Axel „Aki“ Bosse über seine aktuellen Songs, ihre Inhalte und das Leben Bosse im Interview – „Ich glaube ankommen tut man erst, wenn der Sargdeckel zugeht“

Bosses neues Album „Alles ist jetzt“ zeigt viele Facetten und Entwicklungen des Musikers – wir haben mit Axel „Aki“ Bosse über seine aktuellen Songs, ihre Inhalte und das Leben gequatscht.

© Presse Landstreicher

Bosses neues Album „Alles ist jetzt“ zeigt viele Facetten und Entwicklungen des Musikers und bietet damit Identifikationsflächen für so manche Lebenslage. Dementsprechend haben wir uns mit Axel „Aki“ Bosse so richtig über seine aktuellen Songs, ihre Inhalte und das Leben festgequatscht.

Erst mal Glückwunsch zum schönen neuen Album und zu Platz 1 in den Album-Charts. Ist man da als Künstler selbst neugierig und schaut nach oder wie erfährst du das?

Ich erfahre das wirklich an dem Freitag, wenn das alle erfahren, also ich glaube eine Stunde vorher oder so. In dem Fall war es so, dass ich sehr romantisch auf der Autobahn irgendwo bei Frankfurt alleine im Stau stand. Genau, und dann haben sie mich angerufen, ein Facetime-Anruf war das, und da hab ich nur so zwei besoffene Mädels in der Plattenfirma gesehen, die sich schon richtig einen gekippt hatten und einfach gegrölt haben und dann wusste ich irgendwie: „Ich glaub ich hab jetzt die 1“.

Ich fand einige deiner Lyrics ziemlich interessant, zum Beispiel in „Alles ist jetzt“ den Satz „Weiter geiler brauch ich nicht mehr“ oder in „Wanderer“ – „Tausch‘ meinen Trekking-Rucksack gegen ein Billy-Regal“. Würdest du sagen, du fühlst dich angekommen?

Naja, also zumindest fühl ich mich nicht mehr so durchgebumst wie mit noch 20. (lacht) Da hatte ich immer das Gefühl: „Ey Alter, es geht noch was, ich muss reisen, ich muss mich falsch verlieben, ich muss das alles haben. Ich muss umziehen, ich darf nix verpassen, ich muss tanzen, ich muss raus, ich muss alles erleben“. Und darum geht es ja viel auf dem Album, dass ich im Moment schon so das Gefühl habe: „Hey. Ganz ganz viele Situationen hab ich schon erlebt, ganz ganz viele Partys hab ich schon gefeiert, und irgendwie kann ich jetzt gerade anfangen, mir das auszusuchen, und das aber dann auch mal zu genießen, ohne so getrieben zu sein“. Das sagen eigentlich beide Sätze, die du gerade genannt hast. Sich dem Ganzen einfach bewusster zu sein – vielleicht verglichen mit einem ziemlich leckeren Essen, was ich mit 20 in mich rein gestopft hätte, um schnell zum Nachtisch zu kommen und schnell zur Kippe. Jetzt ist es eben so, dass ich das Gefühl habe ich esse 6,5 Minuten länger. (lacht erneut) Weil ich es einfach so lecker finde.

  

Du kannst es also mehr genießen?

Ja, ich genieße es schon mehr. Das Gefühl habe ich. Also die Besonderheit der Dinge kann ich im Moment besser für mich abtasten als damals. Und das hat glaube ich schon etwas von „angekommen“. Sonst so der Begriff – ich weiß nicht ob man überhaupt mal ankommt. Ich glaube ankommen tut man erst, wenn der Sargdeckel zugeht.

Die Frage ist natürlich auch, wie kreativ man noch sein kann, wenn man wirklich angekommen ist an einem Punkt.

Ja genau. Gibt es nicht immer so Zwischenpunkte? Wenn man ein Kind kriegt, dann hat man das Gefühl: „Oh krass, ich hab jetzt ein Kind, ich hab Verantwortung, da ist eine ganz andere Liebe“, und dann merkt man aber sobald das Kind da ist: angekommen sind wir hier noch lange nicht. Ich glaube, auch wenn ich mir jetzt ein Haus bauen würde, hätte ich nicht das Gefühl ich wäre angekommen. Dann könnte ich sagen, ich habe ein Zuhause, aber das geht immer die ganze Zeit so rund bei mir, dass ich jetzt nie das Gefühl hätte, das wird uninteressant oder es bleibt so stehen. Aber trotzdem bin ich entspannter damit und ich drück da nicht mehr hin, dass immer wieder irgendwas passiert, sondern ich lasse eben mal so ein bisschen passieren, das ist ganz gut. 

Du wirst bestimmt oft auf den Song „Robert de Niro“ angesprochen, gerade weil du da Politisches im Text hast. Du hast das in diesen Song (und auch in andere) sehr homogen eingebaut. Das ist irgendwie so da, ohne dass man das Gefühl hat: „Da hat jemand versucht absichtlich einen politischen Song zu schreiben“. Was war daran die Herausforderung?

