Vom verwaisten Bahnkraftwerk zum progressiven Kultur-Hotspot Das Projekt Gleisdreieck

Vom verwaisten Bahnkraftwerk zum progressiven Kultur-Hotspot

Nicht nur Distillery und TV-Club werden ihren neuen Standort im Musik- und Kulturzentrum finden, das aktuell auf dem 12.000 qm großen Grundstück eines ehemaligen Umspannwerks in Marienbrunn entsteht. Auch Bandproberäume, Konzertbühnen, Künstler­:innenateliers und Büroräumlichkeiten sind für den ökologisch wie ökonomisch nachhaltigen Kulturstandort im Leipziger Süden geplant. Die Rede ist vom neuen Gleisdreieck. urbanite hat mit Pressesprecherin Anne Petzold sowie Vorstand und Distillery-Betreiber Steffen Kache über Status Quo und Ausblick in puncto Sanierung, Förderung und kreativer Entfaltung gesprochen.

© Leipziger Club- und Kulturstiftung

Ein kultureller Hotspot zum proben, performen, organisieren und vernetzen. Wie ist das Gleisdreieck entstanden?

Steffen Kache: Der Ausgangspunkt war die Suche nach einer neuen Stätte für Distillery und TV Club ab 2023. Beide müssen bis dahin ihre Standorte verlassen. Als eine mögliche Lösung wurde uns dieses ehemalige Bahnkraftwerk angeboten, das flächenmäßig viel größer ist, als die beiden Clubs es benötigen. Daher stammt auch der Name Gleisdreieck. Die Idee, einen kulturellen Hotspot zu schaffen, bei dem Kunst und Musik sowohl entsteht, als auch vermarktet werden kann, gab es schon länger. Neben Proberäumen, Studios und Ateliers haben hier auch Verlage und Labels Platz – alles unter einem Dach komprimiert auf 6.000 qm Gebäudefläche. Das ist das Einzigartige an dem Projekt. Wir nennen es Mitteldeutscher Music-Hub. Ziel ist außerdem, einen nachhaltigen und langfristigen Ort für Subkultur entgegen der Gentrifizierung zu schaffen.

© Leipziger Club- und Kulturstiftung

Was ist eure Aufgabe im Projekt und wer gehört noch dazu?

Anne Petzold: Steffen ist der Betreiber der Distillery und einer der Vorstände der Leipziger Club- und Kulturstiftung, die Trägerin des Projekts ist. Außerdem wirken noch Jan Georgi als Gesandter des TV-Clubs und Christian Liefke als Vertreter der Galerie KUB im Vorstand mit. Ich bin die Pressesprecherin und Öffentlichkeitsbeautragte der Stiftung. Nicht zuletzt gibt es eine ganze Menge ehrenamtlicher Mitarbeiter:innen. Generell haben wir ein sehr großes lokales Netzwerk, das uns unterstützt. Die Liste von Menschen, die sich bei uns engagieren möchten, ist lang, wofür wir sehr dankbar sind.

2019 gründete sich die Leipziger Club- und Kulturstiftung. Zu welchem Zweck?

Steffen Kache: Die Stiftung hat die Förderung von Kunst und Kultur sowie Kauf und Sanierung des Gleisdreiecks zum obersten Zweck. Sie tritt als Vermieterin auf und kann wiederum die Miete in die Förderung von Kunst und Kultur investieren. Damit entsteht ein Kreislauf. Wir möchten, dass es sich selbst trägt und nicht dauerhaft von Fördermitteln abhängig ist. Außerdem versuchen wir, niedrige Betriebskosten durch die Nutzung erneuerbarer Energien zu realisieren. Einen weiteren Aspekt stellt die gesellschaftliche Nachhaltigkeit dar; also einen Ort zu schaffen, wo Menschen zusammenkommen und aktiv werden. Wir wollen auch wirtschaftlich nachhaltig denken und junge Künstler:innen und Musiker:innen dabei unterstützen sich zu etablieren. Letztendlich geht es uns darum, mittels Musik und Kunst sowie dem Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten, unseren Beitrag zu einer positiven Entwicklung der Gesellschaft leisten zu können.

Anne Petzold: Das Ganze soll im Prinzip wie ein großer Spielplatz werden, auf dem sich kreative Kunstschaffende austoben können. Wir schaffen die Infrastruktur für einen nachhaltigen Ort für die freie Szene.

© Leipziger Club- und Kulturstiftung

Während die Hochkultur oft repräsentative inner­städtische Gebäude zur Verfügung gestellt bekommt, drängt es die Subkultur oft an den Stadtrand in sanierungsbedürftige Räumlichkeiten. Seht ihr in dieser Diskrepanz eine Problematik?

Anne Petzold: Wie der Name schon sagt, spielt sich Subkultur an der wirtschaftlichen Peripherie ab. Demnach haben viele Bands und Künstler:innen gar keine anderen Möglichkeiten, als dort zu agieren. Das ist immer eine finanzielle Frage. Ich denke, dass das weniger aus der Szene heraus intendiert ist. Wir finden erfreulicherweise große Unterstützung seitens der Leipziger Politik. Es geht jetzt nicht mehr um die Frage, ob, sondern nur, wie das Projekt realisiert wird.

Steffen Kache: Aus der Clubbetreiber-Sicht finde ich es aber auch schön, sich in Räumlichkeiten anzusiedeln, die schon mal belebt waren. Das bringt einen gewissen Charme mit sich. Die Ausbauten zwecks Lärm- und Brandschutz sind natürlich notwendig. Da wäre eine fairere Verteilung von Fördergeldern schön. Die freie Szene erreicht in der Stadt mindestens genauso viele Menschen wie die Hochkultur, erhält aber nur fünf Prozent aus dem Topf finanzieller Fördermittel. Zwar sind wir froh, diese fünf Prozent erreicht zu haben, sind dahingehend jedoch noch lange nicht am Ziel.

© Leipziger Club- und Kulturstiftung

Könnt ihr abschließend zusammenfassen, wie der Status Quo in puncto Sanierung und Ausstattung aussieht?

Steffen Kache: Es gibt das Vorhaben, eine große Bühne auf 300 qm zu integrieren, auf der zum Beispiel Band- und Theaterproben stattfinden können. Eine Idee der Galerie KUB ist darüber hinaus, Künstler:innen über ein Residenzprogramm und Kurzzeitstipendien ins Gleisdreieck zu holen. Mit d&b Soundscape möchten wir außerdem einen Raum mit 3D-Sound realisieren. Dabei entstehen natürlich auch Arbeitsplätze, sodass es ein gesamtgesellschaftliches Projekt wird.

Anne Petzold: Wir haben aktuell noch recht flexible Möglichkeiten zur Ausgestaltung der Räume, über die wir mit den Künstler:innen gerne sprechen möchten. Wir wollen sie aktiv in die Frage mit einbeziehen, wo der Bedarf in puncto Raumausstattung überhaupt liegt. Natürlich haben wir dafür auch Expert:innen im Team. Trotzdem ist es wichtig, mit den kreativen Akteur:innen direkt in Austausch zu treten. Auch wenn es da einen Rahmen gibt (das Ganze wird immerhin zu einem großen Teil durch öffentliche Gelder finanziert), sind zukunftsorientierte Ideen jederzeit willkommen!

Hier gehts zum Projekt: gleisdreieck-leipzig.de

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