Broilers-Frontmann Sammy Amara und Drummer Andi Brügge im Interview Broilers im Interview: „Musiker werden irgendwie für nicht menschlich gehalten“

Die Broilers sind einer der gefeierten Headliner des Highfield-Festivals 2015. Wir trafen sie zu einem Gespräch über Freundschaft, Veränderungen und Leipzig.

Die Arme voller Tattoos, ein Bier in der Hand, ein Grinsen auf dem Gesicht und das Herz am rechten Fleck  das sind die Broilers. Die Punkrock-, Ska- und Reggaeband ist zum diesjährigen Highfield-Festival als Headliner am Start. Wir trafen Frontmann Sammy und Drummer Andi zu einem Gespräch über kindliche Naivität, schwarze Musik, ihre geheime Spaßliste und Leipzig als zweite Heimat. Dabei bewiesen sie uns, dass Punk ganz sicher nicht tot ist!  


© Robert Eikelpoth
Gegründet habt ihr euch 1992, wart damals 12 oder 13 Jahre alt. War die Bandgründung eher eine Schnapsidee oder wolltet ihr gezielt eine Band mit Zukunft auf die Beine stellen? 

Sammy: Damals war das ganz klar. Ich meine du bist 12 Jahre alt, da wolltest du schon Weltruhm erlangen. Wir kannten uns vorher noch nicht, aber wir waren unbekannterweise geflasht von der Idee, Musiker zu werden. Und darüber haben wir uns dann kennengelernt. Andi wusste, er will Schlagzeug spielen, ich wusste, ich will Gitarre spielen. Und dann haben wir die Band gegründet. Dabei konnten weder er noch ich ein Instrument spielen. Wir haben dann aber mehr oder weniger die Proben damit verbracht, uns auszumalen, wie die Shows ablaufen, Specialeffects und so (lacht). Und als es dann irgendwann ein bisschen ernster wurde, sind wir auch zum Punkrock gekommen. Da war klar, dass Nicht-Berühmt-Sein eher gewünscht ist, also wolltest du das nicht mehr und so wurden wir auch ein bisschen realistischer.  

Hattet ihr einen Plan B in Sachen Beruf, hätte es mit der Musik nicht so geklappt wie gedacht? 

Sammy: Ich wusste ganz ganz ganz klar, dass ich Grafikdesigner werden wollte.

Andi: Also einen richtigen Plan B gab es nicht. Ich wollte schon immer Musik machen und habe auch sehr früh davon geträumt, das hauptberuflich machen zu können. Ich habe dann mal so vor mich hinstudiert, allerdings mehr so, dass man den Eltern sagen kann, man macht irgendetwas. Ich habe mich irgendwann dazu durchgerungen, eine Ausbildung zu machen, aber zu dem Zeitpunkt war es dann schon so weit, dass wir das mit der Musik hauptberuflich machen konnten. Von daher… so richtig gearbeitet habe ich -außer in der Musik- noch nie.  

Über 20 Jahre zusammen Musik zu machen ist ja eine ganz schön lange Zeit. Wie habt ihr es geschafft, immer miteinander klar zu kommen? Man verändert sich doch, gerade als sehr junger Mensch …  

Sammy: Ja, in der Pubertät hatten wir mal kurz Streit und haben uns aufgelöst für zwei Monate. Da waren wir so 15 oder 16. Aber dann ging das alles wieder. Es knallt ab und zu, aber wie in einer Freundschaft oder Beziehung spricht man dann darüber und räumt das aus dem Weg. 

Andi: Wir fanden es auch immer wichtiger, gerade als wir uns andere Musiker dazu geholt haben, dass man mit den Leuten klar kommt. Es sollten eher Freunde als unbedingt tolle Musiker sein. Auf jeden Fall ist es immer wichtiger, dass man sich streiten und wieder vertragen kann, ohne dem Anderen ewig was vorzuhalten. Der Rest kommt von allein. 

