Graffitiverein Leipzig Legaler Teil einer illegalen Welt

Für die einen ist es Geschmiere, für die anderen Kunst. Graffitis finden sich an fast jeder Hauswand in Leipzig. Doch während viele Sprayer mutwillig das Gesetz brechen, verschönert der Graffitiverein die Stadt mit bunten Bildern – und das ganz legal.

Leipzig ist weit davon entfernt perfekt zu sein – und genau das lieben die Bewohner. Graffitis tragen dabei einen großen Teil zur urbanen Alternativität bei. Das sieht auch der Graffitiverein so. Sascha Kittel, einer der ältesten immer noch aktiven Graffitikünstler in Leipzig, gehört zum Vorstand des 1998 gegründeten Vereins. Er rief diesen zu einer Zeit ins Leben, als die Stadt Leipzig selbst die legal gesprühten Bilder verbot.


Sascha Kittel, Gründer und Vorsitzender des Graffitivereins, vor einem Werk in Lindenau (Foto: Nancy Riegel)

Kittel war einer der wenigen Sprayer, der diesen Umstand nicht akzeptieren wollte – und das mit Erfolg: „Wir wollten Farbe in die grauen, tristen Ecken der Stadt Leipzig bringen. Durch Kontakte gelangen wir an besprühbare Flächen. Im Laufe der Zeit haben wir uns immer weiter professionalisiert und sind mittlerweile auf internationalem Niveau“, so Kittel.

Der Graffitiverein umfasst 35 feste Mitglieder und viele „Mitmacher“. Denn der Verein vermittelt, ähnlich einer Agentur, Künstler für verschiedene Arbeiten. Kittel nutzt dafür einen passenden Vergleich: „Ein Graffiti-Projekt ist wie Kochen. Ich weiß vorher, was am Ende rauskommen soll und suche mir dementsprechend die passenden Zutaten.“


Ein Mitglied des Vereins beim Gestalten des Pharaos in der Wildwasser-Pyramide von Belantis (Bild: Graffitiverein)

Diese Projekte splitten sich einerseits in professionelle Arbeiten, bei denen Profis für ein bestimmtes Bild angefordert werden, andererseits in integrative Arbeiten, wo sich auch nicht-professionelle Sprüher austoben können.

Weiterhin verfolgt der Verein auch pädagogische Absichten. Neben Fachvorträgen veranstalten sie Workshops in Schulen und Kindergärten.


Foto: Graffitiverein

„Aber auch Manager nutzen unser Angebot, um sich einfach mal auszutoben“, erzählt Sascha Kittel. Solche Events bringen dem Verein zudem die nötigen finanziellen Mittel. Denn die Mitgliedschaft selbst ist kostenlos und Geld erhält der Verein sonst nur durch Fördermittel oder bezahlte Aufträge.

Die bunten, detailreichen und aufwändigen Arbeiten des Graffitivereins stehen im starken Gegensatz zu den „gekritzelten“ Schriftzügen von Hobby-Sprayern oder den berühmt-berüchtigten Arbeiten der radikalen Gruppierung RCS und der gegnerischen ORG, die ihre Schriftzüge teils meterhoch an Wände „taggen“. Derzeit seht ihr ihre überdimensionalen Werke am Ringmessehaus und am „Robotron“-Gebäude.


Ein meterhohes Tag der radikalen Gruppierung RCS am Ringmessehaus (Foto: Steffen Heyde)

Sascha Kittel erklärt, dass diese Gruppen zum Actionpol der Graffitiszene zählen: Wer ist der Mutigste, Leichtsinnigste und sprayt das größte Bild? „Diese Sprüher sind die direkte Nachfolge der Null-Toleranz-Politik der Stadt Leipzig vor einigen Jahren. Für die Bewerbung der Olympischen Spiele 2012 lautete das Ziel: Leipzig soll bis zum Jahr 2006 graffitifrei sein. Dass dies nicht funktionieren würde war abzusehen. Im Endeffekt hat es die illegale Szene angeheizt.“


Auch in der Uni ist eine Arbeit des Graffitivereins zu sehen (Foto: Graffitiverein)

Der Graffitiverein distanziert sich klar von den illegalen Gruppierungen und zählt sich zum Künstlerpol der Szene. Zum Glück erkennen auch die meisten Bürger den Unterschied. „Die Polizei bekommen wir beim Sprühen nur selten auf den Hals gehetzt“, bemerkt Sascha Kittel lachend.

Bereits an die 700 Projekte konnte der Verein in den letzten Jahren umsetzen und damit Leipzig ein ganzes Stück bunter machen. Denn die Stadt selbst bietet keine vergleichbaren Angebote. Wenn die Leipziger die farbenfrohen Bilder so toll finden, wer sind denn nun die größten Gegner des Graffitisprühens? Kittel: „Wind und Regen. Die sind die Schlimmsten!“

NR

Weiterführende Links

Homepage des Graffitivereins