Zu Gast in der Alchemistenküche In die Küche geschaut: Mørtelwerk

Entlang stillgelegter Gleise treiben uns Hunger und Karl-Heine-Kanal in die Küche des wieder zum Leben erweckten Mørtelwerks im Leipziger Westen.

Entlang stillgelegter Gleise treiben uns Hunger und Karl-Heine-Kanal in das wieder zum Leben erweckte Mørtelwerk im Leipziger Westen, das seit knapp zwei Jahren ein Restaurant beherbergt. 

© Anne Gahlbeck

Ein Lokal, welches gleichzeitig Bar, Café und kultureller Treffpunkt ist und regelmäßig Lesungen, Konzerte, Improtheater und Whiskytastings veranstaltet. „Wir wollen immer etwas zu tun haben und scheuen uns nicht davor das Mørtelwerk – nachdem das Tagesgeschäft um 21Uhr beendet ist – in ein Lokal mit Tanzfläche oder Bühne zu verwandeln“, verrät uns der Neubetreiber Thomas. Passend dazu gibt es an der Bar ein vielfältiges Spirituosenangebot, eigene Cocktailkreationen, hausgemachte Limonaden, frisch gezapftes Bier und natürlich alle möglichen Heißgetränkespezialitäten. Anstatt des klassischen Caipirinhas oder Swimmingpools mixen die selbsternannten Alchemisten ihren Gästen lieber „etwas eigenes cooles“. „Wir sind keine Freunde von Standards und versuchen jedem Gericht und jedem Getränk unseren eigenen Stempel aufzudrücken.“

© Anne Gahlbeck
Ein Selbstbewusstsein, das die Mørtelwerk-Crew nicht nur hinter der Bar vermittelt. Freunde des Lokals müssen nicht nur experimentierfreudig, sondern auch spontan sein. Sie gehen – mehr oder weniger – ohne vorgefertigte Erwartungen essen, denn neben fast täglichen wechselnden Speiseangeboten hat der Gast nur eine kleine aber gut sortierte Auswahl an festen Gerichten, die preislich – je nach Größe und Zutat – zwischen 7€ und 25€ liegen. Ein Vorteil dieses flexiblen Konzepts: Thomas muss die Ware nicht auf Zwang bestellen, sondern kann auf Bedarf und Angebot reagieren. Das bedeutet konkret, dass erst nach der Anlieferung von Gemüse, Fleisch und Fisch aus den Produkten ein Gericht entsteht. Keine Seltenheit ist, dass ein Gast drei Tage die Woche zum Essen vorbeischaut und dreimal etwas anderes vom Servicepersonal empfohlen bekommt. „In unserer Küche wird das Essen nicht für eine Woche kalkuliert, sondern für eine überschaubare Anzahl an Gerichten. Was leer ist, ist leer!“

© Anne Gahlbeck

Diese bodenständige, fast minimalistische Einstellung spiegelt sich auch in der Küche wieder. Von sperrigen Küchengeräten wie Vakuumierer oder Fritteuse keine Spur und selbst die Anzahl an Töpfen und Pfannen ist längst nicht so übertreiben groß wie in der heimischen Küche. Tobias, unser Koch des Vertrauens am heutigen Nachmittag, ist der Mann, der im Mørtelwerk seinen Kopf für das hinhält, was auf den Tellern der Gäste landet. Er ist absolut kein Freund von Rezeptvorgaben. Dementsprechend entgegen kommt ihm das flexible Küchenkonzept des Mørtelwerks. Heute brutzelt er nach Lust und Laune Gerichte, die Kühlschrank und Jahreszeit hergeben.

Von leicht bis deftig

© Anne Gahlbeck
Für unser gemeinsames Kocherlebnis wählt er Grundzutaten, wie sie unterschiedlicher nicht sein können: Zanderfilet, Garnelen und Schweinenackensteak. Zunächst geht es aber an die Beilagen, die weitere Überraschungen bereithalten. Den klassischen Kartoffelstampf verfeinern wir mit Rosmarin, Steckrüben, Meersalz und Cayennepfeffer, denn wir lernen, dass viele Kräuter mit dem Stampf harmonieren. Ebenso wie Rucola mit Öl, denn das Gemüse, das hinter unserem Rücken plötzlich im heißen Bad landet, schmeckt im Anschluss weniger bitter, sodass wir das frittierte Gemüse zusammen mit Salz, Pfeffer und Sesam am liebsten auf der Stelle wegsnacken möchten. „Ist aber nichts für die schlanke Linie“, lacht Tobias. Also machen wir uns lieber an den luftigen Apfel-Gin-Schaum, den wir zunächst mit Schalotten, Rosmarin, Weißwein, Zucker und Gemüsebrühe reduzieren, um ihn im Anschluss daran mit etwas Bodensee Gin, Sahne, Zitrone und pürierten Äpfeln zu einem fluffigen Schaum zu verfeinern. Tomaten, die wir, zusammen mit Salbei und – schon wieder eine Überraschung – Ahornsirup in der Pfanne braten, sorgen für einen optischen Hingucker. Tobias liebt Ahornsirup, vor allem aber ist er ein Fan des rauchig süßen Geschmacks. Kein Wunder also, dass er selbst den Kartoffelstampf abflämmt, um die erwünschten Röstaromen zu erzeugen.

© Anne Gahlbeck
Fehlt nur noch das Highlight: der Fisch. Dazu landet erneut hausgemachtes Kräuteröl und reichlich Nussbutter mit Garnelen und Äpfeln in der Pfanne. Fein säuberlich, aber ohne viel Schnick Schnack wird das Essen angerichtet. Während wir noch über den crunchigen Rucola und den erstaunlich, aber angenehm scharfen Kartoffelstampf herfallen, wird sich dem in Ananassaft marinierten Nackensteak gewidmet. „Jetzt wird es rustikal, denn auch oldschool kann geil schmecken!“ Drillinge, kleine Kartoffeln, Bohnen, rote Zwiebeln und natürlich Ahornsirup werden zu einer leckeren Beilage verarbeitet, die hervorragend zum deftigen Fleisch passt. Ach – was würden wir bei dem Anblick dieser Köstlichkeiten für sommerliche Temperaturen und ein kühles Bier geben, das wir auf dem traumhaft schönen Freisitz am Kanal unter der Sonne genießen könnten. Stattdessen machen wir uns schnell aus dem Staub, um dem Abwaschberg, den wir hinterlassen haben, rechtzeitig zu entkommen.

Tipp: Jeden Mittwoch gibt es im Mørtelwerk Bergfestfutter für 8€ und Fassbier 0,5l für 3€. Zum Sonntagsbrunch empfiehlt sich eine Reservierung.

Öffnungszeiten: Saisonabhängig, bitte auf der Homepage informieren

Kontakt: Am Kanal 28, 04179 Leipzig