Das Theater der Jungen Welt begießt seinen 70. mit einer Jubiläumsspielzeit. Wir haben uns das Programm mal angeschaut. Das alte Kind: TdJW wird 70

70 Jahre sind eine lange Zeit, vor allem, um nicht alt zu werden. Das Theater der Jungen Welt feiert seinen 70. und klotz dabei, statt zu kleckern.

70 Jahre sind eine lange Zeit, vor allem, um nicht alt zu werden. Das kleine Theater am Lindenauer Markt ist immernoch genauso laut, bunt und manchmal unbequem wie seine Besucher. Im Folgenden stellen wir euch einige Highlights der kommenden Jubiläumsspielzeit dieser kulturellen Wundertüte vor.

© Theater der jungen Welt
Gleich eine ganze Jubiläumsspielzeit hat das Kinder-, Volks- und Jedermannstheater für das Jahr 2016/17 angekündigt: 11 Stücke, davon 6 Uraufführungen bzw. deutsche Erstaufführungen, das 7. Deutsche Kinder-Theater-Fest, ein Sommertheater vor den Toren Leipzigs, der Marktplatz der Kulturen am Lindenauer Markt und so einiges mehr hat sich Theaterteam vorgenommen. Das Theater als Schule des Lebens; dieser ein wenig pathetische Spruch findet sich tatsächlich im Jubiläumsprogramm des TdJW wieder. Jedes Stück scheint auf irgend eine Weise die ausgetretenen Pfade der Kulturlandschaft zu verlassen und mit mutigen Schritten auch mal in das metaphorische Unterholz zu stapfen. Dabei nimmt sich das Theater auch ernsten Themen unserer Gesellschaft an und regt so auch die angeblich Erwachsenen dazu an, ihre eigenen Weltanschauung mal zu hinterfragen.

 Boy meets Girl mal anders 

© Tom Schulze
Bürgerkrieg, ein dunkler Keller, ein Mädchen und ein Junge, beide auf der jeweils feindlichen Seite, kein Weg hinaus. Bei ihrer ersten Begegnung wissen die beiden Teenager nur eines voneinander, dass sie sich hassen sollen. Was wie die Endzeitversion von Shakespears Romeo und Julia klingt, ist ein unbequemes 2-Personen-Stück, das sich vor allem eine Frage stellt: Wie entstehen Meinungen über Krieg? Zwei im Dunkeln ist ein vom Tschetschenienkrieg inspiriertes Stück aus der Feder der russischen Autoren Michail Bartenjew und Alexej Slapowski, welches nun in Deutschland zur Erstaufführung kommt. In einer Zeit, in der junge Menschen, die Krieg tatsächlich erleben mussten, zu uns kommen, fragt das Stück nach den psychologischen Hintergründen der Angst vor dem vermeintlich Fremden.

Premiere: 18. September 2016 / Kleine Bühne /ab 14 plus

 Kurs West 

© Tom Schulze
Wer einmal über den Lindenauer Markt schlendert, kann hier Menschen treffen, die verschiedener kaum sein könnten. Vom Hipster bis zum Urleipzscher, alle scheinen sich hier wohl zu fühlen. Das war nicht immer so. Was früher ein Arbeiterviertel war, hat sich nach der Wende zur Hartz-IV-Hochburg und schließlich zum kulturellen Schmelztiegel gewandelt. Das TdJW widmet dieser Entwicklung mit Abgefahren in Leipzig West nun ein Bühnenstück mit Unterstützung durch eine Live-Band. Basierend auf Interviews mit West-Leipzigern legt das Werk seinen inhaltlichen Fokus auf den historischen Umbruch und dessen Auswirkungen auf das Viertel und seine Bewohner. Regisseurin Tatjana Rese kehrt dabei vor allem das Skurrile der kunterbunten Einheimischen hervor und nimmt die Zuschauer mit auf eine liebevolle, musikalische Reise in die Träume, Erinnerungen und Hoffnung der Menschen des Leipziger Westens.

Premiere: 24. September 2016 / Großer Saal / 15 plus

 Zwischen Mietzekatze und Kannibalismus 

© Tom Schulze
Pubertät ist ja so eine Sache. Hormongesteuert wandeln wir planlos durch die Welt, stellen allerhand Blödsinn an, durchleben die schlimmsten Höllen und die schönsten Höheflüge. Hat man sie hinter sich, betrachtet man sie in der Regel mit einem Kopfschütteln. Trotzdem ist es eine wichtige Zeit. Das sieht das TdJW-Team offensichtlich auch so. Das Bühnenstück Rose, Rose, Rose widmet sich eben dieser spannenden Phase zwischen Kind und erwachsenem Kind. Im Mittelpunkt steht natürlich das Mädchen Rose, deren Gefühlswelt derartigen Umwälzungen unterworfen ist, dass sie von gleich drei Akteuren gespielt wird. Da ja sowieso alles Kopf steht, sind diese allesamt männlich und sprechen jeder eine andere Sprache – klingt nach einer realistischen Jugendsimulation. Rose schwebt zwischen niedlicher Mietzekatze und Kannibalismus umher und stellt sich dabei kontinuierlich die Frage nach ihrer Identität. Ein Stück auf Deutsch, Englisch und Französisch, das sich inhaltlich irgendwo zwischen „Film Noir und Justin Bieber“ bewegt.

Premiere: 18. März 2016 / Etage Eins / 13 plus

 Storys of Zuhause 

Stellt euch vor, ein Fremder erkundet eure Wohnung. Weiß er dann, wer ihr seid? Was verraten unsere Behausungen über uns? Was würden wir schlussfolgern, wenn wir einen Gebetsteppich in der Ecke oder ein Anarchiesymbol an der Wand sehen würde? Der Demokratie-Projekttag  „Homestorys“ aus der Abteilung Theaterpädagogik „Junge Wildnis“ führt eine Schulklasse in eine Leipziger Wohnung, die zuvor als Theaterinstallation präpariert wurde. Die Schüler inspizieren hier Möbel, Bilder, Geruch, Atmosphäre und eben alles, was Aufschluss über den Bewohner und dessen Geschichte geben könnte. So werden sie an Biographien zum Anfassen herangeführt, die gesellschaftlichen und politischen Wandel thematisieren. Unter der Leitung der Theaterpädagogen bietet das die Chance eben diese zu diskutieren und seinen eigenen Standpunkt zu hinterfragen.

Premiere: 27. April 2017 / 12 plus