Von der Lust auf das nackte Dasein Deutsches Fotomuseum: „180 Jahre Fotografie – Die Ästhetik der Lüste“

Zum 180. Geburtstag der Fotografie wird im Deutschen Fotomuseum in Markkleeberg die Ausstellung „Ästhetik der Lüste“ mit erotischen Fotografien, die bis 1860 zurückreichen, gezeigt.

Nackte Haut, knappe Stoffe und halb bedeckte Geschlechtsteile sind nahezu allgegenwärtig geworden in unserem Alltag. Sei es im TV, auf Plakaten oder im Internet – man hat sich an den Anblick gewöhnt. Dass das Abbilden nackter Körper und erotischer Ausschnitte aber nicht erst ein Phänomen der heutigen Zeit ist, wird im Deutschen Fotomuseum in Markkleeberg klar. Zum 180. Geburtstag der Fotografie wird dort die Ausstellung „Ästhetik der Lüste“ mit erotischen Fotografien, die bis 1860 zurückreichen, gezeigt.

© Birthe Jähne-Kleemann
Wer mit dem Nacktsein und mitunter frivolen Posen so seine Befindlichkeiten hat, dem könnten so manche Bilder die Schamesröte ins Gesicht treiben. Das Faszinierende: Diese Fotos stammen nicht etwa alle aus unserer heutigen Zeit und den letzten Jahrzehnten. So fallen einige der ältesten Ausstellungsstücke aus dem Jahr 1890 sofort ins Auge. Als „unzüchtige Fotografien“ sind die Bilder bezeichnet, die ein Paar beim Geschlechtsverkehr zeigen. Alles ist darauf unverblümt zu sehen. Noch einmal 30 Jahre zuvor posierten zwei leicht bekleidete Damen an und auf einem Fahrrad für einen anonymen Künstler. Diese „Pikanterien“ des 19. Jahrhunderts stellten eine Wunscherfüllung dar und bildeten das gängige Schönheitsideal ab.
© Birthe Jähne-Kleemann
Wie sich dieses im Wandel der Zeit veränderte, wird anhand der Fotografien sehr deutlich. Wo zunächst die Rubensfigur verehrt wurde, folgte das Ideal des kernigen und gesunden, starken Körpers bis hin zur ultraschlanken Figur, die heute auch wieder mehr Natürlichkeit und Makel aufweisen darf. Doch „Pikanterien“ gibt es auch heute noch – wenn die Lust entmenschlicht wird, wie in einer Foto-Reihe aus den 90ern, die verschiedene Frauen unbekleidet und inszeniert als Engel zeigt. Stellt sich die Frage: Warum entspricht Lust oft einer Wunschvorstellung? Oder was gibt es denn heute eigentlich noch, das es nicht gibt?
© Birthe Jähne-Kleemann
Ebenfalls klar wird aber auch, dass die Ästhetik des Körpers und die menschliche Lust oft mit dem weiblichen Körper in Verbindung gebracht werden. Nur auf wenigen Bildern werden Männer inszeniert und dargestellt, in vielen Fällen nur gemeinsam mit einem femininen Gegenpart. Das mag an der Auswahl der Fotos liegen, oder aber auch einfach am verbreiteten Denken in der Gesellschaft.
© Birthe Jähne-Kleemann
Auch muss man sich wohl fragen, warum mit dem Gefühl der „Lust“ fast immer automatisch Nacktheit in Verbindung gebracht wird. Spannend dazu sind die Darstellungen von Blüten, die der Vulva sehr ähnlich sehen, von Herrmann Försterling. Er nennt seine Foto-Reihe „Flora Magica”. Die Bilder zeigen sehr anschaulich, dass Lust und Ästhetik auf so verschiedene Arten wahrnehmbar und doch für jeden etwas Individuelles sein können. Und dass diese Gefühle auch ein Stück weit „Magie” ausüben können.

Dennoch lohnt sich der Blick in die Geschichte der Aktfotografie und dem Wandel unseres Körperbildes. Man könnte am Ende ja noch etwas über die eigene Lust lernen.

www.fotomuseum.eu | geöffnet Di bis So 13-18 Uhr