Skandal im Rathaus Buchrezension: Leipziger Maskerade

Joachim Anlaufs Kriminalroman spielt im Jahr 2013. Kurz nach der Oberbürgermeisterwahl wird im Leipziger Rathaus eine Person tot aufgefunden.

Der Titel könnte in der aktuellen Situation nicht passender sein, der Kriminalroman „Leipziger Maskerade“ von Joachim Anlauf hat allerdings nichts mit verpflichtendem Mund-Nasen-Schutz in Corona-Zeiten zu tun. Das 416-Seiten-Werk, erschienen im Gmeiner-Verlag, erzählt vom erbitterten Kampf um Posten und Prestige in der Leipziger Verwaltung. Wer geht für Macht über Leichen?

© Cover: Gmeiner-Verlag GmbH
 

Leipzig, sieben Jahre zurück: Kurz nach der Oberbürgermeisterwahl 2013, die das amtierende Stadtoberhaupt Clemens Völker erneut für sich entscheiden konnte, wird eine Person tot im Büro des OBM aufgefunden. War es Mord? Kurz vor dem grausigen Vorfall hatten maskierte und kostümierte Demonstranten die Ratsversammlung, bei der auch das Amt des Sozialbürgermeisters neu besetzt werden sollte, gestürmt und das Rathaus verwüstet. Doch schon davor brodelte es hinter den dicken Steinmauern: So manch ein Mitarbeiter scheint mit seinen Kolleg*innen doppeltes Spiel zu treiben. Da hängt die Frage im Raum, ob der Oberbürgermeister auf seine Angestellten vertrauen kann …

Außerdem steht Leipzigs First Man vor der Entscheidung: Politische Karriere auf kommunaler Ebene oder hoch hinaus in den Sächsischen Landtag? Es lockt die Nominierung zum Spitzenkandidat seiner Partei. Allerdings ist Völkers nicht frei in seiner Entscheidung. Denn eine dunkle Erinnerung, die er lieber vergessen würde, holt ihn immer wieder ein und macht ihn zum politischen Spielball seiner Erpresser. Kriminalhauptkommissar Carlo Hoffmann wird mit dem Fall betraut. Im Wirrwarr aus persönlichen Intrigen und politischen Konflikten versucht er, Licht ins Dunkel zu bringen. Dabei schlittert er plötzlich selbst in ein Kapitel seiner Vergangenheit. Als das Landeskriminalamt schließlich die Ermittlungen übernimmt, geht Hoffmann auf eigene Faust auf Spurensuche.

Joachim Anlauf hat auf jeden Fall seine Hausaufgaben gemacht und beweist umfassenden Recherche-Fleiß, wenn es darum geht, Fakten über die Stadt, ihre Architektur und Geschichte sowie über das „Innenleben“ des Neuen Rathauses zusammenzutragen. Immer wieder lässt der Autor kleine Details über Orte und das Geschehen in der Stadt einfließen, die deutlich machen: Hier kennt sich jemand aus. Wenn die Protagonisten im Café Maitre auf der Karl-Liebknecht-Straße zusammensitzen oder sich für heimliche Besprechungen im „Gleis 8“ am Hauptbahnhof zusammenfinden, werden Leipziger Leser*innen mitten ins Geschehen geworfen. Wer die Stadt kennt und liebt, hat an solchen Feinheiten seine Freude.

Auch, wenn alle Figuren fiktive Namen tragen, so kann, wer sich ein wenig auskennt in kommunaler Politik, den einen oder anderen Bezug zu Leipzigs Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ziehen. Leider wird hier ein wenig zu deutlich, wie Anlauf anscheinend zur derzeitigen Verwaltungsleitung steht. So scheint er seinen selbst erschaffenen Oberbürgermeister nicht gerade zu lieben. Pure Fiktion? Zumindest die realitätsgetreuen Ortsbeschreibungen sowie Ähnlichkeiten in der Biografie der Protagonisten lassen darauf schließen, dass auch die Romanfiguren nicht gänzlich ausgedacht sind. Angesichts der Tatsache, dass der Autor selbst jahrelang für die CDU arbeitete, verwundert die recht offen zur Schau getragene Abneigung gegen den SPD-OBM wenig. Dessen Darstellung bedient sich so einiger Klischees, vom verweichlichten Blender hin zum liebestollen Frauenjäger. Auch, dass die linke Szene mit Revoluzzer-Vorurteilen bedacht ist, erscheint einseitig.

Generell kommen manche von Anlaufs Charaktere mitunter etwas stumpf daher. Zumindest möchte man hoffen, dass Politik und zwischenmenschliche Beziehungen am Ende doch aus mehr bestehen, als Machtstreben, Vergeltungsgedanken und Unehrlichkeit. Festgehalten werden muss aber auch: Es bleibt spannend. Wo einem in manchen Kriminalgeschichten der Täter bereits von der ersten Seite aus ins Gesicht springt, sorgt Anlauf mit einem ständigen Perspektivwechsel und gewählten Aussparungen dafür, dass auch bis zum Schluss so einige Fragen ungeklärt erscheinen.

Fazit: Unterhaltsame Lektüre für Leipziger Krimi-Fans, leider fehlt dem Ganzen der Tiefgang.