Scheitern und Aufstehen 7 Fragen zu den FuckUp Nights Leipzig

Scheitern scheint ein Tabuthema unserer Gesellschaft zu sein, denen die Veranstaltungsreihe „FuckUp Nights“ entgegen wirken will. Wir stellen 7 Fragen!

Fehlerlos? Läuft bei euch? Schuld sind sowieso die Anderen? Vergesst es … Scheitern scheint jedoch ein Tabuthema unserer Gesellschaft zu sein, denen die Veranstaltungsreihe „FuckUp Nights“ entgegen wirken will. Monatlich stellen sich drei mutige Macher in lockerer Atmosphäre ihren gescheiterten Existenzen und zeigen: Fehler sind menschlich, sie treiben an, sie sind ein Baustein jedes kreativen Prozesses.

Die FuckUp Nights wollen berufliches Mistbauen, die Tonnen der Absagen, die Liste der vergeigten Vorhaben, die Gründe, weswegen man bisher nur heimlich ins Kissen weinte – um zu demonstrieren: Ihr seid nicht allein! Und ihr macht verdammt nochmal trotzdem weiter! Wir haben uns mit Wenke getroffen, die Online-Shop „Funky Japan“ auf die Beine gestellt und wieder verloren hat und bereits Rednerin der FuckUp Nights war. 

© FuckUp Nights Leipzig

Wenke, erzähl doch erst mal, was dein Plan war.

2009 bin ich aus Japan zurückgekommen, 12 Jahre habe ich dort gelebt. Mein Mitbewohner in Japan meinte: „Lass uns doch gemeinsam ’nen Japan-Shop machen!“ Gesagt, getan. „Funky Japan“ war ein Online-Shop für japanische Produkte. Es gab Kleidung von japanischen Designern, Kunstbücher, Lichterkram, Deko, lustiges Zeug, … Die erste Pleite war eigentlich schon die anfängliche Homepage – der Webdesigner kam mit einem Ding, das man nicht mal Internetseite nennen kann! Den habe ich abgesägt und Ersatz gefunden, so lief es allmählich an. Kurz vor Weihnachten 2009 kamen schon die ersten Großbestellungen! Meine Hauptkundschaft waren Geschäfte aus Ägypten, Lybien und Syrien – die standen da irgendwie total drauf. Ich wollte noch das Weihnachtsgeschäft mitnehmen und dann ein eigenes Lager in Deutschland aufbauen – ich habe ja alles von meinem Mate in Japan schicken lassen.

Warum kam es nie dazu?

Im Januar 2011 ging die Scheiße los: Der Arabische Frühling. Da ist mir erst Libyen weggefallen. Dann kam März. Da war der Tsunami. Der hat mein komplettes Lager in Japan weggespült. Natürlich hatte ich meinem Kumpel vorher nochmal eine Riesenliste gemacht, was er kaufen soll, weil ich das alles holen wollte – weg. Und im April war Syrien weg. Das ist, grob gesagt, das Ende. Mein Roomie hat in Japan Aufbauarbeit geleistet und ich hab die Firmen angeschrieben, ob es die überhaupt noch gibt. Ich dachte, dass es sich vielleicht erholt: 2012 sollte alles neu starten! Wir wollten richtig interaktiv und lebendig werden mit kleinen Videos über Japan und einem Magazin. Mein Mate wollte dafür mal nach Deutschland kommen. Es war alles abgemacht, ich sollte ihn vom Flughafen abholen … Nur kam er nicht. Und nie wieder habe ich ihn erreicht. Er hat mir ein Jahr später mal ganz nebenbei geschrieben: „Na, wie geht’s?“. Der hat das nicht so verbissen gesehen! Dass ich in der Zwischenzeit schon wieder Bestellungen hatte, die er hätte verschicken sollen … Da hing ja ein ganzer Rattenschwanz dran! Gleichzeitig ist meine Produktübersetzerin weg, weil es ihr zu viel war, und eine Freundin, die mir mit den Videos helfen wollte, hat auch gemerkt, dass es ganz schön aufwändig ist. Und mein Visum war mit dem Tsunami ja auch flöten. Da dachte ich dann: So, das war‘s.

Autsch. Und dann …?

Ach, es war gar nicht mehr so schlimm, eher eine Befreiung. Vorher habe ich schon angefangen zu studieren, weil ich mit Abschluss wieder visumsberechtigt bin – und da hänge ich jetzt noch (lacht). Aber auch wenn es neben Job und dem Familienleben, das ich mittlerweile habe, schwierig ist, zieh ich das durch. Ich bin nicht der Typ, der schnell aufgibt.

Hat es dich viel Überwindung gekostet, zur FuckUp Night über all das zu sprechen?

Nee. Ich wurde ja einfach dort angemeldet und war dann im Juli 2015 zur dritten FuckUpNight im Social Impact Lab. Ich weiß noch: Es war so heiß … bestimmt 40 Grad. Aber ich war entspannt, hab drei Bier vorher getrunken. Und dann tausend Fragen, riesiges Interesse! Ich bin ja auch inoffiziell zum Redner der Herzen geworden (lächelt verlegen).

Was kommen an so einem Abend für Leute und warum?

Ich sehe da Kommilitonen von mir, ich selbst gehe oft mit meinem Profchen von meiner Ausbildung damals hin, da sitzen Unternehmer, viele Studenten, Hippies und älteres Publikum. Viele wollen, denke ich, einfach die geilen Storys hören, aber das kann man nicht pauschalisieren. Wenn du etwas wagst, musst du einen eigenen Plan haben, und du musst auch selbst auf die Fresse fliegen. Und ich glaube nicht, dass noch nie jemand gescheitert ist. Alle müssen mal einstecken und Sachen auf die harte Tour lernen. Und das ist für mich, was man mitnimmt.

Was empfiehlst du allen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen wollen?

Besorgt euch einen Anwalt (lacht)! Na klar, machen. Am besten 23 Stunden am Tag arbeiten. Und man sollte eine Zielgruppe haben. Die entsteht, die wandelt sich, aber Hauptsache, man hat überhaupt eine Gruppe (lacht). Und: Theoriewissen ist nicht alles. Du musst offen sein, den „inner circle“ verlassen. Und: Hol dir Leute, die du überzeugen kannst und die deine Lücken füllen. Du kannst nicht allein an alles denken.

Bereust du denn etwas?

Nee. Selbst, dass ich ein Mal durchs Abi geflogen bin … dann wäre ich jetzt vielleicht Industriekauffrau in einem Mega-Konzern! Das war schon alles fest, aber ich musste absagen, weil ich durchgeklatscht bin. Aber ganz ehrlich: Gut so. Sonst hätte ich die Welt nicht gesehen.

Nächste FuckUp-Night: 13. September 2016 um 19:30 Uhr im Stadtbad Leipzig