Sammy: Freundschaft war tatsächlich immer was Wichtiges. Wir waren immer bereit, die Band für die Freundschaft sausen zu lassen. Es wird natürlich immer schwieriger und manchmal müssen wir dann auch ernste Gespräche führen, zum Beispiel wenn wir merken: „Oh, da ist aber einer nicht mit dem ganzen Herzen dabei.“ Aber das ist in den letzten Jahren nicht mehr passiert. Alle wissen, was für ein Glück wir haben, dass wir davon leben können, was für einen Erfolg wir haben und dafür sind wir alle sehr dankbar. Nur ab und zu muss man sich mal kurz in den Arsch treten und „Ey“ sagen, dann ist auch alles wieder gut.


Habt ihr mit den Jahren eure rebellische Seite ein bisschen abgelegt? Man wird ja älter und entwickelt sich weiter …
 

Sammy: Anders – ich glaube wir kanalisieren Wut und Ähnliches ein bisschen anders. Ich habe immer noch meine Tage, an denen ich Menschen außerordentlich hasse, aber ich möchte daran arbeiten, dass die, die ich scheiße finde, mir scheißegal sind. Aber das ist nicht ganz einfach. Vielleicht denken wir heute noch einmal mehr darüber nach und fassen Schlag und Kritik besser auf. Es ist nicht mehr ganz so naiv. 

Andi: Ich glaub einfach, wenn man jung ist, rebelliert man gegen alles nur der Rebellion wegen. Heutzutage macht man sich vielleicht vorher Gedanken und überlegt dann: „Ok, finde ich das wirklich scheiße?“ – und rebelliert dann trotzdem (lacht).  


Vom Oi! zum Punk, zum Ska, zum Reggae 
 musikalisch seid ihr sehr vielfältig. In welchem Genre fühlt ihr euch am authentischsten und wohlsten? 

Sammy: Punk. Da, wo wir herkommen. Das ist die Schublade, wenn man uns irgendwo reinschmeißen möchte, in der wir uns am wohlsten fühlen.

Also ist Punk immer eure Base? 

Sammy: Genau, dahin kommen wir immer wieder zurück. Das merkt man zum Beispiel auch, wenn ich einen Song mitbringe. Manchmal habe ich nur eine Vorstellung, dann denken wir: „Vielleicht ist es ein Elektrosong“ oder es gibt teilweise nur Akkorde, Melodie und ein bisschen Text. Was wir dann immer als erstes und auch meistens als letztes machen: Wir spielen den Song mal auf Punk. Denn dann können wir am Besten einschätzen, was für ein Potenzial der Song hat. Da fühlen wir uns alle wohl, fühlen uns sicher. Im Moment haben wir wieder außerordentliich Spaß daran, alles so rau und einfach zu halten wie möglich, weil das letzte Album „Noir“ für unsere Verhältnisse relativ poppig war.

  

© Anne Wihan
Habt ihr denn einen Lieblingssong auf eurem Album Noir“, der euch besonders viel bedeutet?

Sammy: Das ist unterschiedlich. Ich habe einige Lieblingssongs, die mir textlich viel bedeuten. Aber es ist wirklich verschieden und am Ende des Tages ist es auch so, dass nicht einfach irgendwelche Songs vom Album fliegen. Wenn irgendjemand sagt: „Pass auf, das ist so geil. Das will ich haben, das bedeutet mir viel.“ – dann ist es eben drauf. Und auch wenn ich alle Songs schreibe: Viele finde ich total scheiße. 

Noir ist ja ein ziemlich schwarzes Album. Habt ihr darin eigene schwarze Gefühle zu verarbeiten oder hattet ihr einfach mal Bock auf was anderes? 

Sammy: Also mir ging’s nicht so gut.

Andi: Es ist und war ja für uns immer einfacher, eher ernstere Themen oder auch etwas düstere, mollige Sachen zu machen. Lustige Lieder waren schon immer schwierig, ohne doof zu wirken. Und wenn man das Düstere dann noch mit Texten verbindet, die auch ein bisschen düster sind, dann kommt so ein Album auch einfach mal ungeplant raus. Ohne, dass man sich da voher die Gedanken gemacht hätte: „Ok, wir müssen jetzt mal was Düsteres machen.“ Es musste halt von der Seele geschrieben werden.

