Plagwitz' barocker Wächter Blick hinter die Kulissen: Felsenkeller

Außen bröckelt der Putz, innen regiert die Belle Époque. Mehr Gegensatz geht kaum. Der Felsenkeller am Puls von Plagwitz erzählt eine Geschichte von Zerschlissenheit, Tradition und Aufwind.

Außen bröckelt der Putz, innen regiert die Belle Époque. Mehr Gegensatz geht kaum. Der Felsenkeller am Puls von Plagwitz erzählt eine Geschichte von Zerschlissenheit, Tradition und Aufwind. Die einmalige Eventlocation an der Karl-Heine-Straße 32 ist seit Ende 2014 aufpoliertes Denkmal fast vergessener Zeiten und inzwischen für die nächsten Jahre Stadtteilgeschichte gerüstet. 

© Matej Zieschwauck
Klatscht man in die Hände, hallt ein Echo durch den Raum, das ordentlich nachwirkt. Schwer fällt es nicht, sich vorzustellen, wie der barocke Ballsaal mit Leben gefüllt ist und seine Einmaligkeit in Klang und Ästhetik entfalten kann. Eine stilechte Atmosphäre, die einen Wow-Moment hinterlässt. Ein bisschen erinnert das Herzstück des Felsenkellers an ein römisches Bad, mit seinen Säulen und der eingelassenen zweiten Ebene. Leer wirkt der Saal nahezu ehrfürchtig historisch. Barocke Tapete, Teppich und gleißender Kronleuchter-Schimmer tun ihr Übriges, um sich in eine andere Zeit zurückversetzt zu fühlen. 

Kultureller Tausendsassa

© Benjamin Uebe
In den alten Balken, Ziegeln, Fenstern und Wänden steckt viel Substanz. Ein Fleckchen Erde, das der Leipziger schon über Generationen mit Geschichten und Erinnerungen zu füllen weiß und heimatlich damit verwachsen scheint. Nicht groß verwunderlich also, dass viele im Umgang mit „ihrem“ Felsenkeller, der immerhin schon seit 1890 besteht,  recht sensibel sind. „Der Felsenkeller war eben immer schon da – genutzt oder nicht. Da denken viele, dass der Komplex städtisches Eigentum ist“, erzählt Oliver Schröter, PR-Manager des Felsenkellers. Mit ein Grund, warum der private Besitzer des barocken Schätzchens seit dem Kauf in den 90er Jahren lieber top secret bleiben will und seit einigen Jahren die kulturelle und öffentliche Arbeit Oliver und seinem Team überlässt. „Das besondere ist auch, dass hier einfach kein Großinvestor dahintersteckt und auch keine Millionen, wir sind ein Kernteam von sechs bis sieben Leuten mit vielen engagierten Helfern. Mehr nicht. Jeder macht hier alles.“ 

Ein Haus der Politik und der Feste gegen den Zahn der Zeit

© Lisa Schliep
Wo inzwischen Konzerte, Lesungen und Partys Meilensteine setzen, durchlief der Felsenkeller in seinen nun schon über 100 Jahren Daseinsberechtigung eine unruhige, aber aufregende Reise durch die Zeit. Der Felsenkeller war politisch – öffnete seine Türen Rednern wie Liebknecht, Luxemburg, Zetkin und Co., beherbergte immer mal wieder Tanzwütige, Musikbegeistere und Festgesellschaften und kämpfte, wie so viele historische Bauwerke, stetig gegen den Zahn der Zeit. Dass der irgendwann brüchig wird, ist klar – es musste also etwas passieren. 2012 und 2013 wurde der romantische Kuppelbau kernsaniert – ein schwieriges Unterfangen, das sehr langen Atem und einen sensiblen Umgang mit den alten Strukturen des Hauses erfordert hat. Immer getreu dem Motto: Ästhetik vor Logistik. Ein Herz für Patina. Das Team habe durch die Bauarbeiten den Felsenkeller erst richtig kennengelernt, erzählt Oliver. Ihnen sei es wichtig gewesen, den Felsenkeller im Sinne seiner ursprünglichen Bestimmung wiederzubeleben. „Die Stimmung und ja, selbst der Geruch sollten authentisch bleiben.“

Von außen lässt sich nur schwer erahnen, wie groß das Haus ist. In den Keller-Katakomben verirrt man sich leicht. Viele Gänge, viele Räume, vieles noch Teil-Baustelle. Und dann eine Ecke weiter, mal eben ein modernes und gemütliches Künstlerquartier mit Küche, Bett und Sitzgelegenheit unter Tage. Unten wie oben lässt jeder Raum Platz für Überraschungen. Pläne für eine Bar hin zur Straßenseite gibt es auch schon. Der Biergarten für die lauschigen Tage und Nächte läuft schon mal. Auch hier herrscht Neobarock. Hollywoodschaukeln säumen sich an kleine Tische, ausgefallene Lampen und Laternen spenden Licht. Das Innere wurde erfolgreich nach außen gekehrt, Neu spielt mit Alt – ein Konzept, das aufzugehen scheint. 

Einmal Hardcore, Jesus-Schelte und kulinarische Finesse bitte!

© Matej Zieschwauck
Auch im Programm trifft Altbewährtes auf neue Ufer. Aber ganz die Wurzeln vergessen – für das Team keine Option. „Wir kommen alle aus Dessau und haben unsere Base im Punk- und Ska-Milieu. Uns war wichtig, dass das auch Teil des Ganzen wird“, erzählt Oliver. Gesagt, getan.
So steht auch in diesem Jahr wieder das Dynamite Skafestival am 21. November 2015 auf der Liste. Highlight des Abends: Ska-Ikone The Hotknives.
Auch der Punk hält Einzug. Mit Teenage Warning Vol. II am 14. November 2015 kann mit Die Kassierer und den Oi! Punkern Berliner Weisse gefeiert werden.
Neben Partyreihen wie der Trash-Factory und der 90er-Reihe „Endlich wieder Party“, wartet im Dezember ein ganz besonderes Veranstaltungshighlight, auf das auch die Veranstalter hin fiebern: Die Dinnershow „Enthüllungen“ – eine Mischung aus Burlesque, Artistik, Theater und Live-Musik, die vom 1. bis 5. und vom 9. bis 12. Dezember 2015 die barocken Reihen im Felsenkeller füllen soll. Dazu ist das Marriott Leipzig am Start und kredenzt Sterneküche. Wir verlosen für die Premiere am 1. Dezember 1×2 Freikarten!
Mit Karo-Pullunder und vertrauter Fast-Glatze präsentiert sich Comedian Olaf Schubert vom 14. Dezember bis zum 17. Dezember 2015 mit seinem Krippenspiel im Felsenkeller und feiert Jesus.
Wer Beschaulichkeit kurz vor Weihnachten als überschätzt empfindet, kann am 19. Dezember 2015 zusammen mit Deez Nuts auf ihrer Word is Beyond- Tour Hardcore feiern.