In Anwesenheit des Regisseurs Hans Block The Cleaners: Special Screening in der Schaubühne Lindenfels

Tief bewegend gewähren uns die Regisseure Hans Block und Moritz Riesewick einen verstörenden Einblick hinter die Kulissen einer gigantischen Schattenindustrie. Im Fokus: Die Menschen der digitalen Zensur von Twitter, YouTube, Facebook und Co – Kurz: The Cleaners.

Spätestens seitdem klar ist, dass zig Millionen Nutzerdaten an eine Firma gerieten, die sie für die Wahlkampagne Donald Trumps missbrauchte, stehen Herr Zuckerberg und Facebook in harter Kritik. Der Film THE CLEANERS lässt nun das angekratzte Ego weiter abbröckeln. Tief bewegend gewähren uns die Regisseure Hans Block und Moritz Riesewick einen verstörenden Einblick hinter die Kulissen einer gigantischen Schattenindustrie. Im Fokus: Die Menschen der digitalen Zensur von Twitter, YouTube, Facebook und Co – Kurz: The Cleaners. 

Der Film – The Cleaners 

© Presse kinofreund
Der Film beginnt und erinnert mit seinem flackernden Licht an einen düsteren Noir-Thriller. Tiefe Schatten ziehen sich durch die Nacht, es folgen kontrastreiche Bilder begleitet von knisternden Elektroklängen. Ein vermeintlicher Mitarbeiter taucht auf, lediglich in Gestalt einer hastig in die Tastatur gehämmerten Email. Die Kommunikation müsse dringend eingestellt werden, da die Firma Wind bekommen hat.

Solche Originalauszüge aus der Kommunikation zwischen in Manila sitzenden Mitarbeitern und den Filmmachern prägen die Szenerie. Immer wieder tauchen Gesprächsschnipsel auf, die den Zuschauer stets daran erinnern, dass es sich hier um die reale Welt handelt und nicht um Fiktion. Die Mission ist ernst. Der Zuschauer wird mitgenommen auf die Philippinen nach Manila und erfährt wahrscheinlich, wie wir auch, zum ersten Mal, wie Soziale Netzwerke belastende Inhalte von ihren Plattformen freihalten. Der Schlüssel sind Content Moderatoren. Das diese zahlreichen „Säuberer des Internets“, die nicht in den westlichen Ländern sitzen, sondern für weniger Geld auf Übersee arbeiten – Das konnten wir uns zugegebenermaßen schon fast denken. Doch wer da wirklich verantwortlich ist für das, was wir zu sehen bekommen und unter welchen Bedingungen diese Menschen arbeiten müssen, das erzählt The Cleaners.

© gebrueder beetz filmproduktion
So finden sich die auf der Straße aufgelesenen, häufig jungen Menschen nämlich ohne jegliche Einarbeitungszeit und psychologische Begleitung binnen kürzester Zeit vor einem Computer wieder und müssen über 25.000 Bilder und Videos pro Tag entscheiden. Ein rotes Wort-Band, dass sich durch diesen Dokumentarfilm zieht und sich tagtäglich in das Gehirn der Mitarbeiter brennt sowie binnen knapp zwei Stunden Filmlänge in Mark und Bein des Zuschauers geht: Delete – Ignore – Delete – Delete – Delete – Ignore – … Schaurig bekommen wir exemplarische Bilder zu sehen von Enthauptungen und rutschen fast eine Etage tiefer bei den Erzählungen über Kinderpornografie und Gewaltverbrechen. Und das ist der Arbeitsalltag von tausenden von Menschen in Manila. Geheimnisvoll und furchtergriffen erzählen die wenig bereit erklärten Mitarbeiter dieser Firmen, dass jeder von ihnen mindestens einen Suizid-Fall kennt aus der Abteilung. Niemand bleibt länger als ein halbes Jahr, erfahren wir. Dass solche Informationen geheim gehalten werden wollen, liegt natürlich für uns gleichsam auf der Hand. Nicht ohne Grund gehören die Kriterien und Vorgaben, nach denen sie agieren, zu den am besten geschütztesten Geheimnissen des Silicon Valleys. Umso wichtiger ist es, dass sich die Filmcrew von The Cleaners in dieses geheimnisvolle und gefährliche Dickicht aufgemacht hat.

Soziales Netzwerk – Das Trojanische Pferd

Doch der Film schlägt weitere Wellen um sich. So bleibt er nicht nur auf der Schicksalsebene der Mitarbeiter, sondern spinnt seine Fäden weiter und stellt den Zuschauer vor die Frage: Inwieweit ist der vermeintliche Fortschritt und die rasante Digitalisierung ein zivilisatorischer Gewinn? Treu nach dem Motto „Wir schauen dem Gaul ins Maul“ decken die Filmemacher das trojanische Pferd unserer Zeit auf. Wie sauber sind unsere „sauberen“ Plattformen wirklich? – Denn so hat die Oberflächenreinlichkeit von Instagram, Facebook und Co auch seinen Preis.

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Wo zehntausende, unausgebildete Menschen binnen kürzester Zeit über gewaltvolles und pornografisches Bildmaterial entscheiden müssen, da bleibt die Qualität auf der Strecke. Denn worauf der Film ebenso aufmerksam macht, ist: Immer mehr Teile des gesellschaftlichen Lebens werden auf die digitalen Plattformen verlegt. Wer oder was hier nicht vorkommt, ist schlichtweg nicht existent. Journalistische Aufklärungsarbeit und kritische Stimmen, die erzählen, wie dramatisch eine politische Gruppierung ist oder was in Krisengebieten geschieht, werden schlichtweg durch mangelnde Ausbildung der Content Moderatoren und undurchsichtige Löschentscheidungen zum Verstummen gebracht. Zugleich haben terroristische Vereinigungen die Möglichkeit, unentdeckt zu bleiben und über soziale Plattformen die Chance, Anhänger zu rekrutieren und Hetzarbeit zu leisten.

Der Film im Nachgang

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Wie es Hans Block im Interview nach der Filmvorstellung formuliert: „Wir stehen vor einem Dilemma.“ Bilder nur anhand ihres Bildinhaltes zu beurteilen, ist schlichtweg falsch. Stattdessen müssen Fachmänner und -frauen ans Werk. Journalistisches Hintergrundwissen, betont er, wäre ein erster Ansatz. Trotzdem bleibt weiterhin die Frage: Wie beurteilen wir eine nackte Zeichnung von Donald Trump mit kleinem Gemächt? Und löschen wir fotografische Aufnahmen von toten Kindern am Strand, die ein geflüchteter Syrier nutzt, um auf das dramatische Ausmaß des Krieges in seinem Heimatland aufmerksam zu machen?

Kurz und knapp: Ein Film, der den Zuschauer mit teilweise verstörenden Bildern konfrontiert und gleichzeitig seinen eigenen Netzwerkkonsum in Frage stellen lässt. Ein Nachbeben bleibt in jedem Fall – sowie leider auch ein kleiner Verlust an gewonnenem Urvertrauen. Trotzdem können wir Arte Tracks nur zustimmen: „Einer der wichtigsten Dokumentarfilme des Jahres.“

Aktuelle Spielzeiten: 

Luru-Kino: 02.06.2018, 15 Uhr || 03.06.2018, 17 Uhr || 05.06.2018, 17 Uhr || 06.06.2018, 19 Uhr

Schaubühne Lindenfels: 01.06.2018, 20 Uhr || 05.06.2018, 21 Uhr