Audio88 & Yassin im Interview Audio88 & Yassin: Rap ist keine Blase abseits der Gesellschaft

Audio88 & Yassin sind an Schroffheit und Humor im Deutschrap kaum zu übertreffen. Ihr neues Album „Halleluja“ schreit der Gesellschaft mitten ins Gesicht.

© Presse

Audio88 und Yassin sind nicht nur das normalste Team, welches Deutschland zu bieten hat, sondern auch an Schroffheit und Humor im Deutschrap kaum zu übertreffen. Kritisch und misanthropisch scheuen die beiden nicht vor verbalen Schellen. Auch ihr neues Album „Halleluja“ schreit der Gesellschaft und ihren Krankheiten mitten ins Gesicht. Ihr könnt euch am 10. November 2016 im Conne Island selbst davon überzeugen. Wir sprachen mit den beiden über nervige Christen, die Verantwortung von Rap und Beste-Band-Freundschaft.

Haben sich schon gewisse Personengruppen bei euch bzgl. des neuen Albums beschwert?

Audio88: Ja. Leute, die mit unserer religiösen Auffassung ein Problem haben, gab und gibt es auch immer noch zur Genüge. Yassin bekommt die Nachrichten der Muslime und ich die der Hardcore-Christen. 

Was schreiben die euch?

Audio88: Sie wollen, dass wir uns nicht über ihren Gott lustig machen. Und dass wir in die Hölle kommen.

Yassin: Die Christen oder, ich will mal anzweifeln, dass alle Christen sind, … die Deutschen, die Europäer werfen uns vor, dass wir nicht die Eier haben, so etwas auch mit dem Islam zu machen. Lustigerweise sind mir die Muslime, die mich kontaktieren, immer sehr freundlich gesinnt. Die versuchen mich, glaube ich, eher zu rekrutieren. Die sehen da Gemeinsamkeiten in der kritischen Haltung gegenüber des Christentums (lacht).

Ihr seid schon immer politisch – Denkt ihr, dass es heute mehr als gestern wichtig ist, sich gerade auch im Deutschrap politisch zu positionieren?

Yassin: Es wird oft so getan, als wäre Rap ’ne Blase abseits der Gesellschaft. Dabei finde ich, ist Rap eigentlich die Musikform neben Punk, die noch am ehesten aus der Gesellschaft kommt, aus gesellschaftlichen Problemen herauswächst. Deswegen ist es natürlich, wie in jedem Bereich der Gesellschaft, jetzt gefragter klar Position zu beziehen als die letzten 20 Jahre. Da kann sich Rap nicht rausziehen. In jeder Kultur, genauso wie im Journalismus – überall, wo es Öffentlichkeit und eine Reichweite gibt, ist eine Entziehung aus den politischen Gegebenheiten gerade feige bis ignorant.

Gibt es Fans der ersten Stunde, die sich mit eurer Musik nicht mehr identifizieren können?

Audio88: Ja. Kritik ist dann wie folgt: Früher hat alles gerumpelt und das ist jetzt nicht mehr so. Aber inhaltlich – schließen wir „Normaler Samt“ als Konzeptalbum über Rap mal aus – und thematisch gibt es da keinen großen Unterschied. Auch wenn man „Nochmal Zwei Herrengedeck“ mit „Halleluja“ vergleicht, haben wir da schon eine ähnliche Themenpalette. 

Yassin: Die Bewertung oder Behandlung der Themen hat sich bestimmt geändert. Das liegt aber auch daran, dass sich unser Leben geändert hat. In den letzten acht Jahren hat sich natürlich bei uns auch privat viel getan und unsere Texte haben damals wie heute viel aus dem Privaten gezehrt. Und dann ist es normal, dass sich die Betrachtung bestimmter Themen dementsprechend etwas ändert. Es ist nicht so, dass wir die alten Themen nicht mehr in unserem Leben haben, die sehen einfach anders aus als früher. 

Gibt es Songs von damals mit denen ihr euch gar nicht mehr identifizieren könnt?

Audio88: Es gibt kein Lied, was wir gemacht haben, für das ich mich schämen würde. Wir pressen unsere alten Alben auch immer noch.

Was hat sich über die Jahre musikalisch bei euch geändert?

Audio88: Wir sind mittlerweile schon sehr nah an der Perfektion, weil wir von Platte zu Platte immer besser wurden. Es wird echt schwer, sich zu steigern. 

Also das letzte Album?

