu verzichten. Wer sich bereits vegetarisch ernährte, versucht es eben mal vegan – auf diese Weise kommt jeder in den Geschmack, neue Grenzen auszuloten.

Erkenntnis erlangt, und nun?

Die letzten Challenge-Tage lehrten mich, dass nicht nur Ernährung und Bewegung einen gesünderen Geist ausmachen. Wer hätte gedacht, dass auch Digital Detox dazugehört. Also schaltete ich mein Handy nach 22 Uhr aus, um meinen Schlaf zu optimieren. Ich duschte kürzer, reduzierte meinen Kaffeekonsum, zog eigene Keime, optimierte das Waschen und Spülen und kochte größere Portionen Essen, um auch am nächsten Tag davon zehren zu können (Meal Prep). Kurzum: Ich war so sehr mit Planen beschäftigt, dass ich Mineralwasser vergaß und Fleisch irgendwie auch. Die neuen Routinen gaben mir neuen Halt. Ja, es fühlte sich wirklich gut an, die Wursttheke mit dem Einkaufswagen zu umfahren. Dieses „Wow, schon 35 Tage vorbei“-Gefühl hatte ich nach Ablauf der fünf Wochen trotzdem nicht. Auch nicht, als ich mir zur Feier des Challenge-Bestehens ein Glas Sprudelwasser gönnte. Es fühlt sich dennoch gut an, zu erkennen, dass man es nicht zum Überleben braucht. Ebenso wie zu wissen, dass es ist nie zu spät ist, um diese Erfahrung am eigenen Leib zu machen.

© Sylvia Gahlbeck

Und bevor ich nun das praktische, unaufdringliche Büchlein mit dem entsprechenden Handwerkszeug an eine andere Person weitergebe, sei noch erwähnt, dass durch die Umsetzung der einzelnen Tagesaufgaben ganz nebenbei auch einiges an Müll eingespart wird: Leitungswasser statt Wasser aus der Flasche, selbst kochen statt Fertigprodukte kaufen, DIY, reparieren, sich nach Gebrauchtem umschauen, Superfoods selber suchen.

Am Ende die Hoffnung

Unser Fazit: absolut empfehlenswert! Vor allem, weil Benjamin und Fabian Eckerts Lektüre absolut jedes Thema, das ansatzweise mit Umweltschutz zu tun hat, auf unterschiedlichste Art beleuchtet und nicht zu vergessen, weil die Autoren deutlich machen, dass „richtiger“ Klimaschutz am Ende des Tages nicht weh tut – nicht einmal im Portemonnaie. Einfluss auf unseren Alltag nimmt es in jeder Hinsicht – zumindest, wenn man es wirklich durchzieht!

Fabian Eckert, Benjamin Eckert: »Die 35-Tage-Challenge. Dein Weg in ein umweltbewusstes Leben«, umfasst 160 Seiten | ISBN: 978-3-96238-175-2, 19 € (auch als E-Book erhältlich)