Schubsen für den Seelenfrieden Ausprobiert: Roller Derby

urbanite wagt sich beschwingt auf vier Rollen und testet Roller Derby, eine Vollkontaktsportart aus den USA.

urbanite wagt sich beschwingt auf vier Rollen und testet Roller Derby, eine Vollkontaktsportart aus den USA. Spoiler: Auch nach einem Training bei den Rolling Raptors in Leipzig ist mein Hintern noch intakt.

© Anna Gumbert

Ich hatte mich ein wenig belesen über diesen Sport, der objektiv aussieht wie eine Mischung aus Skaten und Rugby. Von schlimmen Verletzungen ist da die Rede, in einer Facebookgruppe berichtet ein Mädel, dass sie sich beim Roller Derby den Steiß gebrochen habe. Die Spielerinnen tragen brachiale Namen wie „Barbaren-Barbara“ oder „Bitchy Butcher“. Was erst mal gefährlich klingt, finde ich faszinierend. Inline-Skaten kann ich, in den gelegentlichen Moshpits auf Konzerten hab ich auch schon den ein oder anderen Knuff abbekommen, also was soll’s: Diesen Sport möchte ich kennen lernen!

In Leipzig gibt es bisher zwei Roller-Derby-Teams. Eines davon ist gerade noch im Aufbau und trägt den klangvollen Namen „Rolling Raptors“. Die gefährlichen Raubtiere treffen sich jeden Freitag und im Sommer auch dienstags zum Training und sehen dem ersten Anschein nach gar nicht so brutal aus, wie ich mir das vorgestellt habe. Ziemlich nett, um genau zu sein!

Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weiterrollen

© Anna Gumbert

Die sieben Sportlerinnen samt Trainer Paul nehmen mich mit zu ihrem Hallen-Training. Ich packe mich zu Beginn dick in Schoner, Helm und Schuhe ein. Die Rollschuhe beim Roller Derby haben vier Rollen, die je in Paaren neben-
einander angeordnet sind, anders als Inliner, bei denen Rolle für Rolle nacheinander kommt. Mutig schwinge ich mich auf und freue mich, da ich Inliner-Veteranin mich eigentlich recht gut auf den Beinen halten kann. Mit Schwung rolle ich auf das Team zu, das sich im Kreis in der Mitte der Halle aufgestellt hat. Und falle hin, mit Schmackes auf den Po, dass es knallt. Autsch! Erschrockene Gesichter, nein, nein, mir geht’s gut, sage ich und verdrücke ein paar Schmerzenstränen.

Nicht nur wegen dieses Aussetzers starten Trainer Paul und ich erstmal mit ein paar Fall-Übungen. „Der Trick ist, immer leicht das Gewicht nach vorne zu verlagern, in die Knie zu gehen. So kannst du dich beim Fallen mit den Knie- und Handschonern abfangen”, erklärt der junge Mann, der in seiner Freizeit auch gerne als Schiedsrichter für Derbys auf dem Track steht. Also schmeißen wir uns die nächsten Minuten mehrmals zu Boden, bevor es ans Bremsen geht. Das erinnert tatsächlich ans Skifahren; beim „Plow-Stopp” biege ich die Beine einfach solange zur Mitte, bis ich stoppe. Mit den anderen Mädels darf ich mich sogar schon im Wettbremsen messen, einmal durch die Halle fetzen und dann eine Vollbremsung hinlegen. Hinlegen ist hier das korrekte Wort – mit einem lauten, erschreckenden Geräusch küsst meine Kehrseite abermals den Hallenboden.

Vom Jammen und Blocken

Die Übungen sollen helfen, Sicherheit auf den Rollen zu gewinnen, bevor man richtig ins Derby startet. Auf den ersten Blick scheinen die Roller-
Derby-Regeln nämlich etwas überwältigend. Im Grundprinzip geht das Spiel aber so: Gespielt wird mit 14 Spielerinnen auf einer ovalen Bahn und in zwei 30-minütigen Halbzeiten, die wiederum in kleinere Runden, sogenannte „Jams“ aufgeteilt sind. In jedem Jam, bei dem fünf Spielerinnen jedes Teams auf dem Track fahren, versucht die vorher ernannte, sogenannte Jammerin aus jedem Team Punkte durch das Überrunden ihrer Gegnerinnen zu erzielen. Die Blockerinnen des gegnerischen Teams versuchen wiederum, die Jammerin aufzuhalten und ihrer eigenen einen Vorteil zu verschaffen.

Um sich auf das Jammen und Blocken vorzubereiten, wird dann in der restlichen Zeit dem Körpervollkontakt gefröhnt. In abwechselnder Position versucht eine der Raptorinnen gleich drei oder vier ihrer Teammitglieder von sich wegzudrücken. Das sieht nicht nur anstrengend aus. „Nach dem Training bin ich immer ziemlich erledigt“, verrät mir ein Mitglied später verschwitzt. „Es ist ein bisschen so wie Boxen – danach fühlt man sich super ruhig und ausgeglichen!“

Ein bisschen Knuff für den Seelenfrieden also. Neben der Suche nach einer größeren Trainingsfläche freut sich das Team auch über furchtlosen Nachwuchs. „Jeder ist willkommen, auch ohne Rollschuh-Erfahrung”, meint Paul, „nur sollte man nicht scheu gegenüber dem Körperkontakt sein.”

Web: www.rollerderby-leipzig.de/rolling-raptors

Info: Trainiert wird aktuell jeden Dienstag ab 19 Uhr auf der Speedskatingbahn des SC DHfK Leipzig auf der Diderotstraße und am Freitag ab 19:30 Uhr in der Sporthalle der 120. Schule in der Martin-Herrmann-Straße 1.

Schreibt gern eine Nachricht auf Facebook und bringt einen Helm oder Schützer mit zum Training. Schuhe könnt ihr euch zu Beginn noch ausleihen.