Christoph Metzelder über RB Leipzig, die 1. Bundesliga und mehr Mut Christoph Metzelder: „Zeit spielt für RB Leipzig und gegen Traditionsvereine“

Der ehemalige Nationalspieler Christoph Metzelder verrät uns, wie er den Aufstieg RB Leipzigs in die 1. Bundesliga bewertet, was es mit der Kritik am Club auf sich hat und warum es auch den Bayern guttäte, wenn sie in der Liga mal wieder gejagt werden.

© Geli Megyesi
Zum Start der Bundesligasaison 2016/17 verrät uns der ehemalige Nationalspieler Christoph Metzelder, der u.a. mit Borussia Dortmund die deutsche und mit Real Madrid die spanische Meisterschaft gewann, wie er den Aufstieg RB Leipzigs in die 1. Bundesliga bewertet, was es mit der Kritik am Club auf sich hat und warum es auch den Bayern guttäte, wenn sie in der Liga mal wieder gejagt werden. 

Wie siehst du den Aufsteiger RB Leipzig?
Ich finde das Projekt extrem spannend. Die Unterstützung durch ein Unternehmen oder einen privaten Mäzen hat es im Fußball schon immer gegeben, ob nun in Deutschland oder international. Was mich fasziniert, ist die Art und Weise: Es wird sehr viel in Infrastruktur investiert, in Prozesse und in Personal – aber eben nicht in kickendes Personal der 1. Mannschaft, sondern in Nachwuchsleistungszentren. Interessant finde ich auch, dass sich RB momentan offensichtlich eher beschränkt – man schöpft nicht die finanziellen Möglichkeiten aus, die der Verein hätte, weil es eben eine klare Spielidee und auch eine klare Vorstellung gibt, was ein perfekter Spieler für RB Leipzig ist. Deswegen finde ich es sportlich bemerkenswert. 
Entscheidend wird sein, wie breit sich RB Leipzig in den nächsten Jahren aufstellen kann. Irgendwann wird es in internationale Bereiche gehen, wie mögliche Qualifikationen in europäischen Wettbewerben – dann kommen Themen wie Financial Fairplay und dann muss man auch den Fußballfans erklären, das nun nicht mehr alles möglich ist, was Red Bull eigentlich finanzieren könnte. Das wird ein ganz spannender Prozess, wie der Verein jetzt nach dem Aufstieg die nächsten Schritte macht. 

Ralf Rangnick sagte, RB Leipzig wird der 1. Bundesliga guttun. Was denkst du?
Ich glaube, es tut dem Fußball im Osten sehr gut. Wir erleben eine Renaissance. Auch wenn man sich die 3. Liga anguckt, gibt es fantastische Paarungen und Konstellationen. Ich glaube wirklich, dass RB, auch im Vergleich zu anderen – ich sage mal – investorengeführten Vereinen, ein Massenphänomen werden kann, weil es hier eine unglaubliche Begeisterung gibt. Dann hätten wir möglicherweise in Zukunft einen Gegenspieler für arrivierte Mannschaften. Und Wettbewerb tut dem Sport immer gut – deswegen bin ich da auch sehr optimistisch.

Meinst du, das Modell RB Leipzig macht in der 1. Bundesliga Schule?
Alle Vereine überprüfen sich ja auch immer wieder selbst, inwiefern sie eine Philosophie haben und eine Spielidee verfolgen. Dass sich ein Unternehmen oder ein Konzern bei einem Verein so massiv engagiert, ist schon außergewöhnlich. So etwas haben wir bei anderen Vereinen bis zu einer gewissen Schwelle, weil wir die 50+1 Regel haben. Deswegen glaube ich nicht, dass es das in der Form in den nächsten Jahren noch einmal so geben wird. Aber alle anderen Vereine loten auch alle Möglichkeiten der Finanzierung aus, deswegen sehe ich da keinen krassen Wettbewerbsvorteil für RB Leipzig.

© GEPApictures / RB Leipzig

Kannst du Kritik der Fußballfans an RB Leipzig nachvollziehen?
Die Kritik ist natürlich mit der Angst verbunden, dass genau das eintritt, was hier der Masterplan ist: nämlich, dass RB Leipzig zu einem arrivierten Bundesligisten wird. Durch den Aufstieg ist perspektivisch ein weiterer Platz in der 1. Bundesliga belegt. Und das bedeutet für viele Traditionsvereine der 2. und 3. Liga, dass die Luft nach oben hin dünn wird. Da ist Angst mit dabei. Die Zeit spielt für das Projekt RB Leipzig – und gegen die Vereine, die von sich sagen, sie seien Traditionsvereine.

Welchen Tabellenplatz traust du den Leipzigern zu?
Ich bin total davon überzeugt, dass sowohl die individuelle Qualität dieser Mannschaft als auch die Spielidee, gepaart mit der Euphorie nach dem Aufstieg, dafür sorgen wird, dass man eine ruhige Saison verlebt. Es mag da immer Ausschläge nach oben oder unten geben, aber ich denke, ein gesicherter Mittelfeldplatz ist in der ersten Saison möglich.

Wer wird das Rennen um den Titel machen?
Auf langer Strecke sind die Bayern die absoluten Favoriten, weil sie die beste Mannschaft und einen sehr guten Trainer haben, der den Weg fortführen wird. Ich wünsche mir aber – und das ist nicht so, weil ich die Bayern nicht mag, sondern weil es ja auch um den Wettbewerb geht – dass die Konkurrenten in diesem Jahr mutiger sind und auch wirklich die Bayern jagen. Ich bin sicher, dass es den Bayern auch gut tun würde, wenn sie Druck bekommen, konzentriert und scharf sein müssen – vor allem, wenn es in den April und Mai geht und sie Champions League Viertel-, Halbfinale spielen. Es wird ihnen helfen, wenn sie die Liga in dem Moment nicht schon gesichert haben, sondern auch da noch kämpfen müssen. Von daher wünsche ich mir mehr Mut und dadurch mehr Wettbewerb.

Mehr Mut: Haben sich die Mannschaften in den letzten Jahren den Bayern ergeben?
Man hatte schon das Gefühl, dass sie alle Viere von sich gestreckt haben und sich Pep Guardiola, seiner Idee des Spiels und der Dominanz ergeben haben. Ich habe selber auch gegen solche Mannschaften, u.a. gegen den FC Barcelona, spielen müssen. Wenn man selber auf dem Platz steht, ist es schwer, diesen Mut auch dann umzusetzen, wenn man gegen solche dominanten Mannschaften spielen muss. Aber ich denke, dass es jetzt die Möglichkeit gibt, dass viele Mannschaften in dieser Saison auch anders auftreten werden.

Du stehst als Experte für Sky jede Woche vor der Kamera und analysierst die Bundesligaspiele. Sehen wir dich irgendwann mal wieder im aktiven Fußballgeschäft?
Mein Herz hängt momentan am Amateurfußball in meinem Heimatverein TuS Haltern. Dann bin ich bei einer Werbeagentur im Sportmarketing unterwegs und treibe seit 10 Jahren eine eigene Stiftung voran. Es sind sehr viele Aufgaben, die mir am Herzen liegen, deswegen ist es in der jetzigen Lebensphase total in Ordnung, wie es gerade ist. Aber dass ich natürlich mittelfristig auch in den Sport zurückkehre, der mich seit meiner Kindheit fasziniert, ist, glaube ich, klar.