Audio88: Nee … Vielleicht kommen noch welche, deren Ansprüchen wir dann einfach nicht gerecht werden können. 

Mittlerweile befindet ihr euch ja nun manifestiert im „Inner Deutschrap Circle“. Könnt ihr da eure kritische Sicht auf das Business und Kollegen fortbestehen lassen?

Yassin: Wir sind jetzt nicht sooo tief in der Szene drin, dass man da keinen kritischen Blick mehr drauf haben kann. Man versteht jetzt natürlich irgendwie Abläufe, die man früher einfach als gegeben gesehen hat. Versteht damit auch eher, warum Entscheidungen von anderen Künstlern so und so gefällt wurden. Das alles ändert aber nichts daran, dass man diese Entscheidung oftmals immer noch scheiße findet. Wir haben jetzt einen klareren Einblick. Jetzt muss man selber geschäftige Entscheidungen treffen. Das war früher mit selbstgebrannten CDs einfach ein bisschen anders. Das ist jetzt kein Hexenwerk, es ist aber auch nicht alles toll, was man da machen muss. So ein Job ist eben auch Arbeit und von dieser Arbeit ist nicht immer alles cool.

  

Mit wem steht denn noch ein Feature aus?

Yassin und Audio88: Tua.

Audio88: So ein richtiges Lied mit Tua, er ist ja bei „Mann im Mond“ auf „Normaler Samt“ zu hören, aber das wäre eine schöne Sache.

Arbeitet ihr an neuen Projekten oder seid ihr gerade nur Tour-focused?

Yassin: Wir arbeiten noch an anderen Projekten, doch müssen wir diese noch geheim halten. Wir sind nicht untätig und freuen uns sehr aufs nächste Jahr.

Yassin und Audio88, ihr kennt euch durch einen ehemaligen Mitbewohner Yassins, seit dem macht ihr Musik zusammen. Auf der Bühne bis hin zu Interviews: ihr wirkt immer unglaublich harmonisch. Trügt da der Schein manchmal?

Audio88: Wir sind halt von Jahr zu Jahr bessere Schauspieler geworden (lacht).

Yassin: Ich glaube, dass wir jetzt alle drei mittlerweile Geschäftspartner sind, dass das so funktioniert und praktisch der geschäftliche Bund Reibereien stand halten kann, liegt daran, dass wir in erster Linie alle Freunde sind. Und wenn wir morgen aufhören würden miteinander Musik zu machen, sind wir immer noch Freunde. Vielleicht noch bessere (lacht). Die Tatsache, dass wir uns so lange kennen und sehr oft und auch für längere Zeit auf engstem Raum zusammen sind vermeiden viele Konflikte.

Was ist denn Yassins/Audio88s tollste Eigenschaft?

Audio88: Seine Zuverlässigkeit (lacht). Nein … Er ist sehr unpünktlich. Aber ich könnte mich da gar nicht auf eine festlegen. Yassin ist mein bester Freund und das seit Jahren und ich habe mir nicht grundlos seinen Namen in den Oberarm tätowieren lassen. 

Yassin: Ich glaube seine Ehrlichkeit. Man weiß immer genau, woran man ist. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, in jeglicher Hinsicht. Das ist, glaube ich, der Charakterzug, der sich durch seine komplette Persönlichkeit zieht und den ich sehr schätze. 

Was sind denn eure Assoziationen zu Leipzig?

Audio88: Wir hatten auf unserer letzten Tour auch einen Stopp im Conne Island, der uns ewig im Gedächtnis bleiben wird. Aber ansonsten … Morlockk Dilemma verbinde ich noch mit Leipzig. Das war’s eigentlich.

Yassin: Mir gefällt die Stimmung in Leipzig, sehr angenehm und links genug (lacht). Ich finde, man fühlt sich, dafür dass es ja in Ostdeutschland ist, in Leipzig sehr wohl und man hat das Gefühl, dass dort viele Menschen sind, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen. Auch die Wahl des Conne Islands haben wir bewusst getroffen. 

Euer Wort zum Sonntag:

Yassin: Jeder, der das hier liest, muss mit einem schlechten Gewissen gehen, weil er gesündigt hat oder seinen Liebsten verheimlicht hat, was er eigentlich gerne für Musik hört. Nämlich unsere. Er soll Buße tun und zu unseren Konzerten kommen, erleuchtet werden und dann in die Welt hinausgehen und verkünden, wie großartig wir sind.