Wenn man sich ein bisschen umguckt, zum Beispiel auf Youtube, dann hört man von Fans oft, dass die Broilers nicht mehr das sind, was sie mal waren. Geht euch das nah oder denkt ihr eher: Naja so ist das halt? 

Sammy: Es ist tatsächlich nun mal so. Das schreiben die Leute, aber reflektieren irgendwie nicht, dass sie auch nicht mehr die 15-jährigen Buben sind, die auf dem Bolzplatz kicken.

Andi: Das wäre ja auch schlimm, wenn man mit Mitte 30 noch die gleichen Interessen hätte wie mit 14/15.

Sammy: Du kannst einige davon beibehalten, aber es ist halt so: Musiker oder auch Künstler werden irgendwie für nicht menschlich gehalten. Alle dürfen Dinge tun, die wiederrum Künstler und Musiker nicht tun sollen. Ich glaube, die Leute wollen Kunstgestalten haben, die irgendwie unwirklich sind, die den ganzen Tag nur Bier saufen (lacht) – was ja nicht schlimm ist – aber halt wie so Actionfiguren sind. Das was wir tun ist authentisch, so sind wir. Und dementsprechend können die Leute es halt scheiße finden, aber wir können dazu stehen. Alles andere wäre dann verstellen und das ist anstrengend. 

Andi: Trotzdem, auf die Frage bezogen, ging einem das nah. Als die Platte rauskam, hat man dann Kritiken gelesen von Leuten aus Youtube, Facebook whatever – das war dann schon eine Scheiß-Woche. Ich meine, man steckt da sein Herzblut rein, über Monate, und wenn dann einfach Kommentare kommen, die völlig unreflektiert und  dahin geschrieben sind, da hat man dann schon mal einen Scheiß-Tag und wird ein bisschen sauer. 

Andererseits wart ihr mit Noir auf Platz 1 in den Charts.  

Sammy: Das ist die erfolgreichste Platte bis jetzt und die Shows sind auch immer größer geworden, also ganz falsch können wir nicht gelegen haben. Und das Schöne ist: Es sind neue Leute dazu gekommen, aber es sind auch „alte“ dageblieben. Und vor allem sind ganz alte Fans, die uns eine Zeit lang verlassen haben, wieder dabei und das ist etwas Schönes. 

  

Man munkelt, dass ihr euch ab Herbst aus dem Tournee-Geschäft zurückziehen und an einem neuen Album basteln wollt. Ist da was dran?  

Sammy: Ja, also wir werden nach dem 5. September 2015, das ist die vorerst letzte Show in Düsseldorf, erstmal eine Pause machen. Wie lang die wird, wissen wir nicht. Die ist so lang, wie sie sein muss, bis wir das Gefühl haben, wir haben ein gutes Album am Start. Dann tauchen wir auch wieder auf. Aber es macht keinen Sinn, sich hier tot zu spielen. Ich glaube, es ist auch für die Leute schöner, wenn man einfach mal resetten kann und dann kommt man mit neuer Energie und neuen Liedern wieder.

Hat das neue Album denn schon ein bisschen Form angenommen?  

Andi: Wir haben schon begonnen zu schreiben und probieren im Proberaum auch einige Sachen aus, nehmen demnächst die ersten Demos auf. Aber wo die Reise hingeht, kann man so noch gar nicht sagen. Da ist es echt noch zu früh für. 

Sammy: Das erste Gefühl ist aber erstaunlich gut. Wir müssen erstmal gucken, wie wir uns nach den Demos fühlen, aber im Moment macht’s Spaß. 

© Eric Sargatzke
Ihr seid dieses Jahr auf dem Highfield-Festival und geht dort als Headliner an den Start. Das ist ja nicht euer erstes Festival. Was ist das Besondere, im Gegensatz zu einem normalen Konzert, auf einem Festival zu spielen? 