Die Herausforderung für mich erst mal im Allgemeinen: Ich hab mit 13 angefangen, weil ich Songs über Freundschaften und kaputte Dinge und damals wahrscheinlich sogar noch über Selbstmord wegen Nirvana schreiben wollte, und weil ich Bock hatte Mucke zu machen. Aber ich bin bisher nie angetreten, um ein politischer Songwriter zu sein und ich war auch noch nie eine Punkband oder so. Und deswegen war es für mich jetzt der Schritt, dass das einfach erst mal vor allen Dingen ein guter Song wird. Ich versuche schon seit ganz ganz vielen Jahren, eine politische Nummer zu schreiben, fand das dann aber immer zu parolig, oder zu stumpf, oder zu flugblattmäßig. Ich habe immer gedacht: „Ey ganz ehrlich, verglichen mit all dem anderen Zeug was ich mache, wirkt das wie ein Fremdkörper und deshalb dann so gewollt.“ Und das wollte ich irgendwie nicht. Diesmal war es aber so, dass mir die Kotze ja wirklich so hart im Hals stand, also immens, die ganze Zeit. Und ich bin, seitdem ich 13 bin, ein hardcore politischer Mensch. Ich mache ganz viel, so neben der Musik auch, und jetzt aber auch als Musiker. Und dann war für mich die größte Herausforderung, einen Song zu schreiben, wo man nicht das Gefühl hat: „Alter, der haut jetzt irgendwie das ganze Album kaputt, weil der so anders ist“, sondern der ist irgendwie da und natürlich musste der schlau sein, und das musste eine Story sein, die darin eingebettet ist. Das war alles gar nicht so einfach, an dem hab ich von allen Songs am längsten gesessen und gegrübelt. Wie kriege ich das eigentlich so hin, dass das so ganz von mir aus dem Herzen kommt und dass auch ich als Hörer das nicht als eine Attitüde sehen würde? 

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Gibt es eigentlich eine Hemmschwelle als Künstler, sich politisch zu äußern, oder würdest du vielleicht sogar sagen eine Verantwortung?

Ich habe das jedenfalls komplett als meine Pflicht gesehen. Ich habe zum Beispiel schon in Ländern gewohnt, wo es mit Presse- und künstlerischer Freiheit überhaupt nicht  so leicht ist wie hier. Und dann fand ich es natürlich auch für mich gerade als Musiker eine fucking Pflicht, das Maul aufzumachen und den Leuten das noch mal zu erzählen, dass es jetzt gerade wichtig ist, dass man nicht da so rumsitzt und schweigt und seine Instagram-Selfies postet, sondern dass man sich mal kurz Gedanken macht und den Mund aufmacht, wenn man ein gutes Mädchen ist oder ein guter Typ. 

Ein anderes Thema, das sich auf dem Album so ein bisschen rauskristallisiert, ist Familie. Was bewegt dich daran?

Ich finde, die Familie gibt irgendwie so alles her. Ich hatte irgendwann einen Song, der hieß „Familienfest“, das war eigentlich mein erstes Lied über Familie. Und dann habe ich mir im Freundeskreis mal eine Bruder-Bruder-Beziehung angeguckt und fand das so super spannend, weil ich beide Brüder kenne, und dann in dieser Beobachtung fand: Es hängt so viel Kaputtes drin – und so viele Erinnerungen. Und genau so geht es mir ja auch. Ich bin 38, meine Eltern werden alt, meine Schwester hat Kinder. Mein Bruder ist ganz weit weg und wie ist das denn eigentlich, wenn man sich wieder sieht? Und wie sind denn so die alten Verhältnisse? Das ist eben das tolle an der Familie, dass da ganz ganz oft noch aus Kindertagen Sachen hängen geblieben sind. So die komplette Portion Liebe natürlich, aber auch andere Muster. Wie ist das dann heute und wie geht man damit um? Finde ich super interessant.

Ich habe bei vielen Songs durchaus das Gefühl, dass mich das in meiner Lebensphase auch anspricht. Man kommt langsam an den Punkt, dass man merkt, man ist irgendwie erwachsen. Spielt das für die Texte und deine Musik eine Rolle?

Ich habe mir darüber nie so viele Gedanken gemacht, auch über das Erwachsenwerden nicht. Also ich meine, ich bin mit 25 Vater geworden, geplant, ich hab aber auch mit 13 schon Sachen gemacht, die Leute mit 22 vielleicht noch nicht gemacht haben. Ich weiß aber immer nicht so richtig was erwachsen ist. Die ganze Mischung aus dem was ich jetzt davor gesagt habe – mit dem Genießen und dem nicht mehr Hinterherrennen und mit dem sich Gedankenmachen, was man mag und was man nicht mag, und sich selber vielleicht ein bisschen sicherer sein, irgendwann vielleicht auch mal wieder unsicherer – das sind glaub ich alles so Sachen, die einen größer machen, also erwachsener. Das soll es ja eigentlich sein, also wachsen, und irgendwann ist man erwachsen. Was man aber vielleicht nie ist, genau wie man nie ankommt … 

Verständlich. Ich habe ja auch oft das Gefühl ich bin 15, aber mit ersten Falten und Steuerformularen.

Ja genau. Aber manchmal hast du doch bestimmt das Gefühl, dass du schon 60 bist? Das hab ich manchmal. Wenn ich auf der Bühne stehe zum Beispiel. Der Körper … Ich bin so alt geworden. Und dann gucke ich zu meinem Gitarristen, und der hat so geil graue Haare gekriegt. Und dann gucken wir uns an und dann sieht der immer noch in der Fresse aus wie damals mit 17, aber irgendwie sind wir alt geworden. Ist egal. Hauptsache es bleibt lustig und schmutzig! 

Du hast ja auch den Song „Ich bereue nichts“ auf dem neuen Album. Gibt es denn eine Geschichte oder ein Erlebnis, wo du sagst: Das war damals nicht so gut, aber auf Dauer hat es mich dahin gebracht wo ich jetzt bin?

Ich hab mich so oft im Leben so schlimm verliebt, aber falsch. Und ich hab dadurch wirklich auch die Welt kennengelernt. Das hat damals dann auch immer wirklich weh getan, so im Nachhinein ist das aber alles natürlich gut gewesen, weil ich auf meinen Umwegen die besten Leute kennengelernt habe. Das weiß man natürlich in dem Moment nicht, sondern immer erst im Nachhinein.

Meine schrecklichste Zeit war ja eigentlich … Ich war ja mal so zwei Jahre lang ohne Wohnung, da habe ich dann immer nur im Proberaum gepennt in Wuppertal-Oberbarmen, was jetzt nicht gerade der Bezirk ist, wo man gern wohnen will. Und manchmal ist es so, wenn ich ein großes Konzert spiele, so ein richtig großes, und es ist ganz besonders und feierlich und sogar Mutti kommt, dann stehe ich manchmal da – noch so mit meinen alten Wuppertalern, das sind ja Thorsten und Theo aus meiner Band, mit denen ich das schon so 16 Jahre jetzt mache – und ganz oft sagen sie: „Das ist doch Wahnsinn. Guck hier. Da stehen sie alle, und jetzt denk noch mal zurück als wir ’nen Kühlschrank hatten mit Feta und Wodka drin, und du einfach in diesem Proberaum gepennt hast bei uns. Wahnsinn!“ Ja, so ist es. Ich hatte auch keine Dusche, aber trotzdem gibt es da nichts zu bereuen. Ich bin eben irgendwie dran geblieben oder so.

Du gibst ja wirklich alles auf der Bühne. Haben sich die Bühnenauftritte für dich über die Jahre verändert?

Wenn ich ehrlich bin: überhaupt nicht. Also gar nicht. Das Einzige ist das Drumherum. Da ist ja auch so ein Sprinter jetzt. Wenn wir groß spielen, dann zwei Nightliner, drei LKWs oder so, alles Riesen-Brimborium, tausend Leute mit. Trotzdem ist dann der Moment, wenn ich auf die Bühne gehe, immer noch wie mit 15. Im besten Falle gehe ich dann da raus, bin in meinem Film und das ist immer noch eines der besten Gefühle auf der Welt.

Du kommst ja bei deiner Tour auch am 25. März nach Leipzig ins Haus Auensee. Worauf freust du dich denn bei der Tour?

Am Allerschönsten ist es ja immer, einfach in dieser Truppe unterwegs zu sein. Die Tage einfach so zu verbringen und im März kann man auch schon wieder Eis essen. Ja und ansonsten freue ich mich natürlich auf die Leute. Es gibt einfach keine schöneren Tage. Bei mir ist es immer so, dass ich aufstehe, es ist alles super entspannt, überhaupt gar kein Druck. Man muss ein bisschen auf die Stimme achten, man macht ein bisschen Sport, man trifft total viele nette Leute und abends haut man wieder richtig weg. Und ich freue mich natürlich sehr aufs Haus Auensee, da habe ich auch schon öfter mal gespielt. Das ist eine richtig schöne Halle und dann gibt es in und um Leipzig einfach eine krass treue Fanbasis. Und dann wird das irgendwie einfach gut. Da freue ich mich jetzt schon auf die Adrenalin-Ausschüttung.

BOSSE – ALLES IST JETZT TOUR 2019

25.03.2019, Haus Auensee | Einlass: 18:30 Uhr, Beginn: 20 Uhr | Karten erhaltet ihr im VVK ab 44 € 

Übrigens: urbanite verlost: 5 x 2 Freikarten für Bosse – Alles ist Jetzt am 25. März 2019 im Täubchenthal.