Auf Hennings Stimme reduziert? AnnenMayKantereit im Interview: „Von unseren Patenonkels Beatsteaks gelernt“

Eine deutschsprachige Band geht aktuell durch die Decke: AnnenMayKantereit aus Köln. Angefangen als Straßenmusiker, ist die eigene Tour mittlerweile ausverkauft.

© Fabien J. Raclet

Eine deutschsprachige Band geht aktuell durch die Decke: AnnenMayKantereit aus Köln. Angefangen als Straßenmusiker, dann erste Schritte auf den größeren Bühnen als Supportband und mittlerweile ist die eigene Tour ausverkauft. Endlich ist auch das langersehnte Album „Alles Nix Konkretes“ erschienen. Ein Album, bei dem alle Songs schon bekannt sind. Wir haben mit Drummer Severin Kantereit gesprochen.        

Euer Album kommt, aber die Songs sind nicht neu. Warum habt ihr eure Fans nicht schon eher glücklich gemacht?
Wir wollten uns mit dem Album ganz viel Zeit lassen, um es auch richtig zu machen. Wir haben in den letzten Jahren sehr viel live gespielt und da war für uns die Studioarbeit ein Bereich, den wir erst lernen mussten. Wir wollten auch nur live aufnehmen, das haben wir mit der EP getestet. Unsere Herangehensweise war hier eben etwas anders. Normal kennt man es so, dass eine Band ein Album aufnimmt und dann auf Tour geht. Bei uns ist es andersrum. Bei uns hat man zuerst das Live-Eerlebnis, lernt die Songs kennen und dann kommt das Album. Unsere Songs entstehen hauptsächlich auf Tour und reifen auch dort. Und irgendwann ist der Punkt erreicht, dass man sie aufnehmen kann.

Eure Tour war in rekordverdächtiger Zeit ausverkauft. Wie ist es, in vollen Hallen zu spielen und nicht mehr nur die Vorband zu sein?
Das ist ein absurdes Gefühl, wenn man sich vorstellt, was wir eigentlich tun. Wir machen gemeinsam Musik und das finden gerade ganz viele Leute gut. Es ist eine schöne Bestätigung, dass es live so gut funktioniert. Wir haben auf der Straße angefangen und das hat sich langsam weiterentwickelt. Das war natürlich viel Arbeit, wir sind viel unterwegs, aber wir versuchen keinen Schritt in der Größe der Konzerte zu übergehen. Wir sind ja alle keine studierten Musiker, sondern haben nach der Schule beschlossen, erstmal Musik zu machen. Jeder für sich hat sein Instrument besser kennengelernt, dann haben wir angefangen, in einem Club vor hundert Leuten zu spielen. Das war ein langer Prozess, bei dem wir uns daran gewöhnen konnten. Es ist eine schöne Wertschätzung, dass es den Leuten so gut gefällt. Wir verkaufen nach den Konzerten oft noch ein bisschen Merch und da ist es schön, auch mit den Fans ins Gespräch zu kommen, wie sie denn auf uns gekommen sind.

Ihr kennt euch bereits seit der Schulzeit, habt ihr noch nicht die Nase voll voneinander?

© Fabien J. Raclet
Man gewöhnt sich daran, ständig aufeinander zu hängen. Das würde nicht funktionieren, wenn wir nicht die besten Freunde wären. Man braucht natürlich auch mal den Abstand zueinander. Das funktioniert dann aber auch gut. Mit Henning wohne ich ja sogar zusammen, da sieht man sich noch mehr. Aber wenn man lernt, sich mal rauszunehmen, dann funktioniert das. Man erlebt einfach so viel zusammen, dass man teilen kann, worüber man reden kann. Daran merkt man, wie schön es ist, dass man eine Band ist und nicht als Solomusiker unterwegs zu sein. Wir teilen unsere Erlebnisse, um nicht überrannt zu werden. Wir haben anfangs viel selber gemacht und jetzt Stück für Stück abgegeben an unsere Booking Agentur oder unseren Manager Carlo. Alle ziehen an einem Strang und das ist ein schönes Konstrukt, um gemeinsam Spaß zu haben. 
Und von unseren Patenonkels, den Beatsteaks, haben wir gelernt, wie man es lange gemeinsam aushält und erfolgreich Musik zu machen.

Was ist euer Erfolgsgeheimnis? Hennings Stimme? Ehrliche Texte? 
Wenn wir das so genau wüssten … Es sind, glaube ich, einfach die Umstände. Wir machen Musik, die viele Leute verstehen. Die Fans sehen, was auf der Bühne passiert und auch die Texte sind eigentlich recht einfach, so dass es leicht ist, sich da hineinfallen zu lassen. Hennings Stimme ist sicherlich auch ein Alleinstellungsmerkmal, was zu uns passt. Aber das wird meist von außen nur darauf reduziert.

Ihr habt u.a. mit Clueso, K.I.Z und Beatsteaks zusammengearbeitet. Habt ihr Klinken geputzt oder kamen die Herren auf euch zu?
Wenn man im Musikbusiness unterwegs ist, dann ist sowas ja immer Thema und wenn Clueso einen Support sucht, dann setzen sich alle zusammen und stöbern schon mal im Internet. 
Bei den Beatsteaks war es so, dass Peter und Torsten bei einem Radiointerview waren und währenddessen lief unser Song. Wir waren an dem Tag zufällig in Köln ein Bier trinken und da kam plötzlich eine Mail rein, dass sie unsere Musik gehört haben und ob wir nicht Bock hätten, mit ihnen auf Tour zu kommen. Das war schon ein geiler Moment! Auf die Beatsteaks haben wir schon gut abgefeiert und sie waren früher eines meiner ersten Konzerte. Und dann für die Jungs Support spielen zu dürfen, ist klasse.

Pläne für 2016? Kommt irgendwann ein Album mit neuen Songs?
Wir sind jetzt an einem Punkt, wo man nicht mehr herumkommt, weit im Voraus zu planen. Es sind mittlerweile auch so viele Leute involviert. Wir machen uns jetzt schon Gedanken über eine Tour 2017. Dieses Jahr ist allerdings schon durchgeplant. Mit dem Album, der Tour, unserem Wanderzirkus. Und sicherlich ist auch Zeit dazwischen, in der wir uns sammeln und in den Urlaub fahren können. 
Auch ein zweites Album ist in den Hinterköpfen, aber momentan konzentrieren wir uns einfach auf das Album, was jetzt erscheint. Gedanken über Richtungen oder neue Sachen sind schon da, aber da lassen wir uns wieder genügend Zeit. Wir haben auch von keiner Seite Druck. Wenn das alle wollen, dann wollen wir gerne die nächsten 20 Jahre Musik machen.