Sammy: Wir mögen tatsächlich alle Disziplinen. Diese kleinen Clubs, wo wir öfter als Warm-Ups spielen – geil, dass die Leute da direkt vor dir stehen, schwitzen wie ein Schwein. Dann die größeren Hallen oder Arenen, was auch krass ist, weil da nur deine Leute sind und dann diese Festivalnummer, wo es noch größer wird und du teilweise auch ein bisschen arbeiten musst, damit du alle erreichst. Alles ist unterschiedlich und alles ist geil. Und dann noch Sommer, Open-Air und geiles Wetter. Highfield ist eben was Besonders, weil es hier ist, in Sachsen, in der Nähe von Leipzig, und es ist wahr: Leipzig ist irgendwie unsere zweite Heimat, gefühlt zumindest.

Was verbindet euch mit Leipzig? Ihr kommt ja ursprünglich aus Düsseldorf … 

Andi: Damals, als wir angefangen haben, haben wir relativ häufig schon in Leipzig gespielt. Die Ersten, die uns wirklich eine Bühne geboten haben und uns haben auftreten lassen, das waren eben die Leute aus Leipzig im Conne Island. Da hat sich über die Jahre einfach eine Freundschaft gebildet. Man fährt immer wieder gerne hier her und ich glaube, auch viele Fans wissen, dass Leipzig immer was Besonderes für uns ist. Das merkt man auch bei Touren. Das sind dann meistens die Konzerte, die am schnellsten ausverkauft sind. Da verbindet uns echt was.

Ist vielleicht eine Standard-Frage, aber seid ihr immernoch aufgeregt, gerade vielleicht vor Festivals, bei denen ihr wisst, dass da nicht nur eure Leute sind?  

Sammy: Das ist unterschiedlich. Wenn wir wissen, dass das Fernsehen dabei ist, ist es immer ein bisschen schwieriger, denn dann wird uns ewig vorgehalten, wenn wir Scheiße bauen. Da gibt es dann eine gewisse Anspannung, aber ansonsten versuche ich, dass immer alle sehr entspannt sind und vor allem, dass alle die Maxime im Kopf haben: „Genieß es, hab Spaß dabei“ – das sagen wir uns auch immer vor der Show. Du kannst dich verspielen, wie du willst, aber wenn du gute Laune hast und die Band Spaß miteinander hat, dann strahlt das auf die Leute im Publikum.

Es sind ja auch viele andere Künstler beim Highfield dabei. Auf wen freut ihr euch besonders, werdet ihr euch andere Künstler angucken? 

Andi: Ich freu mich sehr auf Against Me!, die auch an unserem Tag spielen. Die Donots spielen, da freue ich mich auch sehr drauf und Flogging Molly spielen, glaube ich, auch. Die gucke ich mir auf jeden Fall an.

Sammy: Ich finde, es ist wirklich ein äußerst homogenes und geiles Line-up. Auch die anderen Tage sind viele geile Acts dabei. Also sagen wir’s mal so: Wenn wir die Zeit hätten und in der Ecke unterwegs wären, dann würden wir uns das ganze Festival reinziehen. 

Ihr habt letztes Jahr euer offizielles 20-Jähriges Jubiläum gefeiert. Was wünscht ihr euch für die nächsten 20 Jahre? 

Sammy: Es soll so weitergehen wie bisher. Es ist sehr angenehm, in kleinen Schritten zu wachsen. Wir sind, glaube ich, immer auf dem Boden geblieben und wenn nicht, dann haben uns Freunde da mit leichten Ohrwatschen irgendwie zurückgeholt. Wir haben so interne Spaßlisten mit Punkten, die wir erreichen wollen. Wenn wir die erreicht haben, streichen wir die weg. Wir wollten die goldene Schallplatte, wir wollten mal Nummer eins sein und und und. Und wir haben immernoch so kleine Punkte … mal gucken. Aber: Sprechen dürfen wir darüber nicht (